Safran statt Opium
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Die Opiumproduktion in Afghanistan ist eine wichtige Geldquelle für die Taliban. Was wäre, wenn die Bauern Safran statt Schlafmohn anbauen würden? Sie hätten eine neue Verdienstmöglichkeit und Perspektive. Aber auch davon würden die Taliban profitieren.
"Die Safran-Bauern zahlen zehn Prozent Steuern an die Taliban. Sie fordern die Steuern von allen, die in ihren Gebieten leben, und die Farmer zahlen dann auch", sagt der Agraringenieur Mohammad Ali Nahib. Er ist Manager der 'Gharzai Saffron Company', einer Firma in der westafghanischen Provinz Herat. Sie kultiviert Safran für den afghanischen und den internationalen Markt – und einige ihrer Flächen liegen im Taliban-Gebiet. Dennoch, so Mohammad Nahib, sei es immer noch besser, Safran anzubauen statt Schlafmohn, woraus Opium und Heroin gewonnen werden. Schließlich sei Afghanistan noch immer der weltgrößte Drogenproduzent. Und nun soll sich das ändern. Auch dank Safran. Kann das gelingen?
Das teuerste Gewürz der Welt
Die antike Oasenstadt Herat in der gleichnamigen Provinz ist kein gemütlicher Ort. Die Bewohner leben in ständiger Angst, jederzeit kann es Anschläge und Entführungen geben, viele öffentliche Gebäude sind hinter Barrikaden verschanzt.
Aber ein Geschäft leuchtet wie ein Juwel zwischen den lehmgrauen Häusern. Alles blinkt und blitzt. Auf den gläsernen Wandkonsolen im Inneren werden immer nur ein paar ganz wenige identische Flakons prominent präsentiert, so, als handele es sich um Ausstellungsstücke in einem Museum. Aus den edel gestalteten durchsichtigen Flakons leuchten sehr feine Fäden in intensivem Rot. Denn dies ist ein Laden, in dem nichts anderes verkauft wird als Safran, das teuerste Gewürz der Welt.
Das Geschäft ist klein, liegt an einer lauten Straße Herats. Kundschaft ist selten, denn das meiste wird ausgeliefert.
Angebaut wird Safran in vielen Weltgegenden, aber nirgendwo ist die Qualität besser als in Afghanistan. Die Firma des Agraringenieurs Mohammed Ali Nahib verkauft das Gewürz auch hier, in diesem Geschäft. Vor Nahib liegen zwei kleine Häufchen mit Safranfäden. Er spricht abwechselnd in Englisch und in Farsi, einer der Landessprachen.
"Beides ist Safran aus Afghanistan. Aber dieser wurde im ersten Jahr geerntet und jener im dritten – letzterer ist besser. Man sieht, dass die Häufchen unterschiedliche Farben haben, eines ist weniger gelb als das andere. Dieser Safran kostet ungefähr 1000 Dollar pro Kilo und jener 1400. Die Qualität von Safran kann man ganz sicher im Labor feststellen, wie hoch etwa der Gehalt des Aromastoffes Safranal ist. Außerdem geht es um die Länge der Fäden und um die Farbe. Und zum Beispiel auch darum, wie oft man Tee daraus aufgießen kann."
Selbstverständlich kaufen nur Großhändler Safran im Kilo. Der Einzelhandel bietet Safran grammweise an. In Deutschland kostet ein Gramm afghanischer Safran bis zu 14,50 Euro. Das wären 14.500 Euro für ein Kilo, mehr als zehn Mal soviel wie die afghanischen Produzenten verlangen.
In Deutschland wird Safran fast ausschließlich für die feine Küche verwendet. Schon kleinste Mengen reichen aus, um Reis, Saucen oder etwa auch Hühnchen eine kräftige gelbe Farbe und intensiven Geschmack zu geben.
Safran stimuliert und heilt
In anderen Weltgegenden findet Safran noch viele andere Verwendungsarten, erzählt Agraringenieur Mohammad Nahib:
"Safran wird auch für medizinische Zwecke verwendet und etwa Heilmitteln beigesetzt, zur Behandlung von Verdauungsproblemen und Nervosität. Safran ist stimulierend und hilft auch dem Liebessleben. Es werden daraus Tees gemacht und Energiedrinks. Es gibt Tabletten, Sirups, Cremes für Gesicht und Hände."
