"Africa" von Toto

Das Lieblingslied des Internet

Von Hannah Heinzinger · 17.07.2018
Das Internet hat sich verliebt: In einen Song, der 36 Jahre alt ist und zur Zeit seines Erscheinens eher als uncool galt. "Africa" von Toto ist zum Meme geworden. Aber warum ausgerechnet dieser Song?
Ein Twitter-Bot postet alle drei Stunden eine Songzeile, es gibt Kurzgeschichten im Hemingway-Stil, vor ein paar Wochen coverte die amerikanische Band Weezer den Song – weil sich eine immer größere Gruppe im Netz formierte, die das forderte. Im Internet wimmelt es nicht nur von Covern und Adaptionen des Songs "Africa", die bedingungslose Liebe geht sogar so weit, dass der amerikanische Popmusikforscher Nick Desideri einem kleinen Shitstorm ausgeliefert war, nachdem er eine Übersichtsgrafik über die besten Songs aller Zeiten postete – und Totos "Africa" lediglich im unteren Drittel angesiedelt war.

Faszination für die unironische Kitschigkeit des Songs

Dass jetzt ausgerechnet viele junge Leute "Africa" als Lieblingslied bezeichnen, erklärt sich Annekathrin Kohout, die in Siegen zu Internetphänomenen und Popkultur forscht, mit einer Faszination für die unironische Kitschigkeit des Songs: "Heute ist das tatsächlich diese Sehnsucht nach echten Gefühlen jenseits von Ironie, die total faszinierend wirken muss auf eine heutige Jugend, die mit einem postmodernen Geist aufgewachsen ist und diese Art von Solidarität oder Naivität im Umgang mit diesen Themen nicht kennt."
Tatsächlich: Sieht man David Paich im Video mit Dackelblick, wie er vom magischen Auftauchen des Kilimanjaro über der Serengeti singt, wirkt das herzzerreißend ulkig. Man merkt, der Song stammt aus einer Zeit, in der auch Charity-Alben die ersten Erfolge feierten. Gleichzeitig mutet das Video ziemlich historisch an, kein Klischee über Afrika wird ausgelassen: Männer, die Speere werfen, afrikanische Masken, ein Löwenkopf als Symbol für Afrika – Annekathrin Kohout weiß, dass das aus heutiger Sicht schon etwas befremdlich wirkt: "Auf der anderen Seite gibt es eine Art Sehnsucht nach dieser Art von Echtheit oder Naivität im Umgang mit fremden Kulturen, die natürlich gar nicht mehr als fremd betitelt werden sollten. Diese Sehnsucht ist legitimiert dadurch, dass der Song alt ist und der Text relativ inkonkret."
Die uneindeutigen Lyrics tragen dazu bei, den Mythos um Totos "Africa" noch zu verstärken. Im Netz finden sich zahlreiche Theorien darüber, um was genau es in dem Song denn nun eigentlich gehen soll. Das Echo der Trommeln in der Nacht, ein alter Mann, der einen geheimnisvollen Hinweis gibt – da bleibt Raum für die eigene Fantasie. Was entsteht ist eine Nostalgie, die zur Retrophilie der heutigen Zeit sehr gut zu passen scheint. Dass der Song bereits Auftritte in Serien wie "Famliy Guy", "Stranger Things" und "Scrubs" hatte, trägt ebenfalls zu seiner Beliebtheit bei.

Ein musikalisch sehr fein gemachter Song

Warum aber gerade Toto wieder ausgegraben wurde, liegt laut Annekathrin Kohout auch daran, dass es einfach möglich ist. Im Netz hat man Zugriff auf alles, was unsere Kulturgeschichte jemals hervorgebracht – und das nutzen die Leute.

Und der Song "Africa" hat das Potenzial, viral zu gehen. Denn er ist vor allem ein musikalisch sehr fein gemachter Song, ein Vorzeigestück des Yacht Rock, der in den 70er Jahren im sonnigen Teil der USA entstand – und den die aktuelle Popmusik gerade wiederentdeckt. Der Name steht für aufwendig produzierte Songs mit großen Melodien und verträumter Realitätsferne. Der sanfte Drumloop, der sich während des gesamten Songs nicht ändert, verfeinert mit Shakern, Tamburin und Cowbells – genau das macht "Africa" so heimelig.
Auch wenn einzelne Mitglieder von Toto schon damals etwas skeptisch waren. Gitarrist Steve Lukather hatte angekündigt, nackt über den Hollywood Boulevard zu rennen, wenn der Song jemals erfolgreich sein sollte. Die Einlösung steht allerdings noch aus. Noch dazu hat bis dato niemand in der Band jemals einen Fuß nach Afrika gesetzt. Aber vielleicht spielt das auch keine Rolle: Die Nostalgie, die das Internet gerade packt, ist auch die von der Vorstellung von einem fernen Ort, an dem man noch nie gewesen ist und an den man sich träumen kann. Genauso, wie Toto noch nie in Afrika waren.
Steve Lukather (li.) und Mike Porcaro
Steve Lukather (li.) und Mike Porcaro von der Band "Toto".© imago/Kickner
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