"Afrika bietet starke Kontraste"

Moderation: Dieter Kassel |
In jüngsten Fernsehproduktionen wie "Mein Traum von Afrika" in der ARD oder "Afrika mon amour" im ZDF werden romantische Klischeebilder vom schwarzen Kontinent produziert, die wenig mit der Realität zu tun haben. Der Entwicklungssoziologe Elísio Macamo beklagt in dem Zusammenhang auch die Berichterstattung über Afrika, die die Ursachen der heutigen Konflikte wie die Mitschuld der Europäer durch die Kolonisierung ausblende.
Kassel: "Afrika. 1000 heiße Feuer brennen nachts - suchen Abenteuer. Afrika. Trommeln rufen heiser in die Nacht - bis der Voodoo-Gott erwacht". So der Refrain des Pop-Songs "Afrika", gesungen von Ingrid Peters in den 80er Jahren. Der Text dieses Liedes fasst offenbar das Afrika-Bild gut zusammen, dass Bild von Afrika, dass immer noch in Filmen, im Kino und im Fernsehen transportiert wird. Da gab es natürlich den Kino-Hit "Die weiße Massai", vorher auch ein Buch-Hit, da gab es am vergangenen Samstag im Ersten Deutschen Fernsehen den Film "Mein Traum von Afrika", wo eine Frau nach der Kündigung in Deutschland zurückgeht in die Heimat nach Kapstadt in Südafrika und dort viele romantische Abenteuer erlebte. Und da gab es erst gestern den ersten Teil von "Afrika mon amour". Da spielt Iris Berben eine junge deutsche Frau, die 19193/1914 in das damals deutsche Ostafrika geht. Elísio Macamo kommt aus Mosambik und ist Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungsoziologie an der Universität Bayreuth.

Herr Macamo, die Sendung gestern, die Sie, weil wir Sie dazu gedrängt haben, auch gesehen haben, wir waren beide nicht auf der Welt 1913, aber hat die Ihnen ein realistisches Afrikabild vermitteln können?

Macamo: Na ja, es ging gestern eigentlich nicht um Afrika, sondern eben um die Geschichte dieser Frau, um ihre Beziehungen, um ihre Ehe, und von daher kann man nicht sehr viel sagen über das Bild von Afrika, das im Film vermittelt wurde.

Kassel: Dann reden wir doch beispielsweise über die Sendung vor ein paar Tagen, am Samstagabend, "Mein Traum von Afrika". Das spielte ja nun im Kapstadt der heutigen Zeit. Hat man da ungefähr mitbekommen, wie es in Südafrika zugeht im Jahr 2005, 2006?

Macamo: Nein. Man muss natürlich immer bedenken, dass es wahrscheinlich in diesen Filmen wirklich nicht um Afrika geht. Es geht um die Geschichten der Menschen, die da in diesen Filmen porträtiert werden, es geht eben um ihre Beziehungen hier in Deutschland, und Afrika wird dann eben als Leinwand sozusagen benutzt, um diese Geschichten zu erzählen. Was man natürlich kritisch anmerken muss, ist, dass man dabei ein gewisses Bild von Afrika projiziert, das, ja, problematisch sein kann. Also Südafrika ist ein sehr schwieriges Land, ist ein Land mit einer gesellschaftlichen Situation, die sehr vielfältig ist, die sehr kompliziert ist, und dieser Hintergrund wurde eigentlich in diesem Film nicht sehr gut thematisiert.

Kassel: Ist es bei Kenia ähnlich? Ich habe immer das Gefühl, im Wesentlichen, wenn es mal nicht Südafrika ist, werden Afrikafilme auch immer in Kenia gedreht, wahrscheinlich fühlen sich Europäer da am sichersten und es gibt auch die beste Infrastruktur, aber ist es nicht trotzdem so, dass wir selbst im Fall von Kenia eigentlich zumindest aus Spielfilmen überhaupt nicht wissen, wie es da zugeht?

Macamo: Ja, es geht immer sozusagen um gewisse Bilder, die man von Afrika hat. Natürlich spielt die Natur eine große Rolle, deshalb wird immer in den Ankündigungen darauf hingewiesen, dass es schöne Landschaften gibt, also eindrucksvoller Bilder werden da gezeigt. Es geht ja im Grunde zum Teil auch um die Möglichkeit, den Kontinent so darzustellen, dass man die Rolle, die diese europäischen Schauspieler darstellen, zum Ausdruck kommen können. Also auch in Fällen von Ländern wie Kenia und Südafrika, natürlich spielt die Sicherheitslage, die Tatsache, dass man dort die bessere Infrastruktur hat, eine große Rolle, aber es werden weiterhin bestimmte Bilder vermittelt, die Afrika im Grunde schlecht darstellen.

Kassel: Lassen Sie uns doch mal so tun, als seien wir beide Drehbuchautoren, vor allen Dingen Sie. Wenn wir uns jetzt mal eine Geschichte vorstellen, einen Film, der zum Beispiel in Mozambik tatsächlich spielt, in Maputo, was für eine realistische Geschichte könnte man denn da erzählen, wo jemand wirklich einen Spielfilm sieht und sagt, ich weiß jetzt aber ein bisschen mehr über diesen Teil von Afrika?

