Aktenzeichen AKW
8 von 17 Atomkraftwerken haben technische Mängel. Die meldepflichtigen Fehlermeldungen durch AKW-Betreiber nehmen zu. Die Frage der Endlagerstätten ist nicht geklärt. Die Debatte in der Öffentlichkeit über Kernkraft reißt nicht ab.
Dies ist eine kurze, aber lange noch nicht vollständige Beschreibung der Lage der Dinge. Der Länderreport fragt in Niedersachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt nach.
Jeder weitere Tag in einem Atomkraftwerk bedeutet auch mehr verstrahlten Müll. Doch wohin mit dem atomaren Abfall? Das einzige offiziell existierende Endlager in Deutschland befindet sich in Morsleben in Sachsen-Anhalt kurz vor Helmstedt. Seit zehn Jahren wird dort nichts mehr eingelagert, nun soll das ehemalige Salzbergwerk geschlossen werden. Nur: Atomkraftgegner bezweifeln die Garantie einer langfristigen Sicherheit von Morsleben. Das Bundesamt für Strahlenschutz aber ist davon überzeugt.
Sachsen-Anhalt - Von Susanne Arlt
Morsleben – ein idyllisch gelegenes Dorf im Allertal im Westen von Sachsen-Anhalt. Etwa 380 Menschen leben hier. Die Ortsmitte ist ordentlich gepflastert. Eine opulente Kegelhalle steht gleich neben dem schmucken Gemeindezentrum aus rotem Backstein. Kinder können sich auf einem riesengroßen, knallbunten Klettergerüst austoben. Morsleben - ein Dorf mit bester Infrastruktur. Auch dank der Fördermittel der bundeseigenen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe.
500 Meter tiefer. In der vierten Sohle des ehemaligen Salzbergwerkes liegen knapp 37.000 Kubikmeter verstrahlter Müll. Als die DDR-Regierung das ausgehöhlte Bergwerk als Endlager nutzte, wussten die meisten Bewohner nichts davon. Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wurden in Stahl- und Betonfässern eingelagert oder in leere Salzkammern gekippt. Nach dem Fall der Mauer kam der Einlagerungsstopp, dann Mitte der 90-er die Kehrtwende. Sie brachte Morsleben den zweifelhaften Ruf als "Ort der strahlenden Vereinigung" ein. Im Westen der Republik gab es kein Endlager.
Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel verteidigte Morsleben stets gegen jede Kritik. Obwohl viele Experten davor warnten, ordnete sie an, die umstrittene Anlage weiter zu betreiben. Florian Emrich, Pressesprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz.
"Man hat sich das angeschaut, ist von der Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass man das verantworten kann und hat dann die radioaktiven Abfälle hier eingelagert. Die kommen zum Großteil aus dem Betrieb von Kernkraftwerken, also sowohl aus ostdeutschen Reaktoren zur Zeiten der DDR als auch aus westdeutschen Reaktoren. Etwa 60 Prozent sind nach 1990 eingelagert worden in Morsleben."
Greenpeace und der BUND klagten dagegen. 1998 stoppte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg vorerst die Einlagerung. Drei Jahre später überprüfte das Bundesamt für Strahlenschutz die Sicherheit des Bergwerks erneut und verzichtete schließlich auf seine generelle Endlager-Genehmigung. Jetzt soll Morsleben geschlossen werden. 300 Kammern müssen mit Salzbeton gefüllt werden, riesige Betonpfropfen die Gänge verschließen.
Emrich: "Was wir dann erreichen wollen, dass das Endlager langfristig sicher ist, also keine radioaktiven Partikel rauskommen. Und das wollen wir machen, indem wir auch weite Teile des Bergwerkes mit Salzbeton verfüllen."
Viele Atomkraftgegner zweifeln das an. Kann man ein ausgehöhltes Endlager wie Morsleben wirklich 1.000 Jahre lang sichern? Florian Emrich nickt, ja, das haben Modellrechnungen bewiesen.
"So ganz auf die Schnelle habe ich erst einmal das aktuelle Flugblatt …"
Die Bürgerinitiative Morsleben trifft sich regelmäßig in Helmstedt im Gemeindezentrum Sankt Christopherus. An diesem Abend geht es um neue Strategien. Die Schließung des Endlagers steht bevor. Das bedeutet: Knapp 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfälle sollen dort in 15 Jahren zubetoniert werden, so dass von dem verstrahlten Müll keine Gefahr mehr für die Umwelt ausgeht. Andreas Fox, Sprecher der Initiative, bezweifelt das Verfahren.
"Alles, was wir bisher gesehen haben dazu, sind Modellrechnungen. Und wir können im Augenblick auch noch nicht abschätzen, was diese Modellrechnungen taugen. Man geht davon aus, dass man über die Eigenschaften des Betons, mit dem dort verfüllt wird, Aussagen treffen kann. Und wir haben große Zweifel, ob es wirklich möglich ist, Aussagen über viele tausend Jahr dazu zu machen, was dieser Beton aushält."
Seit einer Woche liegen die Unterlagen für die Schließung des Endlagers öffentlich in Helmstedt, Erxleben und Magdeburg aus. Tausende Seiten Berichte, Berechnungen, Karten, die besagen, dass man das Endlager Morsleben langfristig sichern kann.
Fox: "Wenn man jetzt hier sagt, wir können alles irgendwie hinflicken, dann ist die Gefahr natürlich auch, dass man es in Gorleben ähnlich sagt und einen ähnlichen Beschluss fasst."
