Ahnungslos im LSD-Rausch

Die Menschenversuche der CIA

Jack Nicholson in einer Szene von "Einer flog über das Kuckucksnest"
Der Film "Einer flog über das Kuckucksnest" mit Jack Nicholson basiert nicht auf der Fantasie Hollywoods. Es gab tatsächlich Psychiatrien, in denen Menschenversuche durchgeführt wurden. © imago/United Archives
Von Peter Leusch |
1953 hat die CIA ihr Programm MKultra gestartet, um zu erforschen, wie man das Bewusstsein kontrollieren kann. Das Programm umfasste Tausende von Menschenversuchen, bei denen ahnungslosen Testpersonen LSD verabreicht wurde.
"Mr. McMurphy, Ihr Medikament."
"Was ist denn in der Pferdepille?"
"Es ist eine Medizin. Ist gut für Sie."
"Aber mir gefällt der Gedanke nicht, etwas einnehmen zu müssen von dem ich nicht weiß, was es ist."
"Regen Sie sich nicht auf, Mr. McMurphy."
"Ich rege mich nicht auf, Miss, ich möchte nur nicht, dass irgendjemand versucht, mir Salpeter zu verabreichen."
Im Film "Einer flog übers Kuckucksnest" erfährt der Held, gespielt von Jack Nicholson, am eigenen Leibe, wie Patienten in einer psychiatrischen Anstalt diversen Menschenversuchen ausgeliefert sind, von Psychopharmaka, über LSD und andere Drogen, bis hin zu Elektroschocks und gehirnchirurgischen Eingriffen. Diese Horror-Geschichte aber ist keine Erfindung Hollywoods. Sie basiert auf Tatsachen.
"Menlo-Park ist eine der Kliniken, in denen diese Versuche stattgefunden haben. Wenn man das Buch 'Einer flog über das Kuckucksnest' von Ken Kesey liest, dann ist das eben auch ein Erlebnisbericht aus Menlo-Park. Und Ken Kesey war ja bekanntlich ein Pfleger in Menlo-Park und hat dann in den sechziger Jahren niedergeschrieben, was er dort erlebt hat."

Gedankenkontrolle und Menschenversuche

Hinter diesen Menschenversuchen steckte tatsächlich die CIA, erklärt der Potsdamer Historiker Bernd Stöver, der die Geschichte des amerikanischen Geheimdienstes aufgearbeitet hat. Das düstere Kapitel der Menschenversuche, so Stöver, ereignete sich in der Frühphase des Kalten Krieges. Die USA wähnten sich im Hintertreffen, spätestens im Korea-Krieg, als amerikanische Kriegsgefangene plötzlich Propaganda für den Gegner machten.
Was war mit ihnen geschehen? Verfügte der Feind über neue, bisher unbekannte Mittel einer Gehirnwäsche? Um jeden Preis, unter Missachtung aller Gesetze und moralischen Prinzipien machte sich die CIA daran, selbst in den Besitz solcher Mittel und Methoden zu gelangen – und startete dazu 1953 das strenggeheime Programm MKultra.
"Es ist der Versuch, Gedankenkontrolle zu erlangen, Bewusstseinsmanipulation zu erlangen. Es gibt eine ganze Reihe von Versuchen mit Drogen, LSD, Meskalin, Angel Dust und alles was dazugehört, aber auch Psychochirurgie, chemische Stoffe, Gifte, Krankheitserreger, alles das wird unter anderem an Menschen getestet, auch an unwissenden Menschen getestet."
Was genau sollte LSD in diesem Zusammenhang bewirken? Nun, das wusste man schlichtweg nicht. Aber die Ahnungslosigkeit hielt die CIA nicht davon ab, mit LSD zu experimentieren, zumal es damals noch nicht illegal war. Die Opfer wussten meist nicht, wie ihnen geschah:
"In Kalifornien beispielsweise sind auf Studentenpartys solche Sachen eben passiert, also LSD ist eingesetzt worden, unwissentlich eingesetzt worden und dann ist beobachtet worden, was passiert."

