Nachhaltige Geldanlage
Ob Tages- und Festgeldkonten, Aktienfonds, Anleihen – Privatanleger können inzwischen in allen Anlageklassen nachhaltige Angebote finden und nutzen diese offenbar auch. © imago / Ikon Images / Thomas Kuhlenbeck
Mit dem Aktienkauf die Welt retten?
29:37 Minuten
Rendite machen und gleichzeitig Gutes tun: Ökologische Investments, etwa in nachhaltige Börsenfonds, stehen seit Jahren hoch im Kurs. Doch wie nachhaltig sind sie wirklich? Und gehen kapitalistisches Gewinnstreben und Nachhaltigkeit überhaupt zusammen?
„Bei deinem neuen Konto liegt das Geld nicht einfach so in einem Safe im Keller herum oder wird womöglich zur Finanzierung von Waffenherstellern, Plastikproduzenten oder Massentierhaltung genutzt, sondern es wird nachhaltig eingesetzt.“
So wirbt die GLS, Deutschlands älteste Ökobank, um neue Kundinnen und Kunden. Das Bankinstitut, das vor fast 50 Jahren in Bochum gegründet wurde, gilt als Vorreiter des nachhaltigen Investierens. Mit ihren Aktivitäten verfolge die GLS ökologische und gemeinwohldienliche Ziele, erklärt GLS-Banker Lukas Adams. Denn ihrer Kundschaft sei es sehr wichtig, Kapital nicht einfach nur anzulegen, um daraus mehr Geld zu machen, sondern:
„Sie sucht Möglichkeiten, das eigene Kapital in Wirkung zu bringen. Sie möchte sehen, dass beispielsweise erneuerbare Energien damit finanziert werden. Sie möchte sehen, dass Kindergärten dadurch gebaut werden. Sie möchte sehen, dass Dinge, die der Umwelt zugutekommen, gefördert werden.“
"Zukunft ist das beste Investment"
Mit ihrer sozial-ökologischen Ausrichtung scheint die GLS-Bank einen Nerv zu treffen. Allein 2021 hat sie rund 40.000 neue Kundinnen und Kunden dazugewonnen. Das sehen auch andere Banken und Finanzdienstleister und ziehen nach. Nachhaltig investieren ist zum Trend geworden.
„Zukunft ist das beste Investment. Mit Klimavest geben Sie Ihrem Portfolio nachhaltige Relevanz.“
Ob Tages- und Festgeldkonten, Aktienfonds, Anleihen – Privatanleger können inzwischen in allen Anlageklassen nachhaltige Angebote finden und nutzen diese offenbar auch. 2020 haben sie nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlage fast 40 Milliarden Euro in nachhaltige Anlagen investiert - mehr als doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Das meiste davon in Aktien und Anleihen.
Dass nachhaltige Geldanlagen im Mainstream angekommen sind, ist kein Zufall, glaubt Christian Klein. Er ist Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Uni Kassel und seiner Ansicht nach haben vor allem NGOs rund um die Fridays-for-Future-Bewegung dafür gesorgt, dass nachhaltige Finanzen zu einem Thema geworden sind:
„Den Menschen ist klargeworden, es gibt ein großes Thema - das ist der Klimawandel - und das ist nicht nur eine politische Geschichte, sondern es betritt betrifft jeden von uns individuell. Und die Finance-for-Future-Bewegung hat es immer sehr geschickt gemacht, dass sie eben gesagt hat, du kannst etwas tun zum Beispiel mit deinem Konsumverhalten, aber auch mit der Art und Weise, wie du dein Geld anlegst.“
Aktionsplan der EU für nachhaltige Investitionen
Rückenwind kommt auch aus der Politik. Länder wie Deutschland wollen in den nächsten Jahren viel Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, davon profitieren vor allem Unternehmen aus der Wind- und Solarenergiebranche. Und auch die Europäische Union macht viel Druck, damit Europa bis 2050 klimaneutral wird, sagt Christian Klein.
