Agrarwissenschaft

Digitaler Schnaps aus Hohenheim

07:16 Minuten
In einem Labor stehen mehrere Rundkolben zum Destillieren.
Rundkolben zum Destillieren im Labor: Die Uni Hohenheim will praktische Handlungsempfehlungen für Kleinbrennereien formulieren. © imago images / Birgit Koch
Von Thomas Wagner |
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Lässt sich die Qualität von Schnaps mit digitaler Technik verbessern? An der Universität Hohenheim erforschen Wissenschaftler die komplexen Vorgänge des Brennvorgangs. Ab und zu ist ein kleiner Schluck im Dienst der Forschung dabei unvermeidlich.
Ein unscheinbarer Flachdachbau auf dem Campus der Universität Hohenheim, oberhalb von Stuttgart. Innendrin: mächtige, bronzefarbene Kessel mit allerlei Röhren dran – die Forschungs- und Lehrbrennerei der Hochschule.
Dr. Daniel Einfalt und Professor Ralf Kölling-Paternoga sind zwei Wissenschaftler, die sich mit einem hochkomplexen – und hochprozentigen – Forschungsgegenstand beschäftigen: Es geht um Schnaps – und wie man seine Herstellung optimieren kann. Wird die Maische, also das vergorene Obst, erhitzt, dann verdampfen das darin enthaltene Wasser und der Alkohol:
"Was passiert gerade? Wir können einfach unseren Heizdampf aufdrehen, und damit wird die Anlage geheizt."
"Wir müssen ja die Maische erhitzen, die soll ja kochen. Und wenn die kocht, dann steigen die Dämpfe auf, dann geht der Alkohol weg, den wir letztlich auffangen möchten."

Jahrhundertealtes Prinzip der Schnapsbrennerei

Doch weil Alkohol einen Siedepunkt von 78 Grad, Wasser aber einen Siedepunkt von 100 Grad hat, lassen sich im weiteren Verlauf des Brennereivorgangs beide Flüssigkeiten voneinander trennen – seit Jahrhunderten das Grundprinzip der Schnapsbrennerei.
Schnapsbrennerei im Markus Wasmeier Bauernhof- und Wintersportmuseum, Schliersee, Oberbayern, Bayern, Deutschland, Europa | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
So sah´s früher aus: Schnapsbrennerei im Bauernhof- und Wintersportmuseum von Markus Wasmeier.© picture alliance / imageBROKER / Manfred Bail
Ralf Kölling-Paternoga, Leiter des Fachgebietes Hefegenetik und Gärungstechnologie an der Universität Hohenheim: "Es geht um Trennung von Substanzen. Und die Qualität besteht darin, die guten Substanzen drin zu behalten und die schlechten Substanzen raus zu bekommen. Und das ist die große Kunst beim Destillieren."
Eine Kunst, die ein gestandener Schnapsbrenner seit Jahr und Tag über sein Bauchgefühl beherrscht: Hier ein bisschen den Dampfdruck reduzieren, da ein wenig an der Temperaturschraube drehen – ob es gelingt, die in der Maische enthaltenen Aromastoffe tatsächlich ins Destillat zu bekommen, hängt bislang von der Erfahrung des Brennereibetreibers ab.
Allerdings ginge es eigentlich auch einen Tick präziser: "Das kann man hinbekommen, wenn man die Anlage genau steuert", erklärt Ralf Kölling-Paternoga. "Wir haben das Aroma, das ist kompliziert, viele verschiedene Stoffe, die den Aromaeindruck geben, zum Beispiel von der Birne. Und wir haben die schlechten Substanzen. Und alle haben ein bestimmtes Verdampfungsverhalten. Und es ist klar: Ich muss die Anlage so steuern, dass ich die optimale Trennung von den Substanzen hinbekomme."

Qualität und Schaumentwicklung hängen zusammen

Eine optimale Trennung in der Art, wie sie durch das Bauchgefühl des Brenners schwer hinzubekommen ist. Die Experten der Uni Hohenheim setzen hier auf ihr neues Konzept der digitalen Datenerfassung und Steuerung des Brennereiprozesses. Dazu führen mehrere Kabelbündel zu dem mächtigen Kessel. Sie sind verbunden mit einer Fülle von Sensoren, die im Inneren die unterschiedlichsten Parameter messen.
Zum Beispiel Schaumentwicklungen: "Das heißt, wir haben Sensoren eingebaut. Qualität und Schaumentwicklung – die bedingen sich. Denn wenn das passiert, dass sich Schäume entwickeln, habe ich eine Verunreinigung des Produktes. Das ist trüb. Und das wollen wir tunlichst vermeiden", erklärt Daniel Einfalt, Leiter der Forschungs- und Lehrbrennerei.
Weitere Sensoren melden ihre Daten von ganz oben, von der Spitze der Anlage. Dort befindet sich der sogenannte "Dephlegmator" – ein runder kleiner Kessel, in dem die aufgestiegenen Dämpfe wieder abgekühlt und verflüssigt werden.