Die Mitglieder der Initiative wollen darum Wissenschaftler zu Rate ziehen, bevor sie ihre Einwendungen formulieren und beim Landesumweltministerium einreichen. Manche Mitglieder plädieren aber jetzt schon dafür, besonders stark strahlende Quellen wieder rauszuholen. Dabei handelt es sich unter anderem um ein Fass mit Radium.
Andreas Fox breitet eine Karte des Endlagers Morsleben vor den Mitgliedern aus. Grüne, rote, gelbe, orangefarben markierte Flächen zeigen an, wo der atomare Müll liegt. Die Mitglieder schütteln besorgt ihre Köpfe. Sie plädieren dafür, generell aus der Atomkraft auszusteigen. Es gebe schließlich in Deutschland kein atomares Endlager, das wirklich sicher sei, sagt Fox. Schon gar nicht für die hochradioaktiven Brennstäbe. Statt sich allein auf Gorleben zu fixieren, sollte sich die Politik lieber um eine ergebnisoffene Suche bemühen, meint Fox.
"Auch Baden-Württemberg und Bayern werden sich der Frage stellen müssen, wie die Endlagerfrage am Ende in Deutschland gelöst wird. Und auch jede Regierung dort muss am Ende mit dafür sorgen, dass es eine sichere Lösung für den Atommüll in Deutschland gibt."
Hermann Onko Aeikens, Landesumweltminister von Sachsen-Anhalt, kann diese Forderung der Bürgerinitiative nachvollziehen. Doch von der sicheren Einlagerung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in Morsleben ist Aeikens überzeugt.
Die Kosten für die Schließung muss der Steuerzahler aufbringen. Und das sind mindestens 2,2 Milliarden Euro.
Niedersachsen - Von Susanne Schrammar
Atomare Endlager und Niedersachsen – das birgt Zündstoff. Beispiel Schacht Konrad – ab 2014 als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall vorgesehen. Beispiel Asse – in der maroden Schachtanlage dümpeln 126.000 Fässer Atommüll vor sich hin, begleitet von Skandalen und Versäumnissen. Beispiel Gorleben – seit über 30 Jahre tobt die Auseinandersetzung um den Salzstock, den die neue Bundesregierung auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Atommüll hin erkundet will. Die Haltung der Atomkraftgegner ist bekannt, aber wie sieht die Landespolitik das Ganze?
"Wir sind als Bürgerinitiative Umweltschutz seit 32 Jahren dabei und so leicht schmeißen wir die Flinte nicht ins Korn. Wenn es denn nötig sein sollte, weiter entschlossen Widerstand zu leisten, sind wir auf jeden Fall da."
Die Wendländer, sagt Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, sind gerüstet. Wenn, wie es die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag beschossen hat, das Erkundungsmoratorium für den Salzstock Gorleben aufgehoben wird und die schweren Bohranlagen unter Tage wieder zum Einsatz kommen, dann werde dort die Luft brennen, kündigt Rudek an.
Proteste gegen Atomkraft gehören im nordöstlichen Niedersachsen seit Jahrzehnten zum Alltag, seit CDU-Ministerpräsident Albrecht 1977 beschlossen hat, in der Nähe des kleines Ortes Gorleben ein Endlager für hochradioaktiven Abfall einzurichten. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung 1998 ein Erkundungsmoratorium für Gorleben beschlossen hatte, war im Wendland zunächst Ruhe eingekehrt, doch jetzt stehen die Zeichen wieder auf Sturm, erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative "ausgestrahlt".
"Ich glaube, dass sich dann diese Auseinandersetzung auch weiter zuspitzen wird. Und dann wird es Demonstrationen geben, da gehe ich davon aus, dass das, was wir am 5. September in Berlin hatten, was ja die größte Demonstration seit 23 Jahren war, dass das nur der Auftakt war zu dem, was da noch kommt an gesellschaftlichem Streit, der dann wieder da ist!"
In der niedersächsischen Landespolitik ist dieser Streit längst ausgebrochen. Die Opposition mit SPD, Grüne und Linke hat Gorleben für "tot" erklärt und verweist auf Eignungsgutachten, die in den 80er-Jahren manipuliert worden sein sollen, und auf das zerklüftete Deckgebirge des Salzstocks. Eine sichere Endlagerung, so die Meinung der Oppositionspolitiker, könne hier nicht garantiert werden.
Doch die schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen sieht bislang jedoch keinen Grund, an Gorleben zu zweifeln. Vor dem Erkundungsstopp sind zwei 840 Meter tiefe Schächte und eine von zwei geplanten unterirdischen Ebenen ausgebaut worden. Diese Arbeiten hätten keine Erkenntnisse gebracht, die gegen eine Eignung sprächen, teilen CDU und FDP mit. Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander:
"Da bin ich natürlich erfreut, wenn jetzt endlich zu Ende erkundet wird. Wir haben das immer klar und deutlich gesagt und kein Verständnis dafür gehabt, dass man die zehn Prozent nicht zu Ende erkundet hat. Ich kann’s mir nicht vorstellen, wie man bei der Erkundung und bei der Tiefe der Erkundung in einem Salzstock, dass der nicht geeignet sein soll als Wirtsgestein. Ich glaube auch, die Kernkraftgegner tun sich keinen Gefallen, weil sie das Problem wieder weiter verschieben wollen."
Bevor der Salzstock, dessen Erkundung bislang bereits rund 1,5 Milliarden Euro verschlungen hat, nicht abschließend geprüft worden ist, sei es unverantwortlich, so der niedersächsische Umweltminister, andere Standorte zu untersuchen.