Macamo: Ja gut, also zunächst einmal müsste man bedenken, ich meine, es gibt natürlich kein wahres Bild von Afrika, es ist immer eine Frage der Perspektive. Ich betrachte Afrika auf eine gewisse Weise, und ich kann mir nicht anmaßen, dass mein Bild von Afrika irgendwie der Wahrheit entspricht. Der andere Punkt ist der, dass das, was wir als Afrika betrachten, zum großen Teil Ergebnis der Auseinandersetzung, der Beziehungen zwischen Afrika und Europa ist, und diese Dinge werden immer ausgeklammert in der Darstellung von Afrika. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass ein Film, der meinetwegen in Maputo gedreht wird, dass er versucht genau auf diese Beziehung zwischen Europa und Afrika einzugehen, und das geschieht leider nicht sehr oft.

Kassel: Jetzt haben wir über fiktionale Formate geredet. Lassen Sie uns auch ein bisschen über die Nachrichtenberichterstattung reden, weil ich oft das Gefühl habe, auch da wird Afrika ein bisschen merkwürdig dargestellt. Nehmen wir die ganz aktuelle Berichterstattung über den Konflikt in Somalia, über den Einmarsch äthiopischer Truppen. Da hat man zunächst einmal den Eindruck, das war fast jeden Tag in der Tagesschau, da wird viel darüber berichtet, da wissen wir alles. Aber mir ist aufgefallen, wenn Sie einen gebildeten Deutschen, der viel Nachrichten guckt, fragen würden nach der Hamas und der Fatah in den Palästinensergebieten, dann könnte der, glaube ich, ein paar Namen nennen von Politikern. Selbst mir würden jetzt Kriegsherren, Politiker aller Seiten aus Äthiopien, Somalia, frühere Konflikte Ruanda, Liberia nicht einfallen. Woran liegt das?

Macamo: Das liegt zum großen Teil daran, dass wir immer sozusagen diese Klischees bevorzugen. Das Problem ist, dass leider, und ich bin Afrikaner und ich muss das leider feststellen, diese Klischees entsprechen schon der Realität. Es gibt Krieg in Afrika, es gibt Elend, es gibt immer diese schlechten Sachen, die da passieren, und ein großer Teil davon wird auch von Afrikanern sozusagen gemacht.

Gut, also das ist ein Teil sozusagen der Feststellung, die man machen muss. Ein anderer Teil liegt darin, dass wir sozusagen nicht versuchen die Gründe, die dahinter stecken, zu beleuchten, das heißt, warum Afrika solche Nachrichten hervorbringt, warum ist es so, dass in Afrika eben Krieg herrscht, Elend herrscht usw. Wir machen das nicht, weil wir dann gezwungen werden festzustellen, dass Afrikaner nicht allein verantwortlich dafür sind, sondern dass viele anderen Leute mitbeteiligt sind, allen voran die Europäer, und zum großen Teil auch die Kolonialgeschichte, von der niemand heute mehr sprechen will.

Kassel: Ist das nicht etwas merkwürdig, wenn man bedenkt, dass sicherlich ein Teil der Gründe für die intensive Berichterstattung über die Konflikte im Nahen Osten ist auch die jüngste Geschichte, ist auch das Dritte Reich, der Zweite Weltkrieg und vieles mehr. Könnte nicht gerade die Kolonialzeit auch umgekehrt eher ein Grund sein, besonders großes Interesse an den heutigen Konflikten in Afrika zu haben?

Macamo: Ja gut, nur: eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, so wie sie zum Beispiel in Deutschland stattgefunden hat in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, würde natürlich bedeuten, dass man sozusagen die Vergangenheit bewältigt, dass man auch die Möglichkeit offenhält, Schuld einzugestehen, und das Tragische an Afrika ist, dass niemand bereit ist einzugestehen, welches Unrecht sozusagen Afrika zugefügt wurde im Laufe der Geschichte. Ich glaube, da liegt das Problem, dass niemand bereit ist einzugestehen, dass das, was in der Kolonialzeit passiert ist, ein großes Problem ist, dass das die größte Ursache ist für die Probleme, die Afrika heute hat.

Kassel: Lassen Sie uns jetzt zum Schluss noch einmal zurückkommen auf diese vielen Filme, die ein romantisches Afrika mit Leuten aus Europa oder Nordamerika, die da Liebesgeschichten erleben, zeigen. Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum gerade auch Deutsche so gerne Filme in Afrika drehen, ich meine, es gibt viel weniger Filme, die das deutsche Fernsehen, was weiß ich, in Brasilien, Indonesien oder Neuseeland dreht. Warum gerade dieses Interesse an einem, wenn auch nicht sehr realistischem Afrikabild bei deutschen Fernseh- und Filmproduzenten?

Macamo: Das ist schwer zu ergründen. Ich würde mal sagen, es hängt zum größten Teil damit zusammen, dass man große Kontraste haben möchte. Ich meine, man kann Geschichten besser erzählen, wenn man starke, markige Kontraste hat, und Afrika bietet eben diese Kontraste an.

Kassel: Herzlichen Dank für das Gespräch.