Friederike Schmitz hat in Philosophie promoviert und zum Thema Tierethik einen Sammelband herausgegeben (Suhrkamp 2014) sowie eine Einführung geschrieben ("Tierethik: kurz + verständlich", Compassion Media 2017). Sie arbeitet freiberuflich als Autorin und Referentin mit den Schwerpunkten Ethik und Politik der Mensch-Tier-Beziehung, Umweltethik und Klimagerechtigkeit und engagiert sich in der Tierrechts- und Klimabewegung.
Ethischer Konsum reicht nicht
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Sich fleischarm, bio, regional und saisonal zu ernähren – schön und gut. Für eine Agrarwende reicht das nicht. Von der Politik ist wenig zu erwarten. Die Philosophin Friederike Schmitz fordert: mehr gesellschaftlichen Druck und den kalkulierten Regelbruch.
Die deutsche Landwirtschaft hat keinen guten Ruf. Es gehört schon fast zum guten Ton, gegen "Massentierhaltung" und "die Agrarindustrie" zu sein – sehr zum Leidwesen der Bäuerinnen und Bauern, die oft nur, eingezwängt zwischen Gesetz und Markt, von ihrem Land gut leben und ihre Familien ernähren wollen. Aber das aktuelle Agrarsystem hat in der Tat dramatische Auswirkungen: Wasserverschmutzung, Artensterben, Treibhausgase, millionenfaches Tierleid. Und die bäuerlichen Betriebe selbst müssen stetig "wachsen oder weichen".
Soweit die Probleme, was sind die Lösungen? Etwas weniger Fleisch essen! Öfter im Bioladen einkaufen! Und die Politik muss endlich etwas tun! So hört man in der Debatte häufig. Viele Umweltverbände und Grünenpolitiker stoßen in dasselbe Horn. Die Vorschläge sind richtungsweisend, aber sie greifen zu kurz.
Biotierhaltung löst das Problem nicht
Die Tierhaltung ist ein Problem, aber oft wird verkannt, welche Schlüsselrolle sie tatsächlich spielt. Sie frisst Flächen und Ressourcen in riesigem Ausmaß. Die Hälfte des Ackerlands in Deutschland dient der Fütterung von Tieren, inklusive Gift und Dünger. Der Löwenanteil der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft stammt aus der Tierhaltung. Nur wenn wir sie ebenso wie den Tierkonsum massiv zurückbauen, können wir wirksam Emissionen sparen und darüber hinaus Kohlenstoff in Böden und Wäldern binden – dringend nötig in Anbetracht der Klimakrise.
Umweltverbände und grüne Kräfte wollen es sich aber nicht mit den Vielfleischessern und Käsefans verderben. "Bio" und "etwas weniger Fleisch" sind Zauberformeln, die die umwelt- und tierschutzbewegten Bürger in Sicherheit wiegen. Dabei stehen die meisten "Biotiere" ebenfalls Qualen aus.
In Bezug auf Flächenverbrauch und Ökobilanz löst Biotierhaltung das Problem nicht, oft sogar im Gegenteil. Und "etwas weniger" reicht längst nicht aus. Wer ernsthaft eine andere Landwirtschaft will, muss sich daher auch klar für die pflanzliche Ernährung einsetzen und Programme entwickeln, wie sich die Tierhaltung sozial gerecht und in kurzer Zeit abbauen statt nur umbauen lässt.
Ehtischer Konsum stößt an Grenzen
Aber auch pflanzliche Nahrungsmittel können zerstörerisch sein, selbst wenn sie im Bioladen verkauft werden: Tomaten aus beheizten Gewächshäusern machen ökologisch keinen Sinn, für Palmfett aus Indonesien oder Obst aus Spanien werden Menschen ausgebeutet und Natur vernichtet. Spätestens hier wird klar, dass der ethische Konsum an seine Grenzen stößt. Selbst wenn mehr Leute neben bio und vegan auch regional und saisonal einkaufen – was zweifellos zu wünschen ist – werden diese damit nicht das Agrarsystem umkrempeln.
Das Problem ist strukturell, und daher muss die Politik tatsächlich endlich etwas tun, Gesetze ändern und Subventionen umverteilen. Nur: Diese Aufforderung ergeht an sie schon seit langem. Die "Wir haben es satt"-Demo feiert bald zehnjähriges Jubiläum. Trotzdem ändert sich fast nichts. Das liegt auch an der Macht des Bauernverbandes, dessen Verflechtungen mit der Politik mehrfach nachgewiesen wurden.
Alternativkonzepte sind da
Um dem etwas entgegensetzen, muss der gesellschaftliche Druck für die Agrarwende steigen. Die Klimabewegung mit Ende Gelände oder Fridays for Future macht es vor: Der kalkulierte Regelbruch funktioniert, um ein Thema dauerhaft auf die Tagesordnung zu bringen. Auch Futtermittelwerke und Schlachthöfe lassen sich besetzen und blockieren. Daneben müssen die Alternativen zur Agrarindustrie aufgebaut und gelebt werden – die Konzepte sind da: Permakultur, Agroforst, bioveganer Anbau, essbare Städte, Gemeinschaftsgärten, Solidarische Landwirtschaft.
Die dringend nötige Agrarwende wird nicht von der Politik ausgehen und man kann sie auch nicht im Supermarkt kaufen. Sie erfordert den aktiven Einsatz von uns allen.