In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber, ob Salzstöcke, die es nur im Norden Deutschlands gibt, die besten geologischen Voraussetzungen für die Endlagerung atomarer Stoffe bieten oder ob nicht Ton oder Granit besser geeignet seien. Letztere kommen vor allem in Baden-Württemberg und Bayern vor.
Sander: "Ich lasse mich nicht darauf ein, die Bayern gegen die Niedersachsen und die Baden-Württemberger gegen die Niedersachsen gegeneinander auszuspielen. Wir haben eine Gesamtverantwortung und da ist Niedersachsen ein Teil dieses Gesamtstaates und wir, und da bin ich irgendwie auch stolz drauf, dass diese Landesregierung in den letzten fast sieben Jahren immer klaren Kurs gehalten hat. Konnte man nicht immer unbedingt einen Blumenpott mit gewinnen mit dieser Position, aber es ist die einzige und richtige und wahre in der jetzigen Zeit."
Bei Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Niedersächsischen Landtag, erntet die Haltung der Landesregierung nur Kopfschütteln. Umweltminister Sander agiere völlig ignorant und wie eine Schallplatte, die einen Sprung habe, so Wenzel. Der Grünen-Politiker gehört zu denen, die für eine neue vergleichende Standortsuche plädieren. Niedersachsen sei wegen des maroden Atommüllendlagers Asse, des bereits genehmigten Endlagers Schacht Konrad und des möglichen Endlagers Gorleben besonders gebeutelt.
"Niedersachsen ist sozusagen das Atomklo der Nation, aber das kann es nicht sein. Wir müssen auch die anderen Länder hier veranlassen, diese Fragen neu zu diskutieren. Die Bayern und die Baden-Württemberger sind immer diejenigen, die am forschesten nach Laufzeitverlängerung rufen, aber auch am vehementesten protestieren, wenn man über eine Suche in ihrem Land nachdenkt. Und das können wir so nicht akzeptieren aus niedersächsischer Sicht."
Die Linken im niedersächsischen Landtag haben eine Studie in Auftrag gegeben, die unter anderem zu dem Ergebnis kommt, dass im Gorlebener Salzstock, ebenso wie in der Asse, die Gefahr von Wasserzuflüssen besteht. Zu gefährlich für die Endlagerung hochradioaktiver Stoffe, sagt der atompolitische Sprecher der Linken, Kurt Herzog. Die Politik habe sich über die Bedenken von Wissenschaftlern hinweg gesetzt. Der Landtagsabgeordnete kommt selbst aus dem Wendland, kennt das Misstrauen, dass sich bei vielen Menschen in der Region gegenüber der Politik gebildet hat. Einer der Vorwürfe: Zu vieles sei im stillen Kämmerlein ohne Beteiligung der Bürger entschieden worden. Wenn Herzog jetzt die Untersuchung anderer Standorte fordert, dann unter der Prämisse, die Betroffenen mit einzubeziehen.
"Wie man dann in dieses Verfahren eintritt, also welche Bewertungen man zugrunde legt, das muss alles transparent in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Also alle Sicherheitsanforderungen und ähnliche Dinge müssen transparent sein. Wenn wir was gelernt haben müssen aus diesen Jahrzehnten, dann das, dass die Atomindustrie quasi immer in dunklen Grauzonen rechtlicher Art gemauschelt hat und immer mit Unterstützung der Politik. Und das muss aufhören."
Bayern - Von Barbara Roth
Atomkraft und Bayern – dies ist ein eigenes Thema. Dies auch deshalb, weil sich der Freistaat vehement und von Anfang an gegen die Lagerung von Atommüll auf seinem Gebiet sperrte. Bis heute. So sieht auch Umweltminister Söder kein geeignetes Endlager für Atommüll in Bayern. Zugleich weisen Umweltschützer darauf hin, dass der Freistaat "mehr Atommüll produziert (wird) als in den anderen Bundesländern". Atomkraft ja, Atommüll nein danke.
Auch im 30. Jahr seines Bestehens bleibt Isar I umstritten. 1979 ging der Reaktor ans Netz, mittlerweile einer der ältesten Atommeiler in Deutschland. An seinen Anblick haben sich die Bürger in Ohu, das ist ein kleines Dorf im niederbayerischen Landkreis Landshut, notgedrungen gewöhnt.
Frau: "Wenn man da wohnt, da denkt man schon: Mei, was da alles rauskommen kann."
Frau: "Man hat sich daran gewöhnt, aber man macht sich Gedanken, ob es ganz sicher ist, wenn etwas passiert."
Mann: "Mei, wenn etwas passiert, dann bin ich gleich als Erster weg und spüre nichts mehr."
Frau: "Und wen man sich was denkt, verdrängt man das auch."
"Isar I abschalten sofort", das forderten im Sommer dieses Jahres die bayerischen Grünen. Im Atomkraftwerk Krümel in Schleswig-Holstein hatte es zuvor einen schweren Störfall gegeben. Und die beiden Siedewasserreaktoren sind mit baugleicher Technik, Baureihe 69, ausgestattet. Rosi Steinberger von den örtlichen Grünen sieht sich durch die Probleme in Krümel in ihrer Kritik bestätigt.
"Unserer ist ja sogar älter als der in Krümmel. Es ist mit Sicherheit so, dass man da auch Transformatoren hat wie das Kernkraftwerk in Krümmel auch. Und es ist schon sehr bedenklich, wenn man dran denkt, das könnte bei uns auch alles passieren."