„Die Europäische Kommission lässt aus meiner Sicht seit vier Jahren keinen Zweifel daran, dass sie das mit dem Pariser Klimaschutzabkommen wirklich ernst nimmt. Und sie haben da eine Menge Regulierung auf den Weg gebracht.“
2018 hat die EU einen Aktionsplan vorgelegt, der dafür sorgen soll, dass der Finanzsektor privates Kapital in nachhaltigere Investitionen umlenkt. Zu den Maßnahmen gehört ein Klassifikationssystem, das bewertet, wie nachhaltig einzelne wirtschaftliche Tätigkeiten sind. Mit dieser sogenannten grünen Taxonomie soll erreicht werden, dass Nachhaltigkeit besser gemessen und Finanzprodukte untereinander besser verglichen werden können. Außerdem soll es eine Art grünes Siegel für Finanzprodukte geben und ab August 2022 müssen Bankberater bei der Anlageberatung auch die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundschaft abfragen und ihnen nachhaltige Finanzprodukte anbieten.
„Diese Regulierung wird dafür sorgen, dass wir in Zukunft mehr mit dem Thema nachhaltige Finanzen zu tun haben. Und damit meine ich: wir kleinen Investoren.“
Rendite allein reicht vielen nicht mehr
Christian Kauth ist einer dieser kleinen Investoren. Der 25 Jahre alte VWL-Student aus Mannheim achtet schon seit einigen Jahren darauf, sein Geld nachhaltig zu investieren. Ihm ist wichtig, dass seine Geldanlage nicht nur Rendite bringt, sondern auch dafür sorgt, dass sich sozial etwas bewegt und die Umwelt geschützt wird.
„Bei dem nachhaltigen Investieren geht es quasi darum, den größten Schaden erstmal abzuwenden oder Firmen auszuschließen, die zum Beispiel Waffen herstellen, Alkohol oder andere Sachen produzieren, oder Glücksspiel. Da gibt es ja diese Ausschließkriterien und das finde ich schon ziemlich gut.“
Christian Kauth ist kein radikaler Öko, aber er versucht, einigermaßen nachhaltig zu leben. Irgendwo mal für ein Wochenende hinzufliegen, kommt für ihn beispielsweise nicht in Frage.
„Ich glaube, das mit der Nachhaltigkeit habe ich schon ein bisschen gemacht, bevor das cool war, weil ich schon immer gerne halt ein einfaches, aber schönes Leben leben wollte und mir gar nicht so wichtig war, dass ich so viele Sachen hatte, die jetzt super teuer sind.“
Nachhaltigkeit ist nicht eindeutig definiert
Christian Kauth legt monatlich etwa 1000 Euro an - überwiegend in börsengehandelten Aktienfonds, auch bekannt als ETFs. Da er einen Job als Werkstudent und ein Stipendium hat und recht sparsam lebt, kann er so viel Geld zurücklegen. Mit seiner Geldanlage will er langfristig ein Vermögen aufbauen und für sein Alter vorsorgen.
Seine Investitionen in nachhaltige ETFs sind für ihn aber nur ein Anfang. Denn seiner Ansicht nach gibt es noch viel Luft nach oben. Bei Firmen wie Apple, die in einigen nachhaltigen Aktienfonds zu finden sind, hat er zum Beispiel Zweifel, wie nachhaltig diese tatsächlich sind.
„Im Generellen finde ich es sehr, sehr unrealistisch, dass es so viele Firmen gibt, die nachhaltig wirtschaften. Das steht für mich im krassen Widerspruch zu der Welt, die wir sehen.“
Der Wirtschaftswissenschaftler Christian Klein beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage: Was sind nachhaltige Finanzanlagen?
„Das Kernproblem ist, dass der Begriff Nachhaltigkeit nicht definiert ist und dass wir, gerade wenn wir über soziale und ethische Faktoren reden, völlig unterschiedliche Meinungen haben.“
Ausschlusskriterien: Kinderarbeit, Waffen, Umweltverschmutzung
Entsprechend haben Privatanleger ganz unterschiedliche Ansprüche an nachhaltige Geldanlagen.
„Wir haben die Menschen gefragt: Welche Themen gehen aus deiner Sicht gar nicht? Und das Spannende ist, die Top drei die da immer kommen, sind die gleichen. Das ist Kinderarbeit, das ist im weitesten Sinne Umweltverschmutzung und das sind Waffen, und dann geht es total auseinander.“
Was ist also nachhaltig? Auch die Europäische Union tut sich schwer mit der Antwort. Mit der Einführung der sogenannten Taxonomie wollte sie eigentlich für mehr Klarheit sorgen, stufte dann aber auch Atomenergie und Erdgas als nachhaltig ein. Das stieß auf heftige Proteste. Und zeigt, wie schwierig es ist, Nachhaltigkeit zu definieren.
