Aino Löwenmark: "Human"

Solodebüt der Fjarill-Sängerin

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Die Sängerin Aino Löwenmark 2009 bei einem Konzert in Hamburg © imago/ZweiKameraden
Von Olga Hochweis |
Bisher war die Pianistin und Sängerin Aino Löwenmark vor allem als Teil des Folk-Duos Fjarill bekannt. Jetzt ist ihr Solodebüt erschienen: eine große, stellenweise etwas disparate Wundertüte verschiedener Stile von Folk bis Avantgarde.
"Hier draußen ist ja ein Wald und fast jeden Tag geh ich spazieren. Und da kommen einfach so Melodien. Wenn das kommt und das ist so klar, dann muss man was damit tun – so einfach war das."
Aino Löwenmark blickt rüber auf den dichten Wald direkt an ihrem Haus im Hamburger Norden. Seit zwei Jahren wohnt sie hier. "Human", das erste Album ohne die langjährige Partnerin beim Duo Fjarill, ist auch das erste, das an diesem Ort der Ruhe entstanden ist.
"Diese Räume waren eher meine Räume. Und wenn ich das mit Fjarill machen würde, das würde nicht so gerecht gegenüber Hanmari, die Geigerin von Fjarill, sondern dann wäre das meine Sache. Wenn wir zusammenarbeiten, Hanmari und ich, dann machen wir das immer zu zweit – und das hier war irgendwas, was bei mir rauskommen wollte."
Menschlichkeit als roter Faden
"Rauskommen" wollten neben den Melodien im Kopf vor allem Ainos Gedanken übers Menschsein. Menschlichkeit im direkten Wortsinn ist der rote Faden auf dem Album "Human": Gefühle von Freude und Zugehörigkeit, genau so wie die von Fremdheit, Einsamkeit und Ängsten. Und der Glaube an sich selbst – an die innere Stimme, die einen von Geburt an begleitet und ausgedrückt werden will. "The Song" heißt der Opener des Albums.
"Es gibt in jedem Menschen ein Lied, ein Urklang, und wenn alles andere irgendwie bricht und kein Halt mehr da ist, dann ist dieser Urklang doch eben dieser Halt, dieser innere Kern. Das geht nie verloren. Ein Stück heißt Huij und das bedeutet so, man hat fast den Faden verloren, aber in letzter Sekunde hat man doch geschafft, den Weg wieder zu finden. Man ist so euphorisch, dass man es geschafft hat, es ist so voller Kraft, das kriegt man dadurch, gerade wenn man ein bisschen falsch gegangen ist..."
Huj ist das vielleicht persönlichste Lied von Aino Löwenmark, gesungen in ihrer schwedischen Muttersprache – und so lebendig und quirlig, wie die Anfang Vierzigjährige auch im Gespräch erscheint. "Mein Körper begrüßt die strahlende Sonne und will wachsen" heißt es in diesem Song und als Schlusszeile:
"'Hier bin ich und so will ich sein', das ist auch ein Aufruf für jeden Mensch, dass es das Beste ist, wenn man so ist, wie man ist, dass man sich nicht verändern muss durch die Gesellschaft, sondern die Aufgabe hat, zu wachsen und sich zu entwickeln für das, wozu man da ist. Dann kann das nur gut werden."
Kraftvolle und vertrackte Rhythmen
Aino Löwenmark spricht zugleich über die eigene Entwicklung als Musikerin. Nachhaltigen Anteil am neuen Album hat ihr Ehemann Jürgen Spiegel. Der Schlagzeuger des Tingvall Jazz-Trios, der auch als Produzent und Komponist arbeitet, für Heavy Metal Bands beim Rock am Ring gespielt hat oder für die Soul-Sängerin Nneka, hat Löwenmarks Songs neue klangliche und rhythmische Akzente gegeben. Im gemeinsamen Haus der beiden fanden die Live-Aufnahmen mit vier weiteren Musikern statt – in nur wenigen Tagen. Dann kam die Nachproduktion, die nochmal fünf Monate dauerte und zentral in den Händen von Jürgen Spiegel lag.
"Das war auch für ihn eine schöne neue Sache. Ich habe ihm viel Freiraum gegeben zu diesen Rhythmen, für diese neue rhythmische Welt. Das ist sein Geschenk zu dem Album, er durfte eigentlich machen, was er wollte – und deswegen hat das auch so lange gedauert, weil er so lange ausgesucht hat, was da passen würde mit den Rhythmen."
Neben kraftvollen und teilweise vertrackten Rhythmen überraschen vor allem Klänge, die man von Aino Löwenmarks akustischem Folk-Duo Fjarill so nicht kannte: Hammond-Orgel, E-Gitarren oder auch der sphärische Klang des Ondes Martenot, eines frühen Pariser Synthesizers aus dem Jahr 1929.
Bunte Akzente aus der Weltmusik
Schlaflieder für ihre kleinen Söhne, wie hier in "Sov nu", dann wieder hymnischer Pop. Songs, die an Gospel oder Jazz erinnern oder avantgardistische Klangimprovisation: es ist eine große und stellenweise auch etwas disparate Wundertüte, die Aino Löwenmark auf "Human" öffnet. Ihr selbst fällt es schwer, dafür stilistisch eine passende Klammer zu finden...
"Vielleicht so folkloristischer Singersongwriter-Pop? Es ist auch Weltmusik eigentlich, sind ja alle Nationalitäten dabei..."
... und die hinterlassen viele bunte Akzente. Sandro Giampetro an den Gitarren ist Italo-Amerikaner, Friedrich Paravicini – der Mann an den Tasten und am Cello, der auch für Annett Louisan spielt – ist in Frankreich aufgewachsen. Dabei ist auch der kubanische Kontrabassist vom Tingvall Trio, Omar Rodrigues Calvo, und der stilistisch, wie erwähnt, vielgleisige Jürgen Spiegel. Fest steht: Die Melodien, die Aino Löwenmark im Hamburger Wald in den Kopf gekommen sind, haben sich auf die große Reise begeben, und der weite Horizont überrascht wahrscheinlich nicht nur Fjarill-Fans.
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