Im Laufe der Zeit sei mehr Geld in die Nachrüstung geflossen, als der Bau damals im Jahr 1979 gekostet hat, versucht der Betreiber EON zu beruhigen. Doch die Atomkraftgegner sehnen den Tag des Abschaltens herbei. Nach dem deutschen Atomkonsens soll das Kernkraftwerk voraussichtlich im Mai 2011 stillgelegt werden. Voraussichtlich, denn die neue schwarz-gelbe Bundesregierung will den rot-grünen Atomkonsens wieder kippen.
Markus Söder: "Unser Gesamtkonzept muss sein: Hin zu erneuerbaren Energien, ein vollständiger Umstieg, der aber nicht sofort gelingen kann. Weder von der Quantität, noch von der Qualität. Also brauchen wir die Kernenergie als Brückentechnologie. Deswegen Verlängerung der Laufzeit: Ja - und zwar für die sicheren deutschen Kraftwerke. Isar I ist ein sicheres Kraftwerk","
betont der bayerische Umweltminister Markus Söder. Der CSU-Politiker hat in Berlin an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen. Er kann sich vorstellen, dass die Laufzeit für Isar I über Mai 2011 hinaus verlängert wird. Ob und für wie lange – sei allerdings noch nicht entschieden.
""Wir sind aber der festen Überzeugung, dass man die zusätzlich generierten Gewinne aus der Verlängerung der Laufzeit doch gezielter einsetzen soll: für weitere Sicherheitsnachrüstungen, für die weitere Forschung, Entwicklung von neuer Technologie. Und natürlich auch für die Klärung der Endlagerfrage, das heißt Gorleben."
Mit Gorleben spricht der Minister ein weiteres heißes Eisen an: Die Suche nach einem Atomendlager. Kurz vor der Bundestagswahl hatte SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel das Endlager Gorleben für politisch tot erklärt. Und Eike Hallitzky, Landtagsabgeordneter der Grünen, warnt Söder davor, sich mit einer Laufzeitverlängerung jetzt die Finger zu verbrennen.
"Tatsache ist: Gorleben ist nicht sicher. Und wenn Bayern das Land ist, was am stärksten die Atomenergie am Laufen hält und die Atomkraftwerke, die Laufzeiten verlängern will, dann kann sich das natürlich umkehren diese politische Argumentation. Dann werden die anderen Länder sagen: Wenn Du so für Atomenergie bist, dann musst Du aber auch den Atommüll nehmen."
Wenn sie das hören, werden Bürger im Bayerwald, im Fichtelgebirge und im schwäbischen Landkreis Dilligen nervös. Denn sie befürchten, dass Endlager-Pläne in ihre Heimat wieder aktuell werden könnten. Granit im Bayerischen Wald war bereits im Visier bei der Endlager-Suche in den 90er-Jahren. Martin Behringer gründete damals eine Bürgerinitiative, heute ist er Bürgermeister des Ortes Thurmansbang.
"Nach der neuen Diskussion, wo natürlich Gorleben wieder in Frage gestellt wird, sind wir wahrscheinlich wieder mittendrin in der Diskussion. Aber wir stehen Gewehr bei Fuß und können jederzeit die Initiative wieder aufleben lassen. So nicht!"
Plakate hat der Bürgermeister schon drucken lassen. "Nein Danke" steht in großen Lettern auf leuchtend gelben Grund.
Der bayerische Umweltminister spricht von einer Geisterdiskussion. Es wird keine neue Endlager-Suche in Bayern geben, versucht Markus Söder zu beruhigen.
"Es macht keinen Sinn, denn wenn man objektive Kriterien anwendet, stellt man fest: Das beste Endlager ist ein Salzstock. Wir haben in Bayern keinen vergleichbaren Salzstock wie beispielsweise Gorleben. Die zweitbeste Variante ist Granit. Wir haben in Bayern ein Granitvorkommen, das aber völlig zerklüftet ist, so dass da eine sichere Möglichkeit von Endlager nicht gegeben wäre."
Söder untermauert seine Behauptung mit der Fachmeinung aus zwei Institutionen. Sowohl die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffen als auch das bayerische Geologische Landesamt haben bereits geprüft, ob es zu Gorleben alternative Standorte in Bayern gebe.
"Wir haben beispielsweise in der Ecke Neu-Ulm und Ulm Tonschichten, die sind aber nur ungefähr 100 Meter dick, in Niedersachsen sind sie 1.000 bis 1.500 Meter dick. Also, ganz objektiv gesprochen, es ist eindeutig, dass ein Endlager in Bayern keinen Sinn macht, es gibt in Deutschland zig bessere Standorte. Deswegen war es ja eine rein ideologische Debatte von Gabriel und keine objektive."
Tongestein befindet sich entlang der Donau im westlichen Landkreis Dillingen. Der dortige Landrat hat vorsorglich bereits einen Brief ans Bundesumweltministerium geschrieben, in dem er auf die bereits bestehenden Belastungen durch das Atomkraftwerk Gundremmingen und auf die Bedeutung des Gebietes für die Trinkwasserversorgung hinwies. Gut gemeint, aber überflüssig, nennt Markus Söder diesen Brief. Der Umweltminister hat am schwarz-gelben Koalitionsvertrag mitgeschrieben, zur Endlagerfrage sei schwarz auf weiß zu lesen:
"Dass man Gorleben weiter erkunden muss. Das macht ja einen Sinn, da sind ja schon 1,5 Milliarden Euro investiert worden, dass Gorleben zu Ende erkundet werden soll, um da am Ende eine verlässige Entscheidungsbasis zu haben."