Ein Problem, mit dem auch Maximilian Horster konfrontiert ist. Horster ist der Chef der amerikanischen Ratingagentur ISS ESG. Das ist eine private Firma, die im Auftrag institutioneller Investoren wie Banken und Vermögensverwaltungen ermittelt, wie nachhaltig einzelne börsennotierte Unternehmen sind. Horster erklärt, welche Informationen in seine Ratings einfließen:
„Wir benutzen Informationen von Unternehmen. Aber wir benutzen eben auch Informationen, die nicht von Unternehmen kommen. Das ist also gerade bei Kontroversen wahnsinnig wichtig, weil Sie eben nicht erfahren werden, wenn ein Chemieunternehmen einen Fluss in Asien verschmutzt. Das erfahren Sie dadurch, dass Sie sich von NGOs informieren lassen, dass Sie Hunderte von Medienquellen lesen zu dem Unternehmen, um auf Themen zu kommen, die das Unternehmen selber nicht in sein eigenes Reporting packt.“
Zielkonflikte bei Nachhaltigkeit
Auf Grundlage dieser Informationen bewertet die Ratingagentur dann zum Beispiel, ob das Geschäftsmodell eines Unternehmens die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen fördert oder ihnen gar zuwiderläuft. Zu diesen Zielen gehören unter anderem der Kampf gegen Armut und Hunger und der Einsatz für Frieden und Geschlechtergleichheit. In vielen der Unternehmen, die die Ratingagentur analysiert, gebe es allerdings Zielkonflikte im Hinblick auf Nachhaltigkeit.
„Produzenten von Elektroautos haben oft Konflikte im Bereich Arbeitsrecht oder Wertschöpfungskette. Erneuerbare Energieproduzenten haben gerade in Entwicklungsländern oft Menschenrechtsthematiken. Pharmaunternehmen, die in irgendeiner Form der Umwelt schaden, aber gleichzeitig vulnerablen Gruppen helfen.“
Diese Widersprüche könne auch die Ratingagentur nicht auflösen, aber zumindest sichtbar machen. Fondsmanagerinnen und -manager ziehen dann die Analysen der Ratingagenturen heran, wenn sie ihre Fonds bestücken. Die Auswahl der als nachhaltig gelabelten Finanzprodukte ist inzwischen sehr groß, das weiß auch auch VWL-Student Christian Kauth:
„Was manchmal ein bisschen schwieriger ist, ist quasi rauszufinden, was sind das jetzt eigentlich für Kriterien? Oder was bedeutet das, wenn da steht: ESG?“
ESG ist ein Kürzel, das häufig genutzt wird, um Finanzprodukte als nachhaltig zu labeln. Es steht für die drei Kriterien Environmental, Social und Governance. In der Kategorie „Environmental“ wird geprüft, wie umweltverträglich die Produktionsbedingungen von Unternehmen sind. Der soziale Aspekt schließt faire Bezahlung und den Ausschluss von Kinderarbeit ein. Und die Kategorie „Governance“ hat beispielsweise im Blick, ob Unternehmen gegen Korruption vorgehen. Das Problem: Welche Aspekte dann im Einzelnen wie streng berücksichtigt werden, bestimmen die Anbieter von Finanzprodukten am Ende selbst.
Ein Konzept mit viel Interpretationsspielraum
Für Anleger ist es nicht einfach, sich in diesem Angebotsdschungel zurecht zu finden. Diese Erfahrung hat auch Christian Kauth gemacht. Er informiert sich im Internet, in einschlägigen Finanzforen und auf Webseiten von Ratingagenturen. Das ist oft mühsam, sagt er. Aber als Ökonomiestudent hat er gewisse Vorkenntnisse, außerdem hat er den Vorteil, dass seine Eltern bei einer Bank arbeiten und er selbst Praktika im Bereich nachhaltige Finanzen gemacht hat.
„Aber ich glaube für Otto Normalverbraucher ist das schon relativ schwierig", sagt er. "Und dann kommt ja auch die Hürde, sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen.“
Denn trotz aller Definitionsversuche bleibt Nachhaltigkeit ein Konzept, das viel Interpretationsspielraum lässt. Beispiel Elektromobilität: Es besteht weitgehend Konsens, dass mehr Elektroautos und weniger Verbrennermotoren nötig sind, um das Klima zu schützen. Aber sind E-Autokonzerne wie Tesla allein deshalb schon nachhaltige Unternehmen? Wie umweltfreundlich ist die Produktion der Batterien? Wie nachhaltig ist ein Geschäftsmodell, das vor allem auf PS-starke Luxuslimousinen setzt? Eine schwierige Frage, die jeder Anleger für sich beantworten muss.
