Flaschensammeln für Mindestlohn
Am Berliner Flughafen Tegel sammeln seit Kurzem Langzeitarbeitslose als "Pfandbeauftragte" die Flaschen ein, die im Sicherheitsbereich anfallen. Der Erlös geht an die Berliner Tafel - und die Pfandbeauftragten erhalten Mindestlohn.
Unterwegs mit Michael Evert und Susanne Pieske in einer der Abflughallen in Berlin-Tegel. Beide tragen Jeans und T-Shirt, darüber ihre nagelneuen orangefarbenen Westen mit dem 'Spende Dein Pfand'-Aufnäher. Zielgerichtet steuern sie die Sicherheitsschleuse an.
Susanne Pieske: "Sie sehen jetzt, wenn sie rein kommen, links die vollen Tonnen, und wir gehen jetzt an der Seite zu den Securitas und bitten die, uns da rein zu lassen und die Tonne auszutauschen."
Die beiden haben eine Sackkarre dabei: darauf ein leerer Plexiglasbehälter.
- "Hi, hi."
- "Guten Tag."
- "Wir würden ganz gern die Tonnen tauschen."
- "Kleenen Moment bitte."
- "Guten Tag."
- "Wir würden ganz gern die Tonnen tauschen."
- "Kleenen Moment bitte."
"Jede Flasche ein Brötchen"
Susanne Pieske und Michael Evert sind die ersten sogenannten Pfandbeauftragten am Flughafen Tegel. Langzeitarbeitslose, die nun endlich wieder einen Job haben: Pfandflaschensammeln. Flüssigkeiten dürfen nur in ganz geringen Mengen durch die Sicherheitsschleuse, darum sind die Mülleimer vor der Kontrolle oft randvoll mit Pfandflaschen. Eine junge Frau trinkt noch schnell einen Schluck und wirft ihre Flasche in den fast vollen Behälter.
"Ist doch super, bevor ich es wegschmeiße. Keine Ahnung, in Hamburg gibt man das den Obdachlosen oder so."
Da der Sicherheitsbereich am Flughafen Tegel nur mit gültiger Bordkarte betreten werden darf, haben die üblichen Flaschensammler hier keine Möglichkeit, das Pfand einzusammeln. Also landeten die Plastikflaschen bisher auf dem Müll. Jetzt gibt es das Projekt 'Spende Dein Pfand'. Der Erlös kommt allerdings nicht den Sammlern zu Gute, sondern der Berliner Tafel. Michael Evert ist begeistert:
"Jede Flasche ein Brötchen. Kann man sagen, nicht? Immer 25 Cent, das ist eine Schrippe, ein Brötchen, viere ist ein Brot, sechse ein halbes Pfund Butter, so muss man rechnen, nicht?"
Knapp 10.000 Euro in drei Wochen
Knapp 10.000 Euro sind in den ersten drei Wochen zusammen gekommen. Großartig, sagt Antje Trölsch von der Berliner Tafel, da passt einfach alles: sorgsamer Umgang mit den Ressourcen, Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen, und das Geld könne der spendenbasierte Verein auch gut gebrauchen.
"Wir werden natürlich unsere Arbeit damit finanzieren, mit allem was anfällt, aber das allererste, was wir auch dringend benötigen, ist eine neue Kühlzelle.Wir wollen natürlich verhindern, dass uns die Lebensmittel verderben."
Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg ist froh, dass durch die hauptamtlichen Pfandflaschensammler nun weniger Müll anfällt. Die räumliche Enge und die dezentralen Sicherheitskontrollen in Berlin-Tegel machten es zwar schwer, geeignete Standorte für die Sammelbehälter zu finden. Aber jetzt sind sie genehmigt, sagt Projektleiter Philipp Friedrich, acht stehen schon, sechzehn werden es insgesamt:
"In erster Linie freuen wir uns erstmal drüber, dass der Pfanderlös einem gemeinnützigen Zweck zugute kommt und dass wir dadurch Leute in Arbeit bringen, auch sichtbar für die Öffentlichkeit werden, die Kollegen tragen orangefarbene Westen, haben einen offiziellen Flughafenausweis, sind also Teil unserer Flughafenfamilie, das ist erstmal das allerallererste und wichtigste in diesem Projekt."
Mehr Geld und Selbstbewusstsein
Michael Evert: "Jetzt bin ich der erste Pfandbeauftragte. In Berlin. Ist cool, ja, ja, nicht?"
Die beiden offiziellen Flaschensammler laden das Leergut auf einen Transporter. Wie ihr etwas älterer Kollege war auch die 49-jährige Susanne Pieske zuletzt lange arbeitslos. Jetzt ist sie 30 Stunden die Woche in Tegel und bekommt den Mindestlohn – ab 01. August neun Euro die Stunde.
"Das reicht für mich. Weil: die Kinder sind groß, und dann kommt man damit klar. Miete muss abgedeckt sein, man muss was zu essen haben, und der Rest ist nicht wichtig. Und man muss selber auch glücklich sein. Und ich denke mir, allein dadurch, dass man nicht mehr in der Wohnung rumsitzt, erübrigt sich das ganz von allein. Ungemeines Selbstbewusstsein, würde ich sagen, ist aufgebaut worden."
Finanzierung durch Jobcenter und Landesmittel
Auf ein Jahr ist das Projekt angelegt – vorerst. Finanziert werden die Stellen durch Jobcenter- und Landesmittel, den Arbeitsvertrag machen die Pfandbeauftragten mit dem Bildungs- und Beschäftigungsträger Goldnetz. Elf Langzeitarbeitslose konnten bisher angestellt werden, erzählt Karin Pfluger von Goldnetz, für weitere neun stehen die Mittel bereit. Dazu gibt es auch praktische Hilfe.
"Das sind ja Menschen, die brauchen zum Beispiel Unterstützung, was die Strukturierung der Arbeit angeht, also in diese wirklich eng getakteten Abläufe sich einzufinden, dass muss man sich vorstellen, wenn jemand zehn Jahre zuhause war, dann sind so Themen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit sagen wir mal so nicht selbstverständlich…"
Susanne Pieske: "Das war nicht schwer, weil ich kein Mensch bin, wo lange schläft. Ich bin ein Frühaufsteher schon immer gewesen. Das heißt wenn um fünf der Wecker klingelt, das ist für mich keine Hürde. Stehe ich auf, und dann ist gut."