Und was, wenn Gorleben als Endlager endgültig ausscheidet? Auf diese Frage blieb Söder die Antwort schuldig.
Jeder weitere Tag in einem Atomkraftwerk bedeutet auch mehr verstrahlten Müll. Doch wohin mit dem atomaren Abfall? Das einzige offiziell existierende Endlager in Deutschland befindet sich in Morsleben in Sachsen-Anhalt kurz vor Helmstedt. Seit zehn Jahren wird dort nichts mehr eingelagert, nun soll das ehemalige Salzbergwerk geschlossen werden. Nur: Atomkraftgegner bezweifeln die Garantie einer langfristigen Sicherheit von Morsleben. Das Bundesamt für Strahlenschutz aber ist davon überzeugt.
Sachsen-Anhalt - Von Susanne Arlt
Morsleben – ein idyllisch gelegenes Dorf im Allertal im Westen von Sachsen-Anhalt. Etwa 380 Menschen leben hier. Die Ortsmitte ist ordentlich gepflastert. Eine opulente Kegelhalle steht gleich neben dem schmucken Gemeindezentrum aus rotem Backstein. Kinder können sich auf einem riesengroßen, knallbunten Klettergerüst austoben. Morsleben - ein Dorf mit bester Infrastruktur. Auch dank der Fördermittel der bundeseigenen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe.
500 Meter tiefer. In der vierten Sohle des ehemaligen Salzbergwerkes liegen knapp 37.000 Kubikmeter verstrahlter Müll. Als die DDR-Regierung das ausgehöhlte Bergwerk als Endlager nutzte, wussten die meisten Bewohner nichts davon. Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wurden in Stahl- und Betonfässern eingelagert oder in leere Salzkammern gekippt. Nach dem Fall der Mauer kam der Einlagerungsstopp, dann Mitte der 90-er die Kehrtwende. Sie brachte Morsleben den zweifelhaften Ruf als "Ort der strahlenden Vereinigung" ein. Im Westen der Republik gab es kein Endlager.
Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel verteidigte Morsleben stets gegen jede Kritik. Obwohl viele Experten davor warnten, ordnete sie an, die umstrittene Anlage weiter zu betreiben. Florian Emrich, Pressesprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz.
"Man hat sich das angeschaut, ist von der Bundesregierung zu dem Schluss gekommen, dass man das verantworten kann und hat dann die radioaktiven Abfälle hier eingelagert. Die kommen zum Großteil aus dem Betrieb von Kernkraftwerken, also sowohl aus ostdeutschen Reaktoren zur Zeiten der DDR als auch aus westdeutschen Reaktoren. Etwa 60 Prozent sind nach 1990 eingelagert worden in Morsleben."
Greenpeace und der BUND klagten dagegen. 1998 stoppte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg vorerst die Einlagerung. Drei Jahre später überprüfte das Bundesamt für Strahlenschutz die Sicherheit des Bergwerks erneut und verzichtete schließlich auf seine generelle Endlager-Genehmigung. Jetzt soll Morsleben geschlossen werden. 300 Kammern müssen mit Salzbeton gefüllt werden, riesige Betonpfropfen die Gänge verschließen.
Emrich: "Was wir dann erreichen wollen, dass das Endlager langfristig sicher ist, also keine radioaktiven Partikel rauskommen. Und das wollen wir machen, indem wir auch weite Teile des Bergwerkes mit Salzbeton verfüllen."
Viele Atomkraftgegner zweifeln das an. Kann man ein ausgehöhltes Endlager wie Morsleben wirklich 1.000 Jahre lang sichern? Florian Emrich nickt, ja, das haben Modellrechnungen bewiesen.
"So ganz auf die Schnelle habe ich erst einmal das aktuelle Flugblatt …"
Die Bürgerinitiative Morsleben trifft sich regelmäßig in Helmstedt im Gemeindezentrum Sankt Christopherus. An diesem Abend geht es um neue Strategien. Die Schließung des Endlagers steht bevor. Das bedeutet: Knapp 37.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfälle sollen dort in 15 Jahren zubetoniert werden, so dass von dem verstrahlten Müll keine Gefahr mehr für die Umwelt ausgeht. Andreas Fox, Sprecher der Initiative, bezweifelt das Verfahren.
"Alles, was wir bisher gesehen haben dazu, sind Modellrechnungen. Und wir können im Augenblick auch noch nicht abschätzen, was diese Modellrechnungen taugen. Man geht davon aus, dass man über die Eigenschaften des Betons, mit dem dort verfüllt wird, Aussagen treffen kann. Und wir haben große Zweifel, ob es wirklich möglich ist, Aussagen über viele tausend Jahr dazu zu machen, was dieser Beton aushält."
Seit einer Woche liegen die Unterlagen für die Schließung des Endlagers öffentlich in Helmstedt, Erxleben und Magdeburg aus. Tausende Seiten Berichte, Berechnungen, Karten, die besagen, dass man das Endlager Morsleben langfristig sichern kann.
Fox: "Wenn man jetzt hier sagt, wir können alles irgendwie hinflicken, dann ist die Gefahr natürlich auch, dass man es in Gorleben ähnlich sagt und einen ähnlichen Beschluss fasst."
Die Mitglieder der Initiative wollen darum Wissenschaftler zu Rate ziehen, bevor sie ihre Einwendungen formulieren und beim Landesumweltministerium einreichen. Manche Mitglieder plädieren aber jetzt schon dafür, besonders stark strahlende Quellen wieder rauszuholen. Dabei handelt es sich unter anderem um ein Fass mit Radium.