Wer das für sich geklärt hat, steht vor der nächsten Frage: Wieviel meiner Ersparnisse will ich investieren? Und wo genau? In Aktien, in Anleihen? Das wiederum hängt entscheidend von der Frage ab: Wieviel Rendite möchte ich mit meinen Investitionen erzielen? Und wieviel Risiko bin ich bereit, dabei einzugehen? Finanzexpertin Katrin Baur von der Stiftung Warentest empfiehlt:
„Wir denken, dass für die meisten Leute so eine Halbe-halbe-Mischung ganz gut wird, also die Hälfte in sichere Geldanlagen zu stecken und die andere Hälfte in Geldanlagen mit höheren Renditechancen, die dann aber gleichzeitig einfach auch höhere Risiken haben.“
Sicher, aber wenig profitabel: das Tagesgeldkonto
Als sichere nachhaltige Geldanlagen eigneten sich zum Beispiel Tages- und Festgeldkonten bei ökologischen oder Kirchenbanken, sagt Katrin Baur. Aufgrund der gesetzlichen Einlagensicherung sind dort Anlagesummen bis 100.000 Euro geschützt und das Geld ist kurz- oder mittelfristig verfügbar.
Da man auf Sparkonten derzeit allerdings kaum Zinsen bekommt, sind sie für den Vermögensaufbau wenig lukrativ. Auch deshalb investieren immer mehr Deutsche an der Börse. Die Kurse von Aktien und anderen Wertpapieren sind dort jedoch einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt. So werden sie unter anderem durch politische Konflikte beeinflusst. Nach dem Angriff auf die Ukraine etwa stürzten die Aktienkurse weltweit ab – auch die nachhaltiger Unternehmen.
Um das Risiko zu streuen, investieren viele Anleger deshalb in Fonds. Und viele machen es so wie auch VWL-Student Christian Kauth: Sie legen ihr Geld in ETFs an, das sind börsengehandelte Aktienfonds, die bestimmte Wertpapierindizes wie den Deutschen Aktienindex DAX nachbilden. Das Angebot an nachhaltigen ETFs ist mittlerweile sehr groß und sie sind zudem kostengünstig. Auch Maximilian Völkl, Redakteur bei der Anlegerzeitschrift „Der Aktionär“, empfiehlt sie:
„Wenn man da nicht ganz so viel Zeit investieren will, bieten sich natürlich ETFs an. Man kann entweder große Indizes spielen, aber es gibt inzwischen auch viele themenbezogene Indizes. Und gerade im Bereich Green Tech, Green Energy, findet man ein breites Angebot und kann sich sehr gut einen breiten Mix Aktien ins Depot legen und damit von dem Thema grüne Energien profitieren.“
Nur "mittelstrenge" Nachhaltigkeitskriterien bei ETFs
Aufgrund ihrer geringen Kosten empfiehlt auch die Stiftung Warentest ETFs. Katrin Baur gibt aber zu bedenken:
„Jetzt ist es aber so, dass bei nachhaltigen ETF, die sind halt nur mittelstreng. Also wenn einem das ausreicht, dann ist das ein gutes Basisinvestment. Aber wenn man wirklich Wert auf strenge Nachhaltigkeit legt, dann kommen ETF bisher nicht in Frage.“
Das liege unter anderem daran, dass viele ETFs laxere Ausschlusskriterien haben. Im bekannten Nachhaltigkeits-Index MSCI World Socially Responsible Investment, den viele ETFs nachbilden, sind beispielsweise Firmen wie Microsoft und Coca Cola vertreten. Und da fragen sich viele: Was ist an denen so besonders nachhaltig?
