Wer wird Nachfolger von Klaus Staeck?
Es bleibt spannend bis zuletzt: Die Akademie der Künste bestimmt am Abend die Nachfolge des scheidenden Präsidenten Klaus Staeck. Bis kurz vor der Wahl können noch Vorschläge und Bewerbungen eingereicht werden. Bisher kursieren die Namen zweier möglicher Kandidatinnen.
"Nichts ist erledigt!" steht in großen Lettern an der Fassade des Akademie-Gebäudes am Pariser Platz. Ein Slogan, den der scheidende Akademie-Präsident Klaus Staeck selbst hat aufhängen lassen. Sicher nicht als Bilanz für seine Amtszeit, denn die war durchaus erfolgreich. Aber man könnte sie als Motto für seine Nachfolgerin ansehen - im Sinne von: Es kann nie genug getan werden, um der Kunst in der deutschen Gesellschaft mehr Gehör zu verschaffen.
"Nachfolgerin" – die weibliche Form ist hier bewusst gesetzt, denn bislang sind es die Namen von zwei Frauen, die als mögliche Kandidatinnen kursieren: Die deutsch-argentinische Regisseurin Jeanine Meerapfel, 71 Jahre alt und bekannt durch Filme wie "Der deutsche Freund" und "Malou", und die 43-jährige Schriftstellerin Karin Röggla.
Abschied ohne Sentimentalitäten
Dennoch bleibt es spannend bis zuletzt: Bis kurz vor der Wahl am heutigen Abend können noch Bewerbungen eingehen oder Kandidaten vorgeschlagen werden. Und nicht nur Präsident und Vizepräsident werden neu gewählt, sondern auch die Doppelspitzen der sechs Sektionen Bildende Kunst, Baukunst, Musik, Literatur, Darstellende Kunst und Film. Amtsinhaber Klaus Staeck geht nach drei Amtszeiten - ohne Sentimentalitäten:
"Ich denke neun Jahre ist auch eine lange Zeit, jedenfalls, ich hatte es nicht geplant, ich bin ja auch ein bisschen da reingesprungen, aus einer bestimmten Notsituation heraus, mein Vorgänger war geflüchtet. Es war jedenfalls nicht mein Lebensplan, daraufhin zu arbeiten, Präsident dieser Akademie zu werden."
Der Plakatkünstler, Satiriker und einstige SPD-Wahlkämpfer Staeck blickte auf illustre Vorgänger im Amt zurück: Hans Scharoun, Günter Grass, Walter Jens in der Akademie West, Arnold Zweig, Konrad Wolf, Heiner Müller in der Akademie Ost. Nach der Wiedervereinigung bemühten sich Walter Jens, György Konrad und Adolf Muschg um die Einigung der Institution. Als Muschg 2005 nach nur zwei Jahren das Handtuch warf, befand sich die Akademie in einer Krise: Intern zerstritten, drohte sie in der Öffentlichkeit als kulturpolitische Stimme unter die Grenze der Wahrnehmbarkeit zu rutschen.
Eminent politisches Amtsverständnis
Einen "Schnarchklub" nannte sie einst der Schauspieler Ulrich Mathes, amtierender Direktor der Sektion Schauspiel in der Akademie. Staecks Wahl erwies sich als Glücksfall. Er verstand sein Amt von Anfang an als ein eminent politisches. Er führte die "Akademie-Gespräche" ein, in denen regelmäßig kontroverse gesellschaftliche Themen öffentlich debattiert werden, und er schickte Akademie-Mitglieder in ostdeutsche Schulen, in, wie er es nannte, "demokratieferne" Gegenden:
"Ich bin ein sehr engagierter politischer Mensch. Und habe sofort die Chance natürlich gesehen, die Akademie ist ein öffentlicher Raum. Ich bin ein Kämpfer, da sage ich bewusst Kämpfer, da sage ich bewusst Kämpfer für den öffentlichen Raum. Nur da entfaltet sich tatsächlich Demokratie, kann sich entfalten."
Die Akademie griff Themen wie das Freihandelsabkommen TTIP und die Abhöraffäre auf und sie trat öffentlich für verfolgte Künstler und Schriftsteller ein – wie für den chinesischen Künstler Ai Weiwei, der während seiner Haft zum Akademiemitglied gemacht wurde, oder für den zu 1000 Stockschlägen verurteilten saudischen Blogger Raif Badawi. So sehen viele Akademiemitglieder die traditionsreiche Institution wieder auf einem guten Weg – wenn es auch immer schwerer wird, sich im vielstimmigen Chor der Kulturinstitutionen der Hauptstadt Gehör zu verschaffen.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Mit 18 Millionen Euro wird die Akademie jedes Jahr gefördert. 170 Mitarbeiter kümmern sich unter anderem auch um die über 1000 Künstlernachlässe, die hier gepflegt werden. Akademiemitglied wird man nur nach Aufforderung: Der oder diejenige muss ein herausragendes Werk geschaffen haben oder sich um die Kunst des Landes verdient gemacht haben. Als "closed shop" empfindet manch Jüngerer dieses Verfahren. Soviel ist klar: Damit die Akademie der Künste mehr ist, als ein interner Club verdienter alternder Künstler, die ihre eigenen Nachlässe verwalten, muss sie den Weg weiter gehen, hinaus aus dem Schneckenhaus, aktuelle Themen aufgreifen, sich einmischen in Medien und Politik. Ansonsten gilt auch für die Akademie der Künste: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Oder: "Nichts ist erledigt".