"Man hofft auf Renditen"
China und andere Länder investieren seit Längerem in die afrikanische Landwirtschaft, pachten dort riesige Landflächen, um Reis oder Soja anzubauen. Volkswirt Hans-Heinrich Bass kritisiert dieses Engagement.
Nana Brink: Immer wieder stellen wir uns ja die Frage: Warum kommt es zu diesen verheerenden Hungersnöten in Afrika? Die Antworten darauf sind, wie immer, vielschichtig und hängen miteinander zusammen: Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung, mehr Fleischkonsum, Spekulation mit Lebensmitteln an den Börsen. Schon seit Längerem investiert zum Beispiel China in die afrikanische Landwirtschaft – tolle Idee, könnte man meinen, allerdings hat der aufsteigende Riese aus Asien eher eigene Interessen, wenn er riesige Flächen in Afrika pachtet, um Reis oder Soja anzubauen. Ein großes Thema, wenn sich die Afrikanische Union heute und morgen trifft, um über Lebensmittelsicherheit und Landwirtschaft auf dem Kontinent zu sprechen. Einer, der sich auskennt in Afrikas und in Asiens Wirtschaft ist Profsesor Hans-Heinrich Bass. Er lehrt internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Bremen. Schönen guten Morgen, Herr Bass!
Hans-Heinrich Bass: Ja, schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: China pachtet Afrikas Äcker. Warum tun die das?
Bass: Ja, es ist tatsächlich nicht nur China, es sind auch verschiedene andere Länder. Grundsätzlich sind es Volkswirtschaften, private Investoren, aber auch Regierungsfonds, aus Ländern, wo die landwirtschaftliche Nutzfläche klein ist im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. China ist sicherlich an vorderster Front dabei, aber man muss auch Indien und die Golfstaaten nennen. Ich höre auch, dass es auch Investitionen aus Deutschland geben soll.
Im Prinzip geht es darum, Investitionen in einen Bereich zu tätigen, den man bislang als noch zu wenig produktiv wahrnimmt, und man hofft damit eben auf entsprechende Renditen, indem man dort Nahrungsmittel produziert, die man dann exportiert aus Afrika in die Heimatländer der Investoren, aber auch auf den Weltmarkt. Agrosprit ist beispielsweise ein Thema, da wird ja für den Weltmarkt produziert.
Brink: Das heißt, eigentlich produziert China, wenn sie Reis oder Soja anbauen, natürlich nicht für die lokale Bevölkerung in Afrika, sondern für die eigene? Habe ich das richtig verstanden?
"Es ist kein ungenutztes Land"
Bass: Ja, ganz genau. Also China produziert für den Weltmarkt oder eben für die chinesischen Konsumenten, und im Gegenteil: Die Menge, die in Afrika verfügbar bleibt an Nahrungsmitteln, nimmt ja in der Regel durch solche Großprojekte sogar ab, denn man muss wissen, dass die Flächen, die da gepachtet werden, natürlich kein Niemandsland sind, sondern das sind ja Länder, die vorher von Kleinbauern, von Hirten genutzt wurden, häufig in sehr komplexen Mischnutzungssystemen. Das erscheint uns als ungenutztes Land, aber es ist in Afrika kein ungenutztes Land, sondern da leben sehr viele Menschen davon, und die werden häufig eben von diesem Land dann vertrieben.
Es findet also häufig nicht eine Entschädigung statt, die man als substanziell ansehen könnte, weil das ja auch alles Länder sind mit einem sehr schwach ausgebildeten Rechtssystem, hoher Korruption häufig. Und ich bin da sehr skeptisch, dass das in afrikanischen Ländern viel hilft, denn man muss sehen: Es sind ja sehr kapitalintensive Produktionen, die dort aufgenommen werden sollen. Das heißt, da entstehen wenig Jobs, Tagelöhnerjobs, vielleicht ein paar Jobs beim Transport, aber im Prinzip ist das zu vernachlässigen, und stattdessen muss eben alles importiert werden, was man eben für eine hocheffiziente Landwirtschaft braucht, das heißt also Bewässerungsanlagen, synthetischer Dünger, Hybridpflanzen, das muss alles eben neu hinzugekauft werden. Und von daher sehe ich da auch die Devisenseite also nicht so sehr positiv.
Brink: Aber da würde ich gerne noch mal einhaken. Sie haben gesagt: Okay, die Negativseite ist, das Land wird verscherbelt, weil wir es natürlich auch mit Staaten zu tun haben mit einem schwachen Rechtssystem. Auf der anderen Seite haben Sie gesagt: Gut, die müssen auch sozusagen ihre Produktionsmittel dorthin importieren. Ist das nicht auch vielleicht von Vorteil, wenn Investoren Geld nach Afrika schicken, auch Arbeitsplätze schaffen oder eine Infrastruktur aufbauen? Denn die Sachen müssen ja auch transportiert werden und verschifft.
