Afrika

Liebe ist ein Menschenrecht

Moderation: Britta Bürger |
Sie behandelt die Themen Post-Apartheid und Homosexualität und kämpft für die Rechte von Frauen: Die Südafrikanerin Zanele Muholi ist eine unerschrockene Künstlerin, die den Stimmlosen ihrer Heimat eine Stimme gibt.
Britta Bürger: Sie kämpft mit der Kamera, die südafrikanische Fotografin Zanele Muholi. Mit Hilfe der Kunst verbreitet sie politische Botschaften. Darin geht es ihr fast immer um die Rechte sexueller Minderheiten, insbesondere um das Leben schwarzer Lesben. Zurzeit ist die Künstlerin und Aktivistin mit verschiedenen Projekten in Berlin, Gelegenheit für uns, sie ins "Radiofeuilleton" einzuladen. Herzlich willkommen, Zanele.
Zanele Muholi: Thank you so much!
Bürger: Wir haben gerade von dieser Aktion gehört, in der Sie sich nackt in einen gläsernen Sarg gelegt haben. Ihr Körper liegt auf Watte, ist zum Teil mit Rosen bedeckt. Bezog sich diese Performance auf ein konkretes Ereignis?
Muholi: Diese Performance hat am 14.02.2014, also am Valentinstag, in Johannesburg in der Stevenson Galery stattgefunden, und ich wollte einfach diesen Moment ausnutzen, diesen Tag des Valentinstags, der Tag der Liebenden, die sich zusammenfinden, und daran erinnern, dass es auch an einem solchen Tag Tote gibt wegen der Liebe, dass Leute aus Gründen der Liebe umgebracht werden: entweder zum Beispiel eine Frau, die von ihrem eifersüchtigen Mann ermordet wird, oder wenn ein Partner gewalttätig überfallen wird oder vergewaltigt wird. Aber auch die schwarzen Lesben vor allem als Opfer wollte ich zeigen von Hassverbrechen, wie sie immer wieder in Südafrika stattfinden, und ich wollte auch zeigen, dass das Leben nach so einem Hassverbrechen weitergeht, für viele Menschen ganz normal. Aber ich wollte eben an die Opfer erinnern, und dafür habe ich meinen eigenen Körper als Kunstobjekt verwendet, als Opfer von einem Hassverbrechen sozusagen dargestellt, und das zur Hochzeit der Hassverbrechen in Südafrika.
Bürger: Sie sprechen von Hassverbrechen und benutzen häufiger auch einen Begriff, den ich in der Vorbereitung auf unser Gespräch zum ersten Mal gehört habe, nämlich "Corrective rape", korrigierende Vergewaltigung. Damit sind gemeint Hassverbrechen an lesbischen Frauen, die durch die Vergewaltigung zu einer heterosexuellen Lebensweise gezwungen werden sollen. Wie gefährlich ist es im heutigen Südafrika, offen homosexuell zu leben?
Durch Vergewaltigung sollen Lesben zu Heterofrauen werden
Muholi: Wenn man davon redet, offen homosexuell zu leben, dann geht es auch immer um die Community, um die Gemeinschaft, dass man ein Teil dieser Gemeinschaft ist, die so leben. Es geht also nicht nur um die Gefahr, der man persönlich ausgesetzt ist, sondern der auch Teile dieser Gemeinschaft, andere Mitglieder ausgesetzt sind. Man kann überall und immer zu einer offenen Zielscheibe werden. Man muss also immer auf der Hut sein und sich umsehen, ob nicht irgendwo Gefahr lauert.
Ich habe dabei auch immer im Kopf die Anzahl der Frauen, die vergewaltigt worden sind, der schwarzen Lesben, die vergewaltigt, ermordet worden sind, um sie, wie Sie schon sagten, sozusagen umzuerziehen. Diese Männer, die das machen, wollen sie damit verändern. Sie wollen ihnen ihre Rolle als Frau zuweisen, ihre Position klar machen als Besitz des Mannes. Sie sollen sich gefälligst benehmen und ihre untergeordnete Rolle einnehmen und dann durch diese Vergewaltigung zu Heterofrauen werden. Diese Annehme ist natürlich der reine Wahnsinn, wenn man überlegt, wie viele von diesen vergewaltigten Frauen dann Aids bekommen haben, schwanger geworden sind, oder auch ermordet worden sind, brutal ermordet worden sind. Also man kann es zusammenfassen, dass das Leben als schwarze Lesbe, oder auch als Transsexueller, besonders als schwarzer, sehr, sehr gefährlich ist.
Bürger: Sie selbst sind noch inmitten der Apartheid aufgewachsen. Wie hat sich die Situation für die heutige junge lesbisch-schwule Generation verändert? Wie sehen die neuen Machtstrukturen in der Postapartheidsgesellschaft aus?
Muholi: Ich selber bin ja in den 70er-Jahren aufgewachsen, unter der Apartheid. Meine Mutter hat als Hausangestellte gearbeitet und unter diesen Eindrücken bin ich auch groß geworden. Ich sah sie jeden Morgen das Haus verlassen und zu einer anderen Familie gehen, wo sie gearbeitet hat, und uns alleine gelassen hat. Auch dieses Thema untersuche ich ja in einem Projekt, "Massa Emina", und ich gucke, wie Hausangestellte in Südafrika zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen haben, wie das die wirtschaftliche Entwicklung beeinflusst hat.
