Einer, von dem die Türkei nichts hören will
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Acht Tage war er frei, nun ist er wieder im Gefängnis. Das deutsche PEN-Zentrum hat den türkischen Schriftsteller Ahmet Altan zum Ehrenmitglied ernannt – als Zeichen der Solidarität. Ralf Nestmeyer vom PEN kritisiert die "skandalösen Umstände" der Inhaftierung.
Ralf Nestmeyer steht in E-Mail-Kontakt mit dem Schriftsteller und Journalisten Ahmet Altan, über Mittelsmänner. Der Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums und Writers-in-Prison-Beauftragter sagt, der in der Türkei inhaftierte Autor werde das offizielle Schriftstück über die neue Ehrenmitgliedschaft beim deutschen PEN-Zentrum von seiner Anwältin überreicht bekommen.
Es geht ihm den Umständen entsprechend
Altan lasse ausrichten, dass er sich sehr über die internationale Solidarität freut. Es gehe ihm den Umständen entspechend. "Nach der kurzen Freude, in Freiheit zu sein,", so Nestmeyer, "ist er unter skandalösen, selbst für die Türkei alles andere als legalen Umständen wieder inhaftiert worden." Es beginne damit, dass Altan der Haftbefehl nicht direkt oder über seine Anwältin zugestelllt, sondern über die Nachrichtenagentur Anadolu verbreitet worden sei. "Dann wurde er wegen angeblicher Fluchtgefahr verhaftet. Er hat in keinster Weise versucht zu fliehen."
Dass diese Umstände in der Türkei als wirklich dramatisch empfunden werden, sieht man laut Nestmeyer daran, dass sich nun auch der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, der sich politisch nicht oft äußere, zu Wort gemeldet und angemahnt habe, dass die Türkei umgehend zur Rechtstaatlichkeit zurückkehren müsse. "Auch er findet das derzeitige Justizsystem also absolut beschämend."
Der Vorwurf: Unterstützung von Terroristen
Vorgeworfen wird Ahmet Altan die Unterstützung einer terroristischen Organisation. "Es gibt dafür aber keinerlei Beweise", erläutert Nestmeyer. "Auch für das erste Verfahren, die Verurteilung, dafür gibt es keine Grundlage." Dem Anwalt Veysel Ok zufolge, der auch Deniz Yücel vertritt, sei dieser Vorgang nichts anderes als ein politischer Racheakt.
Noch für diese Woche plant der internationale PEN ein Statement, in dem rund 150 nationale Organisationen weltweit aufgefordert werden, sich zu Wort zu melden. Für Nestmeyer könne man gar nicht mehr Druck aufbauen: "Ein türkisches Medium hat auch schon darüber berichtet. Das wird schon wahrgenommen."
Altan ist ein prominenter Kritiker
Über die Gründe für Altans erneute Verhaftung sagt Nestmeyer: "Er ist ein prominenter Kritiker, den man nicht mehr im Land haben will. Denn sobald er sich frei zu Wort melden kann, kommen von seiner Seite Äußerungen, die die türkische Regierung nicht hören will. Da wird eindeutig die Meinungsfreiheit beschränkt."
Die Europäische Union habe sich zu Wort gemeldet und kritisiert, dass Altan erneut inhaftiert worden ist. "Von der Bundesregierung habe ich bis dato nichts davon gehört", sagt Nestmeyer. Er weist darauf hin, dass es dafür durchaus Mittel gäbe. Öffentlicher Protest oder den Botschafter einbestellen, beispielsweise, "um zu zeigen, dass man mit dem türkischen Vorgehen in keinster Weise einverstanden ist".
Mit Blick auf Deniz Yücel erinnert Nestmeyer, dass dieser sowohl die türkische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat und sich die deutsche Regierung deshalb habe verstärkt für ihn engagieren können. "Aber auch darüber hinaus geht es im Fall Altan um Meinungsfreiheit und Demokratie und das sollte man auf jeden Fall zur Sprache bringen. Man kann Druck ausüben, auch wirtschaftlichen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die deutsche Regierung in irgendeiner Weise geneigt ist, Druck auszuüben."
Zu den Ehrenmitgliedern des deutschen PEN-Zentrums gehörten Václav Havel und Liu Xiaobo, aktuell beispielsweise Anabel Hernández sowie Selahattin Demirtaş, Raif Badawi und Li Bifeng, die sich immer noch in Haft befinden.
(mfied)