"Slubfurt", das Utopia an der Oder
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Seit 20 Jahren gibt es "Slubfurt": eine fiktive Stadt aus Słubice und Frankfurt (Oder), initiiert von Michael Kurzwelly. Mit dem Fantasieort kam viel bürgerschaftliches Engagement in die Grenzregion. Und Kurzwelly erhielt den Bundesverdienstorden.
Die Liebe führte den Künstler Michael Kurzwelly 1990 vom Rhein nach Polen; seither hat ihn die Beschäftigung mit der deutsch-polnischen Nachbarschaft nicht mehr losgelassen. Schon früh fragte er sich: "Warum definieren wir uns eigentlich über Nationalstaaten oder Deutschsein, Polnischsein, Französischsein?"
Utopia an der Oder
Als Antwort gründete er 1999 "Slubfurt": einen fiktiven Ort, zusammengesetzt aus den Stadtnamen Slubice und Frankfurt (Oder). Aus der einstigen Kunstaktion, die von einem Verein getragen wird, ist längst ein grenzüberschreitendes Projekt geworden. "Slubfurt" verfügt über ein eigenes Parlament, eine eigene Sprache, ein eigenes Grundgesetz, entworfen von Studierenden der Europa-Universität Viadrina. Die wichtigste Zielsetzung: "Die Offenheit für alle. Jeder, der sich als Slubfurter fühlt, ist sofort Slubfurter." Michael Kurzwelly bezieht damit auch Geflüchtete mit ein. Das brachte ihm und seinen Mitstreitern viel Kritik ein.
Angriff von Rechts
Eine rechtsextremistische Gruppierung schickte ihm eine Postkarte mit der Aufforderung: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen. Gutschein für alle Überfremdungs-Befürworter Richtung Afrika."
Kurzwelly kennt derartige Angriffe: Nationale und konservative Kräfte beiderseits der Oder lehnen das idealistische Utopia ab. "Slubfurt" und sein zweites Projekt, das fiktive Land "Nowa Amerika", ebenfalls in der Grenzregion gelegen, sind für sie Verschwendung von Steuergeldern. Der 56-jährige Aktionskünstler lässt sich davon nicht beirren. Er will sein Projekt jenseits der traditionellen Nationalstaaten weiterentwickeln. "Ich glaube, das hat eine besondere Relevanz, wenn wir auf die aktuellen Herausforderungen von Klimawandel über Globalisierung bis hin zu den entfesselten Märkten sehen, auf die ein Nationalstaat sowieso nicht mehr adäquat regieren kann."
Im Mai erhielt Michael Kurzwelly Anerkennung von höchster Stelle: Sein Engagement für ein "gelebtes Grundgesetz" zeichnete der Bundespräsident mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland aus.