Andreas Fox breitet eine Karte des Endlagers Morsleben vor den Mitgliedern aus. Grüne, rote, gelbe, orangefarben markierte Flächen zeigen an, wo der atomare Müll liegt. Die Mitglieder schütteln besorgt ihre Köpfe. Sie plädieren dafür, generell aus der Atomkraft auszusteigen. Es gebe schließlich in Deutschland kein atomares Endlager, das wirklich sicher sei, sagt Fox. Schon gar nicht für die hochradioaktiven Brennstäbe. Statt sich allein auf Gorleben zu fixieren, sollte sich die Politik lieber um eine ergebnisoffene Suche bemühen, meint Fox.
"Auch Baden-Württemberg und Bayern werden sich der Frage stellen müssen, wie die Endlagerfrage am Ende in Deutschland gelöst wird. Und auch jede Regierung dort muss am Ende mit dafür sorgen, dass es eine sichere Lösung für den Atommüll in Deutschland gibt."
Hermann Onko Aeikens, Landesumweltminister von Sachsen-Anhalt, kann diese Forderung der Bürgerinitiative nachvollziehen. Doch von der sicheren Einlagerung der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in Morsleben ist Aeikens überzeugt.
Die Kosten für die Schließung muss der Steuerzahler aufbringen. Und das sind mindestens 2,2 Milliarden Euro.
Niedersachsen - Von Susanne Schrammar
Atomare Endlager und Niedersachsen – das birgt Zündstoff. Beispiel Schacht Konrad – ab 2014 als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Abfall vorgesehen. Beispiel Asse – in der maroden Schachtanlage dümpeln 126.000 Fässer Atommüll vor sich hin, begleitet von Skandalen und Versäumnissen. Beispiel Gorleben – seit über 30 Jahre tobt die Auseinandersetzung um den Salzstock, den die neue Bundesregierung auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Atommüll hin erkundet will. Die Haltung der Atomkraftgegner ist bekannt, aber wie sieht die Landespolitik das Ganze?
"Wir sind als Bürgerinitiative Umweltschutz seit 32 Jahren dabei und so leicht schmeißen wir die Flinte nicht ins Korn. Wenn es denn nötig sein sollte, weiter entschlossen Widerstand zu leisten, sind wir auf jeden Fall da."
Die Wendländer, sagt Kerstin Rudek, Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, sind gerüstet. Wenn, wie es die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag beschossen hat, das Erkundungsmoratorium für den Salzstock Gorleben aufgehoben wird und die schweren Bohranlagen unter Tage wieder zum Einsatz kommen, dann werde dort die Luft brennen, kündigt Rudek an.
Proteste gegen Atomkraft gehören im nordöstlichen Niedersachsen seit Jahrzehnten zum Alltag, seit CDU-Ministerpräsident Albrecht 1977 beschlossen hat, in der Nähe des kleines Ortes Gorleben ein Endlager für hochradioaktiven Abfall einzurichten. Nachdem die rot-grüne Bundesregierung 1998 ein Erkundungsmoratorium für Gorleben beschlossen hatte, war im Wendland zunächst Ruhe eingekehrt, doch jetzt stehen die Zeichen wieder auf Sturm, erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative "ausgestrahlt".
"Ich glaube, dass sich dann diese Auseinandersetzung auch weiter zuspitzen wird. Und dann wird es Demonstrationen geben, da gehe ich davon aus, dass das, was wir am 5. September in Berlin hatten, was ja die größte Demonstration seit 23 Jahren war, dass das nur der Auftakt war zu dem, was da noch kommt an gesellschaftlichem Streit, der dann wieder da ist!"
In der niedersächsischen Landespolitik ist dieser Streit längst ausgebrochen. Die Opposition mit SPD, Grüne und Linke hat Gorleben für "tot" erklärt und verweist auf Eignungsgutachten, die in den 80er-Jahren manipuliert worden sein sollen, und auf das zerklüftete Deckgebirge des Salzstocks. Eine sichere Endlagerung, so die Meinung der Oppositionspolitiker, könne hier nicht garantiert werden.
Doch die schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen sieht bislang jedoch keinen Grund, an Gorleben zu zweifeln. Vor dem Erkundungsstopp sind zwei 840 Meter tiefe Schächte und eine von zwei geplanten unterirdischen Ebenen ausgebaut worden. Diese Arbeiten hätten keine Erkenntnisse gebracht, die gegen eine Eignung sprächen, teilen CDU und FDP mit. Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander:
"Da bin ich natürlich erfreut, wenn jetzt endlich zu Ende erkundet wird. Wir haben das immer klar und deutlich gesagt und kein Verständnis dafür gehabt, dass man die zehn Prozent nicht zu Ende erkundet hat. Ich kann’s mir nicht vorstellen, wie man bei der Erkundung und bei der Tiefe der Erkundung in einem Salzstock, dass der nicht geeignet sein soll als Wirtsgestein. Ich glaube auch, die Kernkraftgegner tun sich keinen Gefallen, weil sie das Problem wieder weiter verschieben wollen."
Bevor der Salzstock, dessen Erkundung bislang bereits rund 1,5 Milliarden Euro verschlungen hat, nicht abschließend geprüft worden ist, sei es unverantwortlich, so der niedersächsische Umweltminister, andere Standorte zu untersuchen.
In der Wissenschaft herrscht Uneinigkeit darüber, ob Salzstöcke, die es nur im Norden Deutschlands gibt, die besten geologischen Voraussetzungen für die Endlagerung atomarer Stoffe bieten oder ob nicht Ton oder Granit besser geeignet seien. Letztere kommen vor allem in Baden-Württemberg und Bayern vor.