Wer nach strengen Nachhaltigkeitskriterien anlegen wolle, müsse sich deshalb im Bereich der aktiv gemanagten Fonds umschauen, sagt Katrin Baur. Die GLS-Bank beispielsweise verspricht, dass sie nur besonders klimafreundliche Firmen mit explizit nachhaltigem Kerngeschäft in ihre Fonds aufnimmt. Ein Nachteil der aktiv gemanagten Fonds ist jedoch: Sie haben höhere Verwaltungskosten als die passiv gemanagten ETFs. GLS-Banker Lukas Adams erklärt, warum das aus Sicht der GLS gerechtfertigt ist:
„Die Forschungsdienstleistungen, die die Analysten im Hintergrund erbringen müssen, um überhaupt zu identifizieren, welche Unternehmen denn bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, das ist aufwendig. Das spart sich der ETF-Anbieter weitgehend, weil das seine Kostenstruktur gar nicht hergibt, wohingegen wir ein sehr aufwendiges und personalstarkes Research eben betreiben. Das schlägt sich natürlich auch in den Kosten der Fonds nieder, weil wir eben jedes Unternehmen oder jedes Rentenpapier, was in unseren Fonds drin ist, vorher auf seine ökologische und soziale Performance abgeklopft haben. Insofern würde ich sagen, Nachhaltigkeit zum Lidl-Preis, um es mal salopp zu formulieren, das ist relativ schwierig.“
Problem: mangelnde Transparenz der Fonds
Sowohl bei nachhaltigen ETFs als auch aktiv gemanagten Aktienfonds gilt es aber, genau hinzuschauen, ob sie einlösen, was sie versprechen, sagt Katrin Baur von der Stiftung Warentest. Denn es komme vor, „dass manche halt sagen: ‚Wir schließen Kohle aus‘. Aber dann erlauben sie doch Umsatzanteile von 30 Prozent mit Kohle. Und das sind Sachen, die findet man als Privatanleger eigentlich fast nicht raus, weil das gar nicht so offen kommuniziert wird.“
Privatanleger Christian Kauth ist dieses Problem bewusst. Er versucht online so viel über die Fonds herauszufinden wie möglich, aber eine wirkliche Lösung hat er auch nicht:
„Ich gucke, was ich in einer gewissen Zeit über den Fonds herausbekomme, und danach muss es halt reichen.“
Wem ETFs oder Aktienfonds trotzdem zu undurchsichtig sind, der kann natürlich Aktien von einzelnen nachhaltigen Unternehmen kaufen. Aber auch da ist die Auswahl nicht einfach. Christiane Hölz arbeitet für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, einen Verein, der Privatanleger vertritt.
"Wenn ich über Aktien direkt investiere, sollte ich mich mit dem Unternehmen beschäftigen. Und ich sollte nicht nur irgendwelche Marketingmaterialien lesen, sondern ich sollte mir tatsächlich angucken: Was macht das Unternehmen eigentlich? Wie sieht der Nachhaltigkeitsbericht aus? Wie sieht der Geschäftsbericht aus? Verstehe ich eigentlich, was das für Produkte verkauft? Und dann habe ich ein gutes Bild von dem Unternehmen und dann kann ich auch, wenn ich meine, dass es das Richtige für mich, darin investieren.“
Gehypte Aktien sind nicht immer die profitabelsten
Das „richtige“ Unternehmen ist natürlich eines, dass sich langfristig erfolgreich entwickelt. Denn wenn es gut wirtschaftet, dann steigen auf lange Sicht seine Aktienkurse und davon profitieren auch die Anlegerinnen und Anleger. Diese Unternehmen zu finden, ist allerdings nicht ganz einfach, weiß auch Maximilian Völkl vom Aktionär:
„Es ist jetzt nicht zwingend so, dass die Aktien, die das größte Interesse bei Anlegern haben, auch zwingend die sind, die am besten laufen an der Börse. Nur, weil man über eine Firma viel liest, heißt es nicht, dass die jetzt für die Geldanlage zwingend auch die Beste ist.“
Denn darum geht es ja auch bei nachhaltigen Investments: Sie sollen sich lohnen, sollen dafür sorgen, dass sich das eingesetzte Geld vermehrt und das eigene Vermögen langfristig größer wird. Christiane Hölz von der DSW hat beobachtet, dass manche nachhaltig orientierte Privatanleger darauf zu wenig achten, dass sie nachhaltige Investments gar mit Renditeverzicht gleichsetzen. Das sei falsch:
„Man sollte nicht versuchen, sein Gewissen damit zu beruhigen, dass man in grüne Unternehmen investiert. Man kann sehr, sehr gut auch in Unternehmen investieren ohne auf Rendite zu verzichten und trotzdem in aus seiner eigenen Perspektive nachhaltige Unternehmen.“
Auch die Rendite muss stimmen
Wirtschaftsprofessor Christian Klein kann das bestätigen. Wer in den letzten Jahren in nachhaltige Anlagen investierte, habe in der Regel nicht schlechter dagestanden als konventionelle Investoren, sagt er. Das zeigten Studienergebnisse:
„In der Vergangenheit haben nachhaltige Geldanlagen finanziell mindestens so gut performt wie konventionelle. Wichtig ist aber, dass das überhaupt nichts fürs die Zukunft zu bedeuten hat.“
Auch Privatanleger Christian Kauth verfolgt mit seiner nachhaltigen Geldanlage ein klares Ziel: Er will sein Vermögen langfristig vermehren. Und bislang, sagt er, ist ihm das auch ganz gut gelungen.