Safran ist eine Krokusart. In mühsamer Handarbeit werden die lila Blüten im Herbst geerntet, verwendet werden aber nur die fadendünnen roten Griffel. Weil die Pflanzen nur extrem wenig Wasser brauchen, ist der heiße und trockene Westen Afghanistans ein ideales Anbaugebiet. In den letzten Jahren ist die Produktion enorm gestiegen – auch dank entsprechender Entwicklungsprogramme von Regierung und internationalen Hilfsorganisationen. Sie vermitteln unter anderem Know-how und stellen teure Safran-Zwiebeln zur Verfügung. Dabei geht es vor allem um eines: Safran soll den Anbau von Schlafmohn ersetzen, aus dem Opium und Heroin gewonnen werden. Und das Gewürz soll Bauern eine neue Einkommensquelle verschaffen, betont der Gouverneur der Provinz Herat, Abdul Quayom Rahimi:
"Es begann vor einigen Jahren. In Herat bauen die Leute nun Safran statt Schlafmohn an, und ähnliches kommt jetzt in weiteren afghanischen Provinzen in Schwung. Am Anfang haben wir Safran-Zwiebeln aus dem Iran geholt, aber jetzt produzieren wir hier unsere eigenen. Das Geschäft mit ihnen wächst ebenfalls. Die Verarbeitung, die die Qualität beeinflusst, wird jeden Tag besser. Die Leute lernen, und NGOs und die Regierung haben in ihre Ausbildung investiert. Eigentlich ist Herat ein historisches Safran-Anbaugebiet. Aber wegen des Krieges haben die Leute die Gärten brachliegen lassen. Jetzt ist der Gewinn mit Safran größer als mit Schlafmohn. Sie nennen Safran "rotes Gold". Die Produktion wächst schnell, weil sie profitabel ist."
Taliban finanziert sich mit Drogengeld
Trotzdem lag der Ertrag aus dem Schlafmohn-Anbau im vorigen Jahr laut UN-Schätzungen noch immer bei rund 600 Millionen Dollar. Einen beträchtlichen Teil davon streichen die Taliban über erhobene Steuern und Schutzgelder ein. Sie finanzieren damit Waffen und die Gehälter der Kämpfer. Dem gegenüber stehen gegenwärtig viereinhalb Millionen Dollar aus Safran, bei einer Jahresproduktion von dreieinhalb Tonnen. Durch bessere Anbaumethoden und Vergrößerung der Flächen ließen sich die Einnahmen laut Landwirtschaftsministerium aber bis auf das 20-fache steigern.
Unterwegs zu einem Safran-Garten draußen vor der Stadt Herat. Ein weites trockenes Tal, in nicht allzu weiter Ferne die Zacken felsgrauer Berge. Auch wenn dies kein Taliban-Gebiet ist, gilt die Gegend als gefährlich, weil es hier immer wieder zu Entführungen kommt. Mit dabei ist deshalb ein Begleiter aus der Stadt. Im Auto läuft das Radio.
Die Schotterstraße führt über Felder voller Staub und Steine zwischen dem wenigen Grün, und durch Dörfer, in denen die Häuser und das Leben vollständig verborgen sind hinter hohen Mauern aus Lehm.
Auch der Safran-Garten des Mohammad Ibrahim und seiner Frau Azareh Sadiq liegt hinter einer hohen Mauer. Es ist ein kleines Stück Land, nur einen Hektar groß. Aber außer diesem hat Mohammad Ibrahim noch zwei weitere Gärten in der Nähe. Entlang der Innenseiten der Mauern hat er eine lange Reihe von Pistazienbäumen gepflanzt, als zusätzliche Einkommensquelle. Bienenzucht und der Anbau von Knoblauch gehören auch dazu.
Mit Safran wohlhabend geworden
"Als ich vor vier Jahren mit dem Safran-Anbau begann, war ich der erste hier in der Gegend. Ich habe zwei Millionen Afghanis investiert und schon nach zwei Jahren hatte ich einen Gewinn von drei Millionen."