Sander: "Ich lasse mich nicht darauf ein, die Bayern gegen die Niedersachsen und die Baden-Württemberger gegen die Niedersachsen gegeneinander auszuspielen. Wir haben eine Gesamtverantwortung und da ist Niedersachsen ein Teil dieses Gesamtstaates und wir, und da bin ich irgendwie auch stolz drauf, dass diese Landesregierung in den letzten fast sieben Jahren immer klaren Kurs gehalten hat. Konnte man nicht immer unbedingt einen Blumenpott mit gewinnen mit dieser Position, aber es ist die einzige und richtige und wahre in der jetzigen Zeit."
Bei Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Niedersächsischen Landtag, erntet die Haltung der Landesregierung nur Kopfschütteln. Umweltminister Sander agiere völlig ignorant und wie eine Schallplatte, die einen Sprung habe, so Wenzel. Der Grünen-Politiker gehört zu denen, die für eine neue vergleichende Standortsuche plädieren. Niedersachsen sei wegen des maroden Atommüllendlagers Asse, des bereits genehmigten Endlagers Schacht Konrad und des möglichen Endlagers Gorleben besonders gebeutelt.
"Niedersachsen ist sozusagen das Atomklo der Nation, aber das kann es nicht sein. Wir müssen auch die anderen Länder hier veranlassen, diese Fragen neu zu diskutieren. Die Bayern und die Baden-Württemberger sind immer diejenigen, die am forschesten nach Laufzeitverlängerung rufen, aber auch am vehementesten protestieren, wenn man über eine Suche in ihrem Land nachdenkt. Und das können wir so nicht akzeptieren aus niedersächsischer Sicht."
Die Linken im niedersächsischen Landtag haben eine Studie in Auftrag gegeben, die unter anderem zu dem Ergebnis kommt, dass im Gorlebener Salzstock, ebenso wie in der Asse, die Gefahr von Wasserzuflüssen besteht. Zu gefährlich für die Endlagerung hochradioaktiver Stoffe, sagt der atompolitische Sprecher der Linken, Kurt Herzog. Die Politik habe sich über die Bedenken von Wissenschaftlern hinweg gesetzt. Der Landtagsabgeordnete kommt selbst aus dem Wendland, kennt das Misstrauen, dass sich bei vielen Menschen in der Region gegenüber der Politik gebildet hat. Einer der Vorwürfe: Zu vieles sei im stillen Kämmerlein ohne Beteiligung der Bürger entschieden worden. Wenn Herzog jetzt die Untersuchung anderer Standorte fordert, dann unter der Prämisse, die Betroffenen mit einzubeziehen.
"Wie man dann in dieses Verfahren eintritt, also welche Bewertungen man zugrunde legt, das muss alles transparent in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Also alle Sicherheitsanforderungen und ähnliche Dinge müssen transparent sein. Wenn wir was gelernt haben müssen aus diesen Jahrzehnten, dann das, dass die Atomindustrie quasi immer in dunklen Grauzonen rechtlicher Art gemauschelt hat und immer mit Unterstützung der Politik. Und das muss aufhören."
Bayern - Von Barbara Roth
Atomkraft und Bayern – dies ist ein eigenes Thema. Dies auch deshalb, weil sich der Freistaat vehement und von Anfang an gegen die Lagerung von Atommüll auf seinem Gebiet sperrte. Bis heute. So sieht auch Umweltminister Söder kein geeignetes Endlager für Atommüll in Bayern. Zugleich weisen Umweltschützer darauf hin, dass der Freistaat "mehr Atommüll produziert (wird) als in den anderen Bundesländern". Atomkraft ja, Atommüll nein danke.
Auch im 30. Jahr seines Bestehens bleibt Isar I umstritten. 1979 ging der Reaktor ans Netz, mittlerweile einer der ältesten Atommeiler in Deutschland. An seinen Anblick haben sich die Bürger in Ohu, das ist ein kleines Dorf im niederbayerischen Landkreis Landshut, notgedrungen gewöhnt.
Frau: "Wenn man da wohnt, da denkt man schon: Mei, was da alles rauskommen kann."
Frau: "Man hat sich daran gewöhnt, aber man macht sich Gedanken, ob es ganz sicher ist, wenn etwas passiert."
Mann: "Mei, wenn etwas passiert, dann bin ich gleich als Erster weg und spüre nichts mehr."
Frau: "Und wen man sich was denkt, verdrängt man das auch."
"Isar I abschalten sofort", das forderten im Sommer dieses Jahres die bayerischen Grünen. Im Atomkraftwerk Krümel in Schleswig-Holstein hatte es zuvor einen schweren Störfall gegeben. Und die beiden Siedewasserreaktoren sind mit baugleicher Technik, Baureihe 69, ausgestattet. Rosi Steinberger von den örtlichen Grünen sieht sich durch die Probleme in Krümel in ihrer Kritik bestätigt.
"Unserer ist ja sogar älter als der in Krümmel. Es ist mit Sicherheit so, dass man da auch Transformatoren hat wie das Kernkraftwerk in Krümmel auch. Und es ist schon sehr bedenklich, wenn man dran denkt, das könnte bei uns auch alles passieren."