Anteil der Aromastoffe im Endprodukt erhöhen

"Wir haben es realisiert in dieser Anlage, die Menge dieses Rückflusses messen zu können", erklärt Daniel Einfalt. "Es gibt nach unserem Kenntnisstand keine Anlage, die das tut. Da sind wir die ersten."
Das gelingt durch digitalen Messfühler. Den Rückfluss zu messen und die Daten in die Steuerung der Anlage einfließen zulassen, hat, so Daniel Einfalt, direkten Einfluss auf die Qualität des Destillates. Denn durch die Steuerung des Rückflusses lässt sich der Anteil der Aromastoffe im Endprodukt erhöhen.
"Das heißt: Das was nicht schmeckt, kommt in den Nachlauf. Das was gut schmeckt, kommt in den Mittellauf", sagt er. Und der bildet die Basis für das Endprodukt. Schließlich messen weitere Sensoren auch die Temperaturen im Kessel.
"Das ist Klassiker in Destillationsanlagen. Wir haben es aber geschafft, dass wir zehn Punkte haben, wo Temperaturen gemessen werden", erzählt Daniel Einfalt. "Alkohol siedet bei 78 Grad, Wasser bei 100 Grad. Unsere Temperaturen geben uns immer eine Aussage darüber: Wie viel Alkohol ist am gemessenen Punkt vorhanden?"

Möglichst wenige Reststoffe

Auch dies gilt als Qualitätsindikator. Die mit all diesen Sensoren erhobenen Daten werden in einem Rechner verarbeitet. Und die Aufgabe der Forscher in den nächsten Wochen wird sein, herauszufinden, bei welchen Parametern beste Qualität erreicht wird – in Form von einem hohen Aromaanteil und niedrigen Reststoffgehalten.
"Wir wollen dann am Ende Empfehlungen geben für Kleinbrenner, dass wir sagen: Ok, schaut dass ihr die Alkoholkonzentration hoch haltet, dass ihr sie niedrig haltet, je nach dem, was ich eine Frucht vorliegen habe", erläutert Ralf Kölling-Paternoga. "Und das ist die Qualität. Wenn Sie jetzt einen Schnaps trinken würden, würden Sie ja auch fragen: Riecht das jetzt nach Birne, nach Williams, sind da irgendwelche Fehlaromen drin, die da nicht reingehören. Und das ist das, was wir mit Qualität meinen."
Will heißen: Aus den Versuchsreihen mit der neuen digitalen Brennerei 4.0 wollen die Forscher der Uni Hohenheim praktische Handlungsempfehlungen an die rund 14.000 Kleinbrenner deutschlandweit formulieren – und das hat seinen Grund: Die Hohenheimer Experten verweisen auf bundesweit erhobene Qualitätsdaten, wobei von 1500 getesteten Spirituosen 37 Prozent deutliche Qualitätsabweichungen nach unten oder gar Mängel aufwiesen.

Wegfall der Preisgarantie vor zwei Jahren

Das ist für die Kleinbrenner insofern problematisch, als dass sie nach Wegfall des staatlichen Branntweinmonopols vor zwei Jahren keine Garantiepreise mehr für ihre Produkte bekommen. Vielmehr müssen sie sich mit ihren hochprozentigen Erzeugnissen am Markt bewähren.
Nur was gut ist, wird für akzeptable Preise gekauft. Qualität spielt eine große Rolle. Ob die sich aber durch die Digitaltechnik verbessern lässt, entscheidet am Ende nicht der Computer, sondern - der Genießer.
Verkostung des ersten mit der Brennerei 4.0 hergestellten Schnapses. Friedrich Springob gilt als Fachmann, schließlich arbeitet er als Redakteur der Fachzeitschrift "Kleinbrennerei".
"Man meint, in einen reifen Apfel zu beißen", urteilt er. "Das ist die Kunst, dass man das Aroma der Frucht – so wie in diesem Fall - einfach ins Glas zaubert, mit digitaler Hilfe!"
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