"Raketenbeschüsse prägten meine Kindheit"
Der Religionsphilosoph Ahmad Milad Karimi fand als afghanisches Kriegskind nur im Koran und in der Moschee kostbare Momente des Friedens. Heute empfiehlt er, die Suren zu singen.
Vom Flüchtling zum Professor: Ahmad Milad Karimi floh als 13-Jähriger mit seiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland, eine – wie er heute sagt – spirituelle Erfahrung. Seine Liebe zum Koran erwachte schon in seiner Kindheit in Afghanistan, weil Karimi als kleiner Junge allein in der Moschee kostbare Momente des Friedens und der Zuflucht fand.
Keine Normalität im Krieg
"Krieg bedeutet, dass es keine Normalität im Leben gibt", erinnert sich der Religionsphilosoph an sein Leben als Kriegskind. Es habe damals keinen normalen Rhythmus des Lebens mehr gegeben. Wenn man das Haus verließ, wusste man nicht, ob man Abends seine Eltern wiedersah. "Das heißt, Raketenbeschüsse prägten meine Kindheit. Bomben, Minen, Gewalt auf der Straße." So wie man heute die Menschen im Gazastreifen betrachte, so sei auch sein Alltag in Afghanistan damals gewesen. „Das alles ist mir nicht fremd", sagte Karimi.
Das Leben im Krieg wurde zum Spiel
Das Leben im Krieg werde für ein Kind aber auch zum Spiel. Sie hätten als Kinder gewettet, welche Gegend beschossen wird und wo eine Bombe hochgeht. „Das ist eine ganz seltsame Form von Kindheit und vom Leben", so Karimi. „Der einzige Ort, der mir Frieden schenkte, war das Lesen des Koran." Wenn er seine Augen schließe und sich an seine Kindheit erinnere, dann sehe er sich als kleinen Jungen, der in einer Moschee sitze und den Koran vortrage. Diese besondere Liebe habe ihn durch sein weiteres Leben begleitet.
Karimi meint, den Text des Koran müsse vor allem ästhetisch erfahren werden, am besten in gesungener Form.
Heute lehrt Karimi Islamische Theologie und Mystik an der Universität Münster.