"Es ist nicht nur negativ"
Bass: Ja, sicherlich, also es ist nicht nur negativ. Aber man muss eben sehen, dass das, was positiv ist, häufig das nicht kompensiert, was da eben an Chancen auch verloren geht, denn die Straßen, die gebaut werden, das sind eben … Na ja, der südamerikanische Soziologe Galeano hat von offenen Adern gesprochen, die die Entwicklungsländer durchziehen. Da wird eben nur abtransportiert im Prinzip zu den großen Hafenanlagen, und es bleibt also wenig auch an Ressourcen, um beispielsweise die doch sehr wichtigen Straßenverbindungen zu bauen zwischen den Dörfern und den Marktorten, denn daran fehlt es eben in Afrika sehr häufig. Also man hat sehr große Straßen gebaut, also die Chinesen sind da ja auch sehr aktiv, große Straßen gebaut zu den Hafenanlagen, aber wichtiger wäre ja noch für die Binnenversorgung, dass man eben ein engmaschiges Netz von Transportmöglichkeiten knüpft innerhalb des Landes.
Tatsache ist, es wird natürlich ein gewisser Kapitalimport stattfinden, aber die Jobs, die geschaffen werden, jetzt als Tagelöhner, im Transportsektor, die ersetzen also kaum das, was an Arbeitsmöglichkeiten verloren geht bei den Substistenzbauern, das heißt also, bei denen, die sich bislang eben selbst von ihrer eigenen Hände Arbeit ernährt haben, mehr schlecht als recht, zugegeben, aber das fällt nun ganz weg. Und diese Menschen werden jetzt praktisch in die großen Städte gedrückt, und das Problem Afrikas ist ja, anders als in den anderen Entwicklungsländern und anders auch als historisch eben im europäischen Bereich, dass wir in Afrika ja kaum eine entsprechend wachsende Industrie haben.
Also in den letzten 30 Jahren ist der Anteil der Industrieproduktion an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung sogar noch etwas zurückgegangen. Das heißt also, es entstehen nicht gleichzeitig mit der Vertreibung der Menschen vom Land auch Arbeitsplätze in der Industrie, sondern das endet dann eben in den Elendsquartieren in den Städten. Und das kann aus meiner Sicht also nicht der Weg sein, den Afrika beschreiten sollte, um eben seine eigene Bevölkerung auch zu ernähren.
Brink: Letzte Frage noch: Die chinesischen Investitionen wird man ja nicht stoppen können. Was kann Deutschland oder Europa unternehmen, um diese Lebensmittelsicherheit für Afrika zu erhöhen?
Infrastruktur muss ausgebaut werden
Bass: Ja, ich denke, dass da die internationale Gemeinschaft gefragt ist. Es gibt viele Ansätze, die Produktivität der arbeitsintensiven und umweltschonenden Kleinbauern zu steigern. Da gibt es auch Untersuchungen etwa der UNCTAD, also der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen, die in Ostafrika gezeigt haben: Man kann also mit verbesserten, aber eben umweltschonenden Verfahren die Bevölkerung mindestens genauso gut ernähren wie mithilfe von Großinvestitionen.
Und der zweite Punkt ist eben, dass man die ländliche Infrastruktur ausbauen muss und da benötigt Afrika zweifelsohne Hilfe, und die arbeitsintensive landwirtschaftsnahe Industrie. Also das heißt, ein großer Teil der Nahrungsmittel, die in Afrika produziert werden, verderben auf dem Weg vom Feld zum Teller, und das liegt eben unter anderem daran, dass es keine hinreichend ausgebauten Straßen gibt, dass es keine Kühl-Lkws gibt und so weiter, und da könnte man eben tatsächlich auch unterstützend tätig werden. Kapital ist in der Tat ein bottleneck, ist also ein Engpass in der afrikanischen Entwicklung.
Und wir müssen natürlich unsere Märkte ein bisschen mehr öffnen, damit auch ein größerer Teil der Wertschöpfung aus dem Agrarsektor in Afrika bleiben kann, dort entstehen dann dadurch Einkommen, wenn eben weiter verarbeitete Produkte nach Europa beispielsweise verkauft werden können, und da sehe ich also auch noch Handlungsbedarf. Also wir haben zwar eine weitgehende Liberalisierung, es gibt keine Zölle mehr, aber es gibt eben doch noch sehr viele nicht-tarifäre Hindernisse, und da könnte eben auch eine Handelsunterstützung tätig werden.
Brink: Professor Hans-Heinrich Bass lehrt internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Bremen. Schönen Dank, Herr Bass!
Bass: Ja, ich danke Ihnen, Frau Brink!
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