Afghanistanveteran Johannes Clair

"Afghanistan lässt mich nicht los"

32:12 Minuten
Johannes Clair, braune Haare, schwarzes Hemd mit weißem Shirt darunter, schaut an einem Baum lehnend in die Kamera.
Leidet seit fast zehn Jahren an einer posttraumatischen Belastungsstörung: Johannes Clair. © Anna-Miriam Hecht
Moderation: Annette Riedel |
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Johannes Clair war Fallschirmjäger bei der Bundeswehr. Mit 24 kämpfte er in Afghanistan gegen die Taliban. Seine traumatischen Erfahrungen verarbeitete er in einem Buch. Erfahrungen, die sein Leben veränderten und ihn bis heute nicht loslassen.
Schon als kleiner Junge wollte er Soldat werden. "Ich habe den Beruf des Soldaten immer damit verbunden, dass man helfen kann und sich insbesondere für Schwache einsetzt, die sich nicht wehren können."
Das sei vielleicht ein wenig naiv gewesen, sagt Johannes Clair heute, aber als ältestes von zahlreichen Geschwistern habe er schon früh Verantwortungsgefühl gehabt, und es für wichtig erachtet, sich für andere zu engagieren. Sein Umfeld sah ihn eher in musischen Berufen. In der Schule machte er viel Musik, spielte in einer Band, war in der Theater-AG.

Operation Halmazag

Johannes Clair geht dennoch zur Bundeswehr, wird Fallschirmjäger und kommt 2010 auf eigenen Wunsch nach Afghanistan. Da ist er 24. Oberstabsgefreiter Clair wird Teilnehmer der Operation "Halmazag", was auf Deutsch so viel heißt wie "Blitz", erzählt Clair.
Die erste Offensive in der Geschichte der Bundeswehr. Ihr Ziel: Zusammen mit Soldaten aus anderen Ländern Aufständische aus der Region zu vertreiben. Nur vier Tage dauert der Einsatz. Vier Tage, die das Leben von Johannes Clair verändern, bis heute.
"Was anders war in dieser Operation: Dass die Aufständischen informiert waren, dass wir kommen, und sich vorbereiten konnten", erzählt der ehemalige Soldat.
"Wir wussten, dass sie in diesem Dorf verschanzt waren. Ziel dieser Strategie war es, ihnen die Möglichkeit der Kooperation zu geben." Es folgten vier Tage ununterbrochenes Kampfgeschehen.
"Wir waren permanent im Gefecht. Das sind einfach Situationen, die so krass waren, wo es keinerlei Ruhepausen mehr gab, dass in dieser Situation meine Angst völlig kippte, und ich einfach zeitweise auch nicht mehr handlungsfähig in meiner Stellung lag."

Rückkehr aus dem Krieg

Nach sieben Monaten in Afghanistan kommt Johannes Clair zurück nach Deutschland und schreibt seine Erfahrungen auf. Erinnerungen an Entbehrungen, an Todesangst und existenzielle Gefahren, aber auch an Kameradschaft und die landschaftliche Schönheit Afghanistans. "Vier Tage im November" heißt das Buch, das zum Bestseller wurde.
Johannes Clair schaut in Bundeswehrkleidung in die Kamera.
Johannes Clair© privat
Das Schreiben allein hilft aber nicht beim Verarbeiten. Johannes Clair leidet unter Konzentrationsproblemen, Angst in der Öffentlichkeit, vor öffentlichen Plätzen und Menschenansammlungen. Posttraumatische Belastungsstörung lautet die Diagnose. Bis heute ist der 35-Jährige in therapeutischer Behandlung.

Das Gefühl, etwas unerledigt zurückgelassen zu haben

In einem Interview kurz nach seiner Rückkehr 2012 erklärte Johannes Clair, er habe das Gefühl, in Afghanistan etwas vergessen zu haben, und er suche danach. Heute, fast zehn Jahre später, meint er, dass die Suche wohl nie beendet sein werde.
"Ich glaube, dass Afghanistan mich nicht loslässt, und auch ein Teil von mir da wieder hin möchte. Einerseits, weil ich einfach das Land megabeeindruckend finde. Und andererseits, weil ich weiß, in welcher Situation sich das Land heute befindet und die Erkenntnis habe, dass natürlich auch Einsatzerfolge, die wir über die Jahre erarbeitet haben, dass die nicht nachgewirkt haben und dass die Menschen einfach dort heute unsicherer sind denn je. Und das ist ein Punkt, wo ich Mitgefühl habe, und auch das Gefühl habe, etwas unerledigt zurückgelassen zu haben."
(kuc)
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