Gayle Tufts ist deutsch-amerikanische Entertainerin, Autorin, Sängerin, Kommentatorin und „Germany’s best-known American“ (Stern). Sie lebt seit 1991 in ihrer Wahlheimat Berlin.
Ältere Frauen im Kulturbetrieb
"Es ist eine Paraderolle für eine Frau meines Alters." Gayle Tufts als Dolly in einer Inszenierung am Theater Bremen. © Theater Bremen / Jörg Landsberg
Wenn Ageismus und Sexismus zusammentreffen
Diskriminierung aufgrund des Alters ist in Deutschland leider ziemlich üblich. Entertainerinnen und Schauspielerinnen trifft es besonders hart, beobachtet Entertainerin Gayle Tufts. Sie werden aufgrund des Alters und ihres Geschlechts benachteiligt.
Als ich ein Teenager war, war das Motto meiner Clique „Never trust anyone over 30“. Jetzt habe ich ein Problem mit Menschen unter 30, weil sie denken, dass ich alt bin. 27 Prozent der Leute finden, dass Menschen ab 60 alt sind. Fuck you.
Ich bin 62. Ich fühle mich überhaupt nicht alt. Ich spiele zurzeit die Hauptrolle im Musical „Hello Dolly!“ am Theater Bremen. Dolly Levi ist eine Witwe in meinem Alter, eine Heiratsvermittlerin mit Humor und Chuzpe, eine mutige Frau voller Menschenkenntnis, Mut und Lebenslust. Es ist eine Paraderolle für eine Frau meines Alters.
32 Prozent der Leute meinen, dass alte Menschen für jüngere Platz machen sollten, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben. Really? Wer sollte Dolly spielen? Billie Eilish? Bibi und fucking Tina? Jetzt bin ich reif genug dafür! Ich darf all meine gesammelten Erfahrungen und Fähigkeiten und Herzschmerzen endlich benutzen. Warum haben wir Angst vor älteren Frauen?
Die Angst vor älteren Frauen
Sibylle Berg schrieb neulich in „Der Spiegel“, dass es „die panische Abwehr der eigenen Zukunft ist, die die Unzumutbarkeit der eigenen Sterblichkeit bedeutet“. Könnte sein – or maybe: Wir älteren Frauen are just not fuckable genug.
2015 schrieb die US-Komikerin Amy Schumer einen legendären Sketch namens „Last Fuckable Day“. Sie trifft im Park die Schauspielerinnen Tina Fey, Julia Louis-Dreyfus und Patricia Arquette. Die drei berühmten, intelligenten, hinreißenden Stars zelebrieren ihren letzten „Fuckable Day“ – der letzte Tag, an dem sie für Hollywood sexuell attraktiv, anziehend und begehrenswert sind – ein Tag somewhere around den 50. Geburtstag.
Männer haben diesen Tag nicht. Tom Cruise, George Clooney, Antonio Banderas – alle sind über 60 und kriegen immer noch die Hauptrollen und die jungen Frauen. Not to mention Harrison Ford, Al Pacino, Pierce Brosnan, Willem Dafoe und Denzel Washington. Das sind die Namen, die man kriegt, if you Google „Schauspieler über 60“. Denn dann bekommt man die Liste „Hot male actors“. Google „Schauspielerinnen über 60“ and you bekommst die Liste „Promifrauen über 60: Das sind ihre Schönheitsgeheimnisse!“
Frischer Wind – für alle
Ich verstehe die Ungeduld der Jüngeren. Wir Baby-Boomers haben eine (Wie kann ich das auf Gutdeutsch sagen?) crazy fucked-up Welt geschaffen. Ich möchte auch nicht, dass wir alle von „alten weißen Männer“ herumkommandiert werden.
Mehr als die Hälfte der Leute wollen, dass Menschen politische Ämter nur bis zu einer bestimmten Altersgrenze – 70 zum Beispiel – ausüben sollten. Ich stimme zu. So sehr ich Joe Biden respektiere, habe ich immer ein bisschen Schiss, dass Opa irgendwann umkippt, und ich frage mich, warum Kamala Harris nicht den Laden übernimmt. Wir brauchen frischen Wind, um einander weiterzubringen.
Ich träume von einer Welt voller Diversität, Neugier, Respekt und breiter Horizonte für alle Altersgruppen und von einer Karriere wie die meiner Kollegin Maren Kroymann – eigene Serie in der ARD, Filmrollen, Tournee mit ihrer Band, jeden Preis der Unterhaltungsbranche mindestens zweimal – und das alles erst, nachdem die jetzt 73-Jährige 60 wurde.