Science-Fiction mit einer politischen Vision
Afrofuturismus – viele denken da an schwarze Musiker in spacigen Kostümen. Tatsächlich steckt dahinter eine Bewegung, die in Science Fiction eine Welt frei von Rassismus entwarf. Die Soziologin Natasha Kelly will auf die politischen Vordenker der Bewegung aufmerksam machen.
Afrofuturismus – darunter wird oft verstanden, dass schwarze Musiker wie Sun Ra, George Clinton, Lee Perry oder Underground Resistance sich als Abkömmlinge ferner Planeten und Weltraum-Reisende inszenieren. Die Weltraum-Odyssee dient als Metapher für schwarze Diaspora und der Vorstellung von einer besseren Welt ohne Repression und Rassismus.
"Der Begriff wurde in den 1990er-Jahren von Marc Dery geprägt, der war Kulturkritiker und hat untersucht wie schwarze Menschen die Verbindung zu Technologie herstellen und letzten Endes daraus auch Science-Fiction entsteht", sagt Natasha Kelly. Sie ist bekennende Afrofuturistin und forscht als unabhängige Wissenschaftlerin zu diesem Thema. Außerdem hat sie das Festival "After the Apocalypse: Afrofuturismus 2.0" organisiert, das am 2. November am HAU stattfindet.
"Afrofuturismus 2.0" ist eine Bewegung, die mit dem gängigen Bild von Afrofuturismus brechen will. 2016 veröffentlichte das Black Speculative Arts Movement das gleichnamige Manifest. Darin ist die Rede von einem Afrofuturismus, der politisiert, reflektiert und an aktiver Veränderung der Verhältnisse von People of Color interessiert ist.
Wiederentdeckung philosophischer Vordenker
Außerdem will die Bewegung Fehlannahmen über den Afrofuturismus richtig stellen. Denn Afrofuturismus wurde nicht von Sun Ra erfunden, sondern reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Nicht Musiker, sondern schwarze Science-Fiction-Autoren und Intellektuelle begründeten damals das, was später Afrofuturismus genannt wurde. "Dieses Genre, das entstanden ist, wird in seinen Wurzeln, in seiner philosophischen Herkunft untersucht und in einen breiteren Kontext gestellt", erklärt Natasha Kelly.
Damals seien fiktive Ideen von politischer Zukunft entworfen worden, die zu philosophischen Grundannahmen des Afrofuturismus geworden seien. Dazu zähle der "Black Feminist thought" und der panafrikanische Gedanke eines vereinten Afrikas.
Anlehnung an Bismarcks Idee der Nationenbildung
Letzterer wurde von dem afroamerikanischen Soziologen und Philosphen W.E.B. DuBois entwickelt, einem Vordenker der schwarzen Emanzipationsgeschichte und der Bürgerrechtsbewegung. Weil er sehr an Otto von Bismarcks Idee der Nationenbildung interessiert war, erzählt Kelly, habe DuBois in Deutschland studiert.
Die Bewegung "Afrofuturismus 2.0" sei vor allem ein Analyseinstrument, sagt Kelly, das sich mit den frühen philosophischen Gedanken des Afrofuturismus auseinandersetze, und sei afrozentristisch. "Das heißt, da geht es weniger darum zu reagieren und kritisch zu sein, sondern kreativ zu sein."
(mw)