„Ich würde vielleicht akzeptieren, wenn die Rendite vielleicht ein kleines bisschen, 0,5 Prozent oder so, schlechter ist und ich dann in nachhaltige Produkte investiere. Aber natürlich ist klar, dass ich nicht investiere, um irgendwelche guten Taten zu vollbringen, sondern um Vermögen aufzubauen. Von daher sollte da die Rendite schon ungefähr dieselbe sein.“
Die Aussichten sind nicht schlecht: Gerade erneuerbare Energien gelten als besonders lukrative Investments. Vor allem die Wind- und Sonnenenergie soll in den nächsten Jahren stark ausgebaut werden. Erst recht seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, wie auch Bundesfinanzminister Christian Lindner vor Kurzem im Bundestag betonte.
„Erneuerbare Energien leisten nicht nur einen Beitrag zur Energiesicherheit und –versorgung. Erneuerbare Energien lösen uns von Abhängigkeiten. Erneuerbare Energien sind deshalb Freiheitsenergien.“
Viele Aktien nachhaltiger Unternehmen sind überbewertet
Auch diese politische Neueinschätzung könnte der Branche gute Geschäfte bescheren und die Aktienkurse langfristig in die Höhe treiben. Das Problem: Viele Aktien sind schon heute völlig überbewertet, sagt Christiane Hölz von der Aktionärsvereinigung DSW:
„Wir sehen, dass diese Unternehmen relativ hohe Bewertungen haben, weil die Fonds alle versuchen, in diese Unternehmen zu gehen. Diese Bewertungen lassen sich oft aber nicht durch operative Ergebnisse begründen, sondern liegen tatsächlich da dran, dass die Auswahl für die Fonds, um dort zu investieren, relativ gering ist. Und da besteht natürlich die Gefahr eines - Green Crash möchte ich jetzt vielleicht nicht sagen,aber die Überbewertung sehen wir auf jeden Fall.“
Das gilt auch für den Wasserstoffsektor. Für viele eine Zukunftsbranche, die an der Börse heiß gehandelt wird. Ein Beispiel dafür ist der US-amerikanische Brennstoffzellenhersteller Plug Power. Der Aktienkurs des Unternehmens ist in den letzten drei Jahren zwischenzeitlich um das 26-Fache gestiegen. Der aktuelle Börsenwert liegt bei über 14 Milliarden Euro. Dabei erwirtschaftet das Unternehmen nach wie vor Verluste, allein 2020 eine halbe Milliarde Euro. Zwischen November letzten Jahres und Anfang März 2022 hat sich der Wert der Plug-Power-Aktie glatt halbiert. Seit dem Krieg in der Ukraine legt die Aktie wieder leicht zu.
