Ahmed Mourad: "Vertigo"

Die Abgründe hinter den Kulissen der Macht

Mohammed Mursi im Juli 2012, damals noch Präsident in Ägypten, bei einem Treffen in Kairo.
Mohammed Mursi im Juli 2012 - damals noch Präsident in Ägypten: Geschossen hat dieses Foto Ahmed Mourad, der damals als Fotograf im Präsidentenpalast arbeitete. © picture alliance / dpa / Ahmed Mourad / Egyptian Presidency
Von Cornelia Wegerhoff |
Der Polit-Thriller "Vertigo" des ägyptischen Starautors Ahmed Mourad zeichnet ein Geflecht aus Korruption und Intrigen nach - und verweist nebenbei auf Hitchcocks gleichnamigen Filmklassiker. Als ehemaliger Fotograf im Präsidentenpalast verfügt Mourad über viel Insiderwissen.
Es ist brisantes Material. Es sind Fotos. Es geht um Mord.
Achmad fotografiert die Reichen und Schönen in Kairo. Doch eines Tages wird er zum Zeugen eines blutigen Attentats und macht im Reflex das, was er immer tut…
Er drückt auf den Auslöser.
Doch Polizei und Staatsanwaltschaft wollen gar nicht wissen, was Achmad gesehen hat. Und der Chefredakteur einer großen Tageszeitung, dem der Fotograf seine Bilder zuspielt, ist Teil des skrupellosen Geflechts aus Korruption und Intrigen. Achmad muss untertauchen.

Präzises Spiegelbild der ägyptischen Gesellschaft

"Vertigo" heißt der Polit-Thriller von Ahmed Mourad, der jetzt im Schweizer Lenos auf Deutsch erschienen ist. Dass das Buch den gleichen Namen trägt wie Alfred Hitchcocks Grusel-Klassiker ist Absicht.
Mourad spielt mit Andeutungen auf den Hollywood-Film und bietet dennoch ein präzises Spiegelbild der ägyptischen Gesellschaft, wirft einen erschreckenden Blick hinter die Kulissen der Macht. Dort kennt er sich aus. Ahmed Mourad war selbst jahrelang Fotograf, in Ägyptens Präsidentenpalast:
"Morgens bei der Arbeit sah ich, wie die Leute den Präsidenten verehrten. Und am Abend, wenn ich auf die Straße ging, in ein Café, im Bus saß, dann hörte ich, wie sehr die Leute ihn kritisierten, beschimpften, beleidigten. Ich habe also beides erlebt: Verehrung und Verfluchung. Das wollte ich in einem Roman thematisieren."
"Vertigo2, bereits 2007 erschienen, wurde in Ägypten ein Bestseller, Ahmed Mourad für seine Fans zu einer Popstar der Literatur. Gerade die junge Generation ist begeistert. Als sein historischer Roman "19192 im Herbst erstmals als E-Book auf den Markt kam, sorgte die Euphorie der Leser sogar für einen Computer-Absturz . Alaa Zaher von "Kotobi", dem digitalen Anbieter, ist heute noch beeindruckt:
"Wir hatten das Buch vor den Buchläden. Ahmed Mourad hat das auf seiner Facebook-Seite bekannt gegeben. Das Ergebnis war eine so riesige Nutzer-Welle, dass unser System zusammengebrochen ist. Es war fantastisch."

"Man verschlingt das Buch"

"Ahmed Mourad ist super."
Meint auch Abeer Megahed. Sie leitet die Bibliothek des Kairoer Goethe-Instituts
"Man verschlingt das Buch praktisch. Wir kennen so was nicht. Wir sind ein Land, in dem wir immer noch damit kämpfen, Leute zum Lesen zu begeistern."
Das Genre des Thrillers hat Ahmed Mourad in der arabischen Literatur quasi neu eingeführt. Aber es passt in die Zeit, sagt der 38-Jährige. Mourad:
"Thriller sind rar in der arabischen Welt. Da gibt es noch nicht viel. Vielleicht liegt es daran, dass wir in unserer Kultur nicht diese klassischen Detektiv-Figuren kennen, wie Sherlock Holmes zum Beispiel. Aber der Geschmack der Leser hat sich auch bei uns verändert. Seit der ägyptischen Revolution sind die Zeiten vorbei, in denen sich die Leser in romantische, weltfremde Romane vertiefen, um den Alltag zu verdrängen."
Denn der Alltag ist hart in Ägypten. Die politische Lage ist auch fünf Jahre nach dem Sturz von Präsident Mubarak weiter angespannt.

Plötzlich wieder brandaktuell

Trotz Demonstrationsverbot sind wieder Menschen auf die Straße gegangen, um zu protestieren. Auch gegen Korruption und Intrigen, gegen die Übermacht von Polizei und Justiz in Ägypten, die Verhaftung von kritischen Geistern, darunter auch ein Schriftsteller.
Auf den ersten Blick scheint verwunderlich, warum die deutsche Übersetzung von Ahmed Mourads Buch "Vertigo" so lange hat auf sich warten lassen. Doch nun ist sie wieder brandaktuell.
Im Februar wurde ein italienischer Student in Kairo brutal ermordet. Er hatte recherchiert. Sein Material war brisant. Die Ermittlungen der ägyptischen Behörden verzögern sich seit Monaten. Kein Thriller, sondern eine wahre Geschichte.

Ahmed Mourad: "Vertigo"
Übersetzung von Christine Battermann
Lenos Verlag, Basel
398 Seiten, 22 Euro (gebundene Ausgabe)

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