Im Laufe der Zeit sei mehr Geld in die Nachrüstung geflossen, als der Bau damals im Jahr 1979 gekostet hat, versucht der Betreiber EON zu beruhigen. Doch die Atomkraftgegner sehnen den Tag des Abschaltens herbei. Nach dem deutschen Atomkonsens soll das Kernkraftwerk voraussichtlich im Mai 2011 stillgelegt werden. Voraussichtlich, denn die neue schwarz-gelbe Bundesregierung will den rot-grünen Atomkonsens wieder kippen.
Markus Söder: "Unser Gesamtkonzept muss sein: Hin zu erneuerbaren Energien, ein vollständiger Umstieg, der aber nicht sofort gelingen kann. Weder von der Quantität, noch von der Qualität. Also brauchen wir die Kernenergie als Brückentechnologie. Deswegen Verlängerung der Laufzeit: Ja - und zwar für die sicheren deutschen Kraftwerke. Isar I ist ein sicheres Kraftwerk","
betont der bayerische Umweltminister Markus Söder. Der CSU-Politiker hat in Berlin an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen. Er kann sich vorstellen, dass die Laufzeit für Isar I über Mai 2011 hinaus verlängert wird. Ob und für wie lange – sei allerdings noch nicht entschieden.
""Wir sind aber der festen Überzeugung, dass man die zusätzlich generierten Gewinne aus der Verlängerung der Laufzeit doch gezielter einsetzen soll: für weitere Sicherheitsnachrüstungen, für die weitere Forschung, Entwicklung von neuer Technologie. Und natürlich auch für die Klärung der Endlagerfrage, das heißt Gorleben."
Mit Gorleben spricht der Minister ein weiteres heißes Eisen an: Die Suche nach einem Atomendlager. Kurz vor der Bundestagswahl hatte SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel das Endlager Gorleben für politisch tot erklärt. Und Eike Hallitzky, Landtagsabgeordneter der Grünen, warnt Söder davor, sich mit einer Laufzeitverlängerung jetzt die Finger zu verbrennen.
"Tatsache ist: Gorleben ist nicht sicher. Und wenn Bayern das Land ist, was am stärksten die Atomenergie am Laufen hält und die Atomkraftwerke, die Laufzeiten verlängern will, dann kann sich das natürlich umkehren diese politische Argumentation. Dann werden die anderen Länder sagen: Wenn Du so für Atomenergie bist, dann musst Du aber auch den Atommüll nehmen."
Wenn sie das hören, werden Bürger im Bayerwald, im Fichtelgebirge und im schwäbischen Landkreis Dilligen nervös. Denn sie befürchten, dass Endlager-Pläne in ihre Heimat wieder aktuell werden könnten. Granit im Bayerischen Wald war bereits im Visier bei der Endlager-Suche in den 90er-Jahren. Martin Behringer gründete damals eine Bürgerinitiative, heute ist er Bürgermeister des Ortes Thurmansbang.
"Nach der neuen Diskussion, wo natürlich Gorleben wieder in Frage gestellt wird, sind wir wahrscheinlich wieder mittendrin in der Diskussion. Aber wir stehen Gewehr bei Fuß und können jederzeit die Initiative wieder aufleben lassen. So nicht!"
Plakate hat der Bürgermeister schon drucken lassen. "Nein Danke" steht in großen Lettern auf leuchtend gelben Grund.
Der bayerische Umweltminister spricht von einer Geisterdiskussion. Es wird keine neue Endlager-Suche in Bayern geben, versucht Markus Söder zu beruhigen.
"Es macht keinen Sinn, denn wenn man objektive Kriterien anwendet, stellt man fest: Das beste Endlager ist ein Salzstock. Wir haben in Bayern keinen vergleichbaren Salzstock wie beispielsweise Gorleben. Die zweitbeste Variante ist Granit. Wir haben in Bayern ein Granitvorkommen, das aber völlig zerklüftet ist, so dass da eine sichere Möglichkeit von Endlager nicht gegeben wäre."
Söder untermauert seine Behauptung mit der Fachmeinung aus zwei Institutionen. Sowohl die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffen als auch das bayerische Geologische Landesamt haben bereits geprüft, ob es zu Gorleben alternative Standorte in Bayern gebe.
"Wir haben beispielsweise in der Ecke Neu-Ulm und Ulm Tonschichten, die sind aber nur ungefähr 100 Meter dick, in Niedersachsen sind sie 1.000 bis 1.500 Meter dick. Also, ganz objektiv gesprochen, es ist eindeutig, dass ein Endlager in Bayern keinen Sinn macht, es gibt in Deutschland zig bessere Standorte. Deswegen war es ja eine rein ideologische Debatte von Gabriel und keine objektive."
Tongestein befindet sich entlang der Donau im westlichen Landkreis Dillingen. Der dortige Landrat hat vorsorglich bereits einen Brief ans Bundesumweltministerium geschrieben, in dem er auf die bereits bestehenden Belastungen durch das Atomkraftwerk Gundremmingen und auf die Bedeutung des Gebietes für die Trinkwasserversorgung hinwies. Gut gemeint, aber überflüssig, nennt Markus Söder diesen Brief. Der Umweltminister hat am schwarz-gelben Koalitionsvertrag mitgeschrieben, zur Endlagerfrage sei schwarz auf weiß zu lesen:
"Dass man Gorleben weiter erkunden muss. Das macht ja einen Sinn, da sind ja schon 1,5 Milliarden Euro investiert worden, dass Gorleben zu Ende erkundet werden soll, um da am Ende eine verlässige Entscheidungsbasis zu haben."
Und was, wenn Gorleben als Endlager endgültig ausscheidet? Auf diese Frage blieb Söder die Antwort schuldig.