Afrobeat als Aufklärung

Von Camilla Hildebrandt |
Femi Anikolapu Kuti ist der älteste Sohn der nigerianischen Musikerlegende Fela Kuti, der den Afrobeat ins Leben rief und für seine politischen Texte gefoltert wurde. Seit Fela Kutis Tod, 1997, setzt Femi das Lebenswerk seines Vaters fort und kämpft gegen Missstände.
"Unsere Crime-Comission findet es schwierig, die korrupten Politiker ins Gefängnis zu bringen", singt Femi Kuti, "denn das hieße ja, den Freund des Freundes, den eigenen Bruder oder die Schwester der Regierenden einzusperren", schreit er beinahe heraus.

Ja, natürlich sei er wütend, sagt Femi Kuti! Und genau diese Wut habe ihm sein ganzes Leben lang die Kraft gegeben, Musik zu machen und damit die Menschen über die Ungerechtigkeiten in seiner Heimat Nigeria aufzuklären.

Femi Kuti: "”Vor allem, wenn du weißt, dass es in Nigeria keine Armut geben müsste, das macht wütend! Bei uns gibt es seit zwölf Jahren Demokratie, aber alle Versprechen, die die Politiker und die Welt gemacht haben, sind nicht eingelöst worden. Wir sind arm, werden immer ärmer. Und wenn du ein Freund der Regierung bist, wirst du immer reicher. Ja, ich bin wütend, aber kontrolliert wütend, das heißt ich werde nicht gewalttätig, meine Musik drückt lediglich meine Wut aus!""

Femi Kuti, 48, kurze schwarze Krauslocken, türkises Hemd, legere Baumwollhose, ist heute - nach mehr als zehn Alben und über 20 Jahren Bühnenerfahrung – weltberühmt. Aber nach New York oder Paris zu ziehen, um dort ein angenehmeres Leben als im krisengebeutelten Nigeria zu führen? Das kommt ihm nicht in den Sinn. Er will etwas verändern.

Und dazu müsse man dort, in seiner Heimat leben, sei es ohne Strom, ohne Wasser und ohne ein professionelles Musikstudio. Diese felsenfeste Überzeugung hat er von seinem Vater Fela Kuti geerbt.

"Mein Vater war unerschütterlich, hat nie eine Kompromisslösung gesucht. Ich war 12, 13, als er die Missstände in Nigeria anprangerte. Ich war dabei, als sie das Haus meines Vaters anzündeten, als meine Großmutter vom Militär aus dem Fenster geworfen wurde, ja, ich habe das alles gesehen. Auch wie mein Vater so oft misshandelt wurde. Wenn man nichts dagegen tun kann, ist das sehr hart."

Liedtext:
"Du willst mir etwas kaufen?
Du willst meine Loyalität erkaufen?
Du kannst mich nicht kaufen!"

Der junge Femi Kuti sieht damals nur eine Möglichkeit sich zu wehren: Er spielt in der Band seines Vaters mit. Als 16-Jähriger steht er zum ersten Mal mit dem Saxofon auf der Bühne. Das Spielen hat er sich selbst beigebracht. Denn sein Vater weigert sich, ihn zu unterrichten.

Femi Kuti: "”Ich glaube, er probierte da etwas aus. Er sagte: Du musst nicht in die Schule gehen, um ein erfolgreicher Musiker oder was auch immer zu werden. Denn wenn du in irgendetwas Talent hast, wirst du erfolgreich sein. Also hat er mich auf die Straße geschickt."

"Und als ich irgendwann zu ihm kam und mich beschwerte, da fragte er mich: Bist du erfolgreich? Ja, gewissermaßen ...
... bist du populär? Ja, könnte man sagen. Was ist dann dein Problem? Also musste ich meinen eigenen Weg, meinen eigenen Stil finden. Es war sehr hart!""

Mit 24 gründet Femi Kuti seine eigene Band – The positive Force - mit der er nach wie vor auftritt. Und er macht deutlich, dass er im Gegensatz zu seinem Vater nichts von Drogen und sexistischen Äußerungen hält. Mit seiner Musik führt er aber auf seine Weise das Lebenswerk des Vaters fort, vor allem nach dessen Aids-Tod 1997. Auch ihm wurde schon mehrmals mit Mord gedroht. Aber einschüchtern lässt er sich dadurch nicht im Mindesten.
Femi Kuti: "”Natürlich habe ich mit meiner Musik eine Menge Leute beeinflusst, so wie es mir mit meinem Vater ging! Und wenn ich sterbe, werden sie noch meine Songs hören und vielleicht sagen: Wow, ich möchte ein ehrliches Leben führen, ich will nicht korrupt sein. Eines Tages wird Afrika ehrliche Politiker haben. Aber wenn ich scheu bin oder Angst um mein Leben habe, wie kann ich da jemanden mit meinen Liedern dazu bewegen etwas zu ändern?""

Vier Kinder hat Femi Kuti von verschiedenen Frauen. Mit dem ältesten, dem 15-jährigen Olurinmade, lebt er in Lagos. Die drei kleinen wohnen bei ihren Müttern. Noch einmal heiraten? Auf keinen Fall!

"Ich konnte nie die Bedeutung der Ehe verstehen. Wenn man sich liebt, dann bleibt man zusammen. Ich bin ein glücklicher Mann. Wenn ich jemanden finde, der mich liebt ... Okay. Aber was wirklich für mich wichtig ist, das sind die Kinder. Ich will, dass sie glücklich sind, und dafür arbeite ich hart. Ich will, das alle um mich herum glücklich sind."

Mit "alle" meint Kuti vor allem seine sechs noch lebenden Geschwister. Mit der ältesten Schwester führt er den legendären Shrine-Club in Lagos, der mittlerweile zum Politik- und Kulturzentrum geworden ist.

Jedes Wochenende besuchen ihn über 4000 Menschen, um seine Musik zu hören. Dort tritt auch sein ältester Sohn mit ihm auf, so wie er damals mit seinem Vater. Der Unterschied ist: Femi Kuti bringt ihm alles bei, was er kann.

"Meinem Sohn wünsche ich nicht, all diese Frustration aushalten zu müssen, die ich erlebt habe. Ich will, dass er in die Schule geht, von anderen lernt. Ich wünsche meinem Sohn Liebe und Frieden."