Aber Sie sprechen von Veränderungen, und die hat es natürlich gegeben. Jetzt sieht man die Coming Outs der Leute, wie sie sich offen zu ihrem schwul und lesbisch sein bekennen. Es passiert einfach, es passiert täglich, und das werde ich auch weiter dokumentieren, denn ich nenne mich ja in diesem Sinne eine visuelle Aktivistin und nicht eine Künstlerin. Ich möchte das bildlich zeigen, dokumentieren, denn das Bild dieser Gesellschaft und auch dieser Gemeinschaft war zuvor sehr verzerrt nur dargestellt worden. Und meine Generation, die in der Apartheid groß geworden ist, sieht das Leben natürlich anders als die in den 90-ern groß gewordenen, und das zeigt sich vor allem in ihrem Selbstausdruck, wie sich die Leute darstellen, wie sie leben, wie sie einen natürlichen Umgang haben. Die Freigeborenen, nennen wir sie mal Mandelas Enkel, die kleiden sich anders, sie verhalten sich offener, sie haben einen anderen Zugang dazu. Meine Generation, die unter der Apartheid aufwuchs, hat es da schon schwerer, und wenn man über die Geschichte redet, darf man natürlich auch nicht vergessen, dass die Apartheid uns eine sehr bewusste Einstellung dazu gebracht hat. Es ist jetzt eine ganz andere Zeit, es ist jetzt auch viel einfacher. Wir haben die sozialen Medien, die uns erlauben, uns mit allen und überall zu vernetzen und zu verbinden.
Schwarz-Weiß-Porträts von schwarzen Lesben und Transsexuellen
Bürger: Zanele Muholi ist zu Gast hier im Deutschlandradio Kultur, eine Fotografin, nennt sich selbst visuelle Aktivistin, aus Südafrika, die Menschen mit anderen sexuellen Vorlieben als der Hetero-Beziehung in ihren Bildern sichtbar macht. – Es geht in den Projekten also immer wieder um die Dokumentation von Diskriminierungen, von Bedrohung, von Gewalt, und zugleich darum, positive Bilder überhaupt sichtbar zu machen. Dafür stehen Ihre Porträtserien, die jetzt zum Teil auch in Berlin zu sehen sind. Die Porträtierten, die nennen Sie, Frau Muholi, nicht Modelle, sondern "Participans", also Teilhaber, Teile einer Bewegung. Was genau meinen Sie damit?
Muholi: Ich arbeite an einem Projekt, das "Faces and Phases" heißt, also Gesichter und Phasen. Das sind Schwarz-Weiß-Porträts von schwarzen Lesben und Transsexuellen. Das läuft seit 2006 und ist eigentlich ein lebenslanges Projekt. Ich nenne die Menschen nicht Modelle, die ich fotografiere, weil es sich um echte Menschen handelt, um echte Leute. Es gibt Beziehungen zwischen ihnen und mir, die wir aufbauen in unserer Arbeit zusammen. Diese Leute haben Gefühle, sie haben Lebensgeschichten, und diese Lebensgeschichten muss man bekannt machen. Viele dieser Geschichten sind nicht bekannt, aus verschiedenen Gründen haben sie ihre eigene Geschichte nicht erzählen können, und so machen wir das gemeinsam. Ich habe zum Beispiel eine Freundin, die mit 25 gestorben ist als Opfer einer dieser sogenannten Corrective rape Fälle, dieser korrigierenden Vergewaltigungen. Sie hat dann nur bis März 2007 gelebt und jeden März muss ich daran denken, wie dieser junge Mensch so früh sterben konnte. Ihre Geschichte möchte ich erzählen, so wie ich die Geschichte vieler anderer erzählen möchte, die eben nie erzählt worden sind. Aber diese Geschichten waren immer da. Sie sind Teil unserer Geschichte. Man muss sagen, was geschehen ist, und das ist in diesem Fall ohne das Foto nicht möglich. Und ohne diese Menschen sind die Fotos auch nicht möglich und wir verlassen uns als Fotografen auf sie, auf ihre Mitarbeit, und hier spreche ich als Aktivistin, nicht als Künstlerin. Es ist mir wichtig, nicht nur meine eigenen Themen und Erfahrungen einzubringen, sondern auch die Biografien dieser Individuen, und mit meiner zusammen wird dann auch etwas Autobiografisches daraus, denn ich bin eine von uns und nicht eine von ihnen.
Bürger: Die südafrikanische Fotografin und Aktivistin Zanele Muholi. Haben Sie vielen Dank, dass Sie uns das alles erzählt haben. Danke für Ihren Besuch.
Muholi: Thank you so much for the invitation. Thank you.
Bürger: Und Dank auch an Marei Ahmia, die die großen Gedankenbögen in einem Fluss übersetzt hat. – Zu sehen ist eine Auswahl der Fotos von Zanele Muholi bis zum 9. Juni im Schwulenmuseum Berlin und im Berliner Studio 44 der Choreografin Constanza Macras. Da ist Muholi am morgigen Samstagabend an einer Performance beteiligt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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