Die meisten Hypes, auch die grünen, erfahren irgendwann eine Korrektur, sagt Maximilian Völkl vom Börsenmagazin „Der Aktionär“:
„Man muss ganz klar sagen, dass teilweise die Bewertungen schon abstrus hoch waren. Da wurden Firmen mit dem 30- oder 40-Fachen ihres Umsatzes bewertet. Gewinne wird es in den kommenden Jahren hier häufig nicht geben. Und das ist dann irgendwann zu teuer. Natürlich kann man sagen: In 20 Jahren wird die Firma die Welt erobern. Aber wenn man ehrlich ist, weiß heute keiner, wer in 20 Jahren die Welt erobert.“
Hoffnung auf langfristigen Gewinn mit Wasserstoffaktien
Christian Kauth setzt auch auf Wasserstoffaktien, weil er sie für eine gute Anlage hält und nicht bloß für einen kurzfristigen Trend. Aber er hat nur einen kleinen Teil seines Geldes auf diese Aktien gesetzt, deshalb sei das Risiko überschaubar, sagt er. Ohnehin spekuliert Christian Kauth nicht auf kurzfristige Gewinne, er ist langfristig orientiert, will in mehreren Jahrzehnten von seinen nachhaltigen Geldanlagen profitieren. Und er hofft, dass das andere Menschen auch tun:
„Man muss halt realistisch sein. Mit dem Geld, mit dem ich investiere, bin ich jetzt nicht optimistisch, dass ich damit irgendwas verändere. Aber ich glaube, wenn viele andere Leute das auch machen und einfach die Nachfrage danach steigt, dann wird auch auf dem Markt deutlich was passieren. Wenn diese kritische Masse erreicht ist, dann werden halt Firmen profitieren, die einfach besser wirtschaften, nachhaltig wirtschaften. Und dann, denke ich, ist das gut fürs Klima und auch gut für die Leute. Und dann werden die Firmen vielleicht auch robuster aufgestellt. Von daher hoffe ich, dass dadurch ein kleiner Wandel eintritt.“
Welche konkreten Wirkungen nachhaltige Geldanlagen haben, wird noch nicht lange erforscht und kontrovers diskutiert. Das weiß auch Lukas Adams von der GLS-Bank, der Vorreiterin des nachhaltigen Investierens in Deutschland. Seiner Ansicht nach kann die GLS Bank aber mit dem Geld, das ihre Kundschaft auf den Sparkonten parkt, sehr wirksam und nachhaltig arbeiten:
„Nehmen wir an, Sie sind im Bereich der Mikrokredite unterwegs. Und Sie können wirklich dadurch Mikrokredite an Unternehmerinnen und Unternehmer beispielsweise in Schwellen- und Entwicklungsländern vergeben und dann wirklich sehen, dass ein Kleinstunternehmen - wir sprechen ja meist von sehr kleinen Unternehmen - eben durch die Kredite, die Sie an dieses Unternehmen vergeben haben, beispielsweise sich eine neue Werkstatt kaufen kann oder im Landbau vielleicht auf ökologischere Ackerbaumöglichkeiten umsteigen kann.“
Was können nachhaltige Aktieninvestments bewirken?
Was aber ist mit dem Geld, das Kleinanleger wie Christian Kauth an der Börse in Einzelaktien oder Aktienfonds investieren. Macht das die Welt nachhaltiger? BWL-Professor Christian Klein ist skeptisch:
„Wenn so ein Portfoliomanager so einen nachhaltigen Fonds bastelt, achtet er darauf, dass die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens beachtet werden. Also überlegt sich bei jeder Geldanlage: Ist das kompatibel mit dem, was das Pariser Klimaschutzabkommen fordert? Und dann legt er am Ende so etwas wie Windkraft und Solarenergie in das Portfolio. Und er kauft eben kein Öl und kein Gas. Und wenn wir uns jetzt die Frage stellen ‚Was ist passiert? Ist jetzt weniger CO2 in der Luft?‘, werden wir sagen, eigentlich überhaupt nicht. Also dadurch, dass Sie am Sekundärmarkt irgendwie einen Windkrafthersteller kaufen, passiert gar nichts.“
Aktien wechselten lediglich ihren Besitzer und die Firma, die die Aktien ausgegeben hat, merke davon erstmal kaum etwas, sagt er. Auch der Chef der Nachhaltigkeitsrating-Agentur ISS ESG, Maximilian Horster, warnt davor, zu glauben, dass die Welt durch nachhaltige Aktieninvestments selbst klimafreundlich wird.