Vom CIA missbraucht

Auf Dauer freilich rekrutierte die CIA die Opfer bevorzugt in Gefängnissen und Kliniken. Auch auf deutschem Boden wurden Drogen-Experimente durchgeführt. Das geschah an deutschen Behörden vorbei, wiewohl die CIA für ihre Versuche einer Bewusstseinskontrolle auch Ex-Nazis wie den KZ-Arzt Kurt Blome zur Mitarbeit heranzog, schrieb der Journalist Egmont Koch, der die Menschenversuche der CIA recherchiert hat.
"Man hoffte, auf diese Art und Weise bei feindlichen Agenten die Verschwiegenheit durchbrechen zu können. Dass man ihre Zunge lösen könnte, viel besser als das vielleicht mit Alkohol möglich ist, dass man Geständnisse forcieren kann. Ein Teil dieser Versuche mit LSD und anderen Drogen sind auch in Deutschland durchgeführt worden, was vor allem damit zusammenhing, dass es in Deutschland ausreichend russische Spione gab, an denen man das experimentell erproben wollte und konnte."
LSD, so fand man heraus, konnte dazu missbraucht werden, Menschen im Verhör mürbe zu machen und psychisch zu brechen. Das Wahrheitsserum, das man suchte, war LSD jedoch nicht.
"Es fließt allerdings ein - genauso wie die anderen Medikamente oder Drogen, die eingesetzt werden, in die so genannte Folterforschung: Leute werden empfindlicher, werden grundsätzlich sensibler, wenn sie Drogen einnehmen, sie erfahren Schmerzen stärker, sie erfahren auch Befragungen und Nachfragen stärker, alles dies fließt in die so genannte Folterforschung ein."
Das Programm MKultra und die LSD-Versuche endeten 1964, aber ihr Erbe in Gestalt eines geheimen Folterbuchs mit dem Titel "Kubark Interrogation Handbook" existierte weiter, und fand nach dem 11.September neue Anwendung bei den so genannten "verschärften Befragungen" in Guantanamo.

Tödliche Experimente

Die Menschenversuche des Programm MKultra der CIA wurden erst in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgedeckt. Zur Verantwortung aber wurde niemand herangezogen, da die CIA einen Großteil der Unterlagen vorsorglich vernichtet hatte. Dabei hatte es schon in den 1950-er Jahren mysteriöse Todesfälle gegeben. So war der Amerikaner Frank Olson, der selbst an der Erforschung biologischer Waffen beteiligt, aber von Gewissenszweifeln geplagt war, im LSD-Rausch aus dem Fenster gestürzt.
"Im Fall von Frank Olson würde ich sagen, so wie wir das damals recherchiert haben, es sind leider nicht alle Dokumente darüber verfügbar, dass er auch zu einem Versuchskaninchen, zu einem Opfer wurde bei den LSD-Versuchen. Wobei es nicht 100-prozentig nachweisbar ist, ob er aus dem Fenster gestürzt wurde oder vielleicht in seinen Halluzinationen gemeint hat, er könne fliegen und selbst aus dem Fenster gesprungen ist."
MKultra firmierte zwar als geheimes CIA-Programm, aber in seine vielen Teilprojekte und damit auch in die konkreten Menschenversuche, waren etliche amerikanische Universitäten, Kliniken und Forschungsinstitute und dementsprechend auch viele renommierte Wissenschaftler eingebunden, sagt der Historiker Bernd Stöver.
"Das erscheint mir das Erstaunlichste zu sein, dass keiner sozusagen die Notbremse gezogen hat. Und keiner Halt gerufen hat: Das dürfen wir nicht tun, das sind Menschenversuche, das haben wir nach den Nürnberger Gesetzen in den Ärzteprozessen verurteilt und jetzt machen wir das selber."
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