Afro-Jazz-Club-Musik

Rückkehr des Monsieur St. Germain

Ein Trompetenspieler in der Sonne.
Ludovic Navarre vermischt auf "St. Germain" Jazz, House, Blues und Musik aus Mali. © picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Eric Leimann |
Ludovic Navarre alias St. Germain verbindet auf seinem neuen Album "St. Germain" Jazz, House, Blues und Musik aus Mali. Der scheue Musiker hat darauf acht ausgefuchst jazzige, elegant groovende und tief bluesgetränkte Stücke geschaffen.
Die Spur weist nach Afrika. Nach Mali, um genau zu sein. Ludovic Navarre, 1973 geboren, hat unter seinem Künstlernamen St. Germain ein Afro-Jazz-Club-Album aufgenommen. Zehn Jahre, so versichert er, arbeitete er daran. Zunächst mit Musikern aus Ghana, dann Nigeria, dann den Tuareg und schließlich Instrumentalisten aus Mali. Herausgekommen ist ein neuer und doch typischer St. Germain Sound: ausgefuchst jazzig, elegant groovend und vor allem tief bluesgetränkt.
"Was ich am Blues liebe ist die Sensibilität, die plötzlich in etwas Wildes, in ein Schreien umschlägt. Es ist die Seele, die ich am Blues liebe. Nicht jeder kann den Blues spielen. Wer es kann, der hat gar keine andere Wahl, der muss sich so ausdrücken. Meine Arbeit ist die Suche nach der Essenz des Blues. Ich verlasse mich auf Leute, die etwas ausdrücken wollen: ihre Seele."
Da sitzt er nun also etwas fremdelnd im Interview. Ludovic Navarre, ein scheuer Mensch, der zufällig sehr gut mit Klängen umgehen kann und seit zwei bis drei Jahrzehnten auf der Suche nach jener Essenz im Blues ist. Er spricht, wie es sich für einen Franzosen gehört, nur französisch, trinkt seinen Café schwarz und raucht Zigaretten dazu. Den Mozartzopf trägt er immer noch, auch wenn das Haar dünner und das Gesicht darunter etwas voller geworden ist. St. Germain, der nie als DJ gearbeitet hat, weil er nicht gern unter Leute geht, verbindet auf seinem neuen Album ziemlich genial den Blues aus Afrika mit jenem, den wir aus Afro-Amerika kennen.
"Das ist doch eine ganz logische Verbindung, Musik aus Afrika und Blues gehören instinktiv zusammen. Man weiß ja nicht genau, wo der Blues eigentlich entstanden ist - in Afrika oder später in Amerika. Natürlich kommt er eigentlich aus Afrika, aber er ist in den USA bearbeitet und verändert worden. Es gibt den amerikanischen Blues und den aus Afrika."
Suche nach dem richtigen Stil und Sound von St. Germain dauerte
Zehn Jahre hat St. Germain für die acht Stücke seiner Melange aus Jazz, House, Blues und Musik aus Mali gebraucht. Was erstaunlich ist, denn das Ganze klingt eher wie ein großartiges Session-Album der ausgelassenen Spielfreude und Improvisation. Nicht so sehr nach durchkomponiert-komplexer Detailarbeit. Aber, die Suche nach dem richtigen Stil und Sound war wohl das Entscheidende.
"Das ist ja keine neue Idee. Ich habe die afrikanische Musik immer geliebt. Es war aber nicht ganz einfach, diese Musik mit der Elektronik zu verbinden. Ich wollte auf keinen Fall, dass das vulgär wird, sondern dass die beiden eine subtile Beziehung miteinander eingehen. Ich wollte, dass es sanft klingt, auf keinen Fall aggressiv. Die Musik sollte nicht nach Dance oder Club klingen."
Ludovic Navarre, man kann ihn sich in etwa wie einen Karl May der House Music vorstellen. So wie der eine meterweise Abenteuerromane aus dem Wilden Westen schrieb, ohne jemals dort gewesen zu sein, erkundet auch St. Germain Afrika von seiner Wohnung im Pariser Viertel Montmartre aus. Hierher bestellte er die Musiker aus Mali ein. Allein oder zu zweit spielten sie auf ihren Instrumenten, die so interessante Namen tragen wie die Kora, das Balofon oder die N'Goni. St. Germain programmiert, drückt Tasten, nennt sich Musical Director - der Mann im Hintergrund.
Richtung Afrika soll die Arbeit auch weitergehen
Man tut sich schwer, diesen Musiker , der sagt, dass er am liebsten allein ist und beim Gespräch den Blick abwendet, etwas wirklich Persönliches zu fragen. Eine Auskunft muss er dann aber doch geben. 15 Jahre kein Album - auch wenn sein letztes, "Tourist", sich laut Plattenfirma weltweit drei Millionen Mal verkaufte - gab es da nicht doch eine kreative oder persönliche Krise?
"Ich bin nicht wie andere Leute, die etwas tun, nur um etwas zu tun. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ein Album produzieren können. Es muss mir aber gefallen. Ich habe lange gesucht: in Nigeria, Ghana, bei der Touareg-Musik und in Mali. Ich hatte zuvor sogar ein "Tourist"-Album, Teil zwei, gemacht - aber das habe ich dann zur Mülltonne getragen ..."
St. Germain, der scheue Suchende nach der Essenz des Blues. Kaum jemand hat in den letzten 20 Jahren so seelenvolle Clubmusik produziert, Blues und Jazz so elegant in die Gegenwart transportiert und überhaupt die Grenzen zwischen all diesen Vorhaben derart kunstvoll- stimmig verwischt. Sein neues afrikanisches Album war die Wartezeit wert. In Richtung Afrika soll die Arbeit auch weitergehen, verrät er mit Blick zum Boden. Hören wir dem Mann lieber zu und lassen ihn in Ruhe arbeiten.
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