Drei Millionen Afghani, das sind umgerechnet rund 35.000 Euro Gewinn! Jetzt beschäftigt Mohammad Ibrahim 27 Erntehelferinnen. Safran gilt als ausgezeichnete Möglichkeit, den Frauen auf dem Land ein Einkommen zu verschaffen. Insgesamt sind es in der Provinz Herat jetzt schon fast 2000 Frauen, die auf den Farmen arbeiten.
Einige haben sich heute mit ihren Kindern in einem kleinen Wirtschaftsgebäude in Mohammad Ibrahims Garten versammelt.
Ibrahims Gattin Azareh Sadiq organisiert die Arbeit der Frauen:
"Ich bringe den Frauen bei, wie man Safran erntet, wie man sauber arbeitet. Die Safranernte ist schwierig, um die kostbaren Fäden nicht zu verschmutzen, muss man spezielle Kleidung, Mundschutz und Handschuhe tragen."
Frauen verdienen bis zu drei Dollar pro Tag
Die Frauen können durch ihre Arbeit bis zu drei Dollar am Tag verdienen. Für afghanische Verhältnisse ist das gar nicht schlecht. Aber vor allem für Farmer wie Herrn Ibrahim ist Safran ein äußerst einträgliches Geschäft, und mit dem Alter der Safranpflanzen steigen Qualität und Ertrag! Zusätzlich zu den Fäden lassen sich auch die neu entstandenen Zwiebeln teuer verkaufen. Sowohl im Inland als auch auf dem internationalen Markt – die afghanische Regierung hat entsprechende Handelsabkommen geschlossen.
Nach vier Jahren als Safran-Farmer denkt Herr Ibrahim nun darüber nach, die erzielten Gewinne in neue Anbauflächen zu investieren.
Indessen weckt das Geschäft mit dem sündhaft teuren Gewürz Begehrlichkeiten. Auch andere wollen davon profitieren. Zum Beispiel die Chinesen, die am liebsten ein Monopol auf afghanischen Safran hätten, weiß Mohammad Ibrahim:
"Vor zwei oder drei Jahren wollten die Chinesen uns den ganzen Safran abkaufen. Sie verkaufen ein Kilo nicht wie wir für 1000, sondern für 5000 Dollar. Aber die afghanische Regierung hat das unterbunden."
Außerdem ist da noch die Konkurrenz aus dem Iran, wo Safran von viel geringerer Qualität produziert wird, wie Agraringenieur und Safran-Händler Mohammad Ali Nahib aus Herat sagt:
"Einige Firmen bringen iranische Ware hierher, dann wird sie mit dem afghanischen Safran gemischt oder verpackt und als afghanischer Safran verkauft. Letztes Jahr geschah das in großem Maße. Dieses Jahr ist es weniger geworden."
Gibt es also so etwas wie eine Mafia im afghanischen Safran-Handel? Mohammad Ali Nahib:
"We know but we can't tell you."
Auch durch Safran kann Krieg finanziert werden
Er weiß Bescheid, kann aber nicht darüber reden. Und dann ist da schließlich noch das, worüber Mohammad Ali Nahib schon zuvor gesprochen hat: Die Tatsache, dass die Taliban in den von ihnen kontrollierten Gebieten zehn Prozent Steuern von den Safran-Farmern erheben. Genau wie beim Schlafmohnanbau. Außerdem gib es angeblich auch Warlords, die sich das Geschäft unter den Nagel reißen wollen. Auf diese Weise würde dann nicht nur der Drogenanbau, sondern auch Safran den Krieg finanziell unterstützen, zumindest in gewissem Maße. Trotz allem ist der Agraringenieur Mohammad Ali Nahib optimistisch:
"Das Wachstum beim Safran hat gerade angefangen. Die Nachfrage wächst, die Bedingungen sind besser geworden, aber das Problem, das wir haben, ist die Sicherheit. Falls die besser wird, kann es gute Steigerungsraten geben."
Und was, wenn die Taliban an die Macht zurückkommen?
"Wenn die Mädchen in die Schule gehen können und wenn sie unsere Verfassung akzeptieren, dann haben weder wir ein Problem mit den Taliban noch haben die Taliban ein Problem mit uns."
Nur dass im Moment niemand weiß, wie der Machtkampf mit den Taliban ausgehen wird.