„Die Vorstellung, dass Sie in eine bestimmte Aktie investieren und damit der Welt helfen oder eine bestimmte Aktie verkaufen und damit sozusagen dem Unternehmen schaden, ist ein völliges Missverständnis dessen, wie der Aktienmarkt funktioniert.“
Aktive Investoren können die Unternehmenspolitik verändern
Ganz machtlos seien Aktionäre aber nicht, sagt Horster. Als Miteigentümer des Unternehmens könnten sie ihren Einfluss geltend machen und so auf mehr Nachhaltigkeit drängen:
„Wenn ich als Aktieninvestor eine Auswirkung auf die Welt haben möchte - also wenn es mir nicht darum geht, dass ich mein Portfolio dekarbonisiere, sondern die Welt dekarbonisiere -, da muss ich zwei Sachen machen. Dann muss ich das sogenannte Engagement betreiben. Das heißt, ich muss mit den Unternehmen in Austausch treten und sagen ‚Ich erwarte von euch, dass ihr euch folgende Klimastrategie gebt‘ und ich muss meine Stimmrechte wahrnehmen.“
Dies könne sogar eine gezielte Investmentstrategie sein, sagt Horster: In Unternehmen investieren, die momentan noch nicht oder nur in Ansätzen nachhaltig sind, aber angefangen haben, ihr Geschäftsmodell zu transformieren. Nach dem Motto: Nur wer an dem Unternehmen beteiligt ist, kann auch mitreden.
Diese Strategie verfolgen Aktionärsverbände wie der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Er übt auf Hauptversammlungen stellvertretend für seine Mitglieder gebündelt die Stimmrechte aus und versucht, die Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen – bislang allerdings nur mit begrenztem Erfolg.
"Wenn wirklich viele nachhaltig Geld anlegen, kann das etwas bewegen"
Das könnte sich aber ändern, wenn wirklich viele Menschen in großen Stil nachhaltig Geld anlegen, meint der Wirtschaftsprofessor Christian Klein:
„Wenn wir eine kritische Masse von Investoren hätten, die bereit wären, ausschließlich in nachhaltige Unternehmen zu investieren, dann kann das auf jeden Fall etwas bewegen.“
Denn dann würden die Aktienkurse der nachhaltigen Unternehmen steigen und die der nicht-nachhaltigen sinken, was sich wiederum auf die Finanzierung der Firmen auswirkt:
„Die Idee ist dann Folgende, dass wir quasi einen gespaltenen Kapitalmarkt haben. Wir haben die grünen Unternehmen, die mehr wert sind und für die es leichter ist, sich zu refinanzieren. Und wir haben die braunen Unternehmen, die weniger wert sind. Die braunen Unternehmen haben dann tatsächlich einen Anreiz grüner zu werden, weil sie natürlich auch diese besseren Finanzierungsmöglichkeiten haben wollen.“
Dadurch könnte Stück für Stück die gesamte Wirtschaft nachhaltiger werden. Das ist die Hoffnung. Ein grüner Finanzkapitalismus, der die reale Wirtschaft schrittweise auf Nachhaltigkeit einschwört. Eine schöne Utopie. Aber ist sie auch realistisch?
Vertragen sich Nachhaltigkeit und Profit überhaupt?
Lukas Adams von der Nachhaltigkeitsbank GLS hat da ganz grundsätzliche Zweifel. Natürlich hofft er, dass Finanzinvestoren künftig stärker auf Nachhaltigkeit setzen. Das könnte schon etwas bewirken. Aber ist andererseits nicht der Drang zu Wachstum und Profiten der eigentliche Motor der Börse. Und ist das dauerhaft verträglich mit der Idee nachhaltigen Wirtschaftens?
„Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen - jetzt nicht als GLS-Mitarbeiter, sondern als Lukas Adams - dann würde ich sagen: schwierig. Ich glaube, dass ein System wie der Kapitalismus, was offensichtlich inhärent auf Expansion ausgelegt ist, große Probleme damit hat, sozial-ökologische Ziele und sein eigenes Wachstum miteinander zu vereinen. Weil Wachstum bedeutet ja in den allermeisten Fällen Ressourcenverbrauch und Ressourcenverbrauch ist natürlich grundsätzlich erst mal ein Problem im Sinne des Ressourcenschutzes. Ich sehe da auf jeden Fall einen Zielkonflikt, definitiv.“
Kleinanleger Christian Kauth glaubt, dass es trotzdem besser ist, sein Geld nur in Unternehmen zu investieren, die nachhaltig wirtschaften. Auch wenn man damit allein die Welt nicht retten kann.
„Man sollte sich nicht so fühlen, dass man jetzt Aktivist ist, weil man sein Geld nachhaltig anlegt. Aber es ist immer noch besser, als es nicht nachhaltig anzulegen. Und wenn es Leute dazu bewegt, sich um Altersvorsorge und Vermögensaufbau zu kümmern, dann ist das, glaube ich, in Deutschland allgemein eine sehr gute Entwicklung.“