Happening-Splitter der Geschichte
Das Happening ist eine künstlerische Praxis, die heute etwas in Vergessenheit geraten ist. Das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie versucht eine Reanimation der flüchtigen Bewegung mit ihren drei wichtigsten Protagonisten.
Ja, das waren noch Zeiten, als Joseph Beuys 1965 einem toten Hasen die Kunst erklärte, als sich Bazon Brock bei seinen legendären "Action teachings" strampelnd auf dem Teppich wälzte und Wolf Vostell in der Kölner Innenstadt einen Opel Kapitän dauerhaft parkte, indem er das Gefährt einbetonierte.
Beuys, Brock, Vostell - Action war da garantiert. Jeder der drei hatte sein Päckchen zu tragen. Beuys, der ehemalige Soldat, der neben seiner künstlerischen Botschaft etliche Lebenslügen mit sich herumtrug; Vostell, der sich das Schicksal der Juden so zu Herzen nahm, als hätte es ihn selbst getroffen; und Brock, der als Kriegskind Munitionskisten geschleppt hatte und noch heute Granatsplitter im Körper trägt. Beuys und Vostell sind tot, Brock ist noch da, ein vitaler Veteran von 78 Jahren.
"Jeder musste auf irgendeine Weise aufarbeiten, wie die Nachkriegs-Bundesrepublik mit diesen Grunderfahrungen umgegangen ist. Und unsere Formel hieß dann: Werk ist abgelegtes Werkzeug. Wir sind Werkzeugmacher, und unsere Werkzeuge sind eben die Bilder und die Sprachformen und die Musikalität etcetera."
Der Kunstbegriff war aufgelöst, das ganze Leben war plötzlich Kunst, die sich äußerte in Happening, Aktion, Protest, Polemik und Performance, im Hörsaal, auf der Straße, in den Galerien. Es zählte nicht das fertige Werk, sondern das richtige Bewusstsein, und das Publikum war Teil dieses Prozesses, der sich gegen das Schweigen der Väter richtete und die Sprachlosigkeit der etablierten Kunst. Und die Künstler spürten, dass sie was bewegen konnten.
"Denn wenn Diktatoren wie Stalin oder Hitler Künstler verfolgten, weil sie meinten, deren Arbeit könne ihr Reich stürzen, dann war die höchste Bestätigung für die Wirksamkeit von Kunst gegeben. Und das war die Basis für unser Selbstbewusstsein."
Die Rollenverteilung war klar:
"Beuys war der geborene Pädagoge; Vostell, der aus der Werbung kam, war der geniale Propagandist, und ich war der Polemiker."
Begnadete Selbstdarsteller waren sie alle drei. Brock, ein streitbarer Theoretiker, der von sich selber sagt, er sei ein "Künstler ohne Werk", war der einzige, der in Zivil auftrat; Beuys gab mit Hut und Anglerweste den Heilsbringer, Vostell hatte sich mit Pelzkappe und Ringellöckchen zum intellektuellen Juden stilisiert - ein personifizierter Dauerprotest gegen den Holocaust. Kunst war ihnen nichts weiter als ein Lehrmittel, ein Werkzeug zur Bewusstseinsveränderung.
"Wir wollten die Leute dazu erziehen, von sich aus so etwas wie ihre Weltsicht als ihre Identität darzustellen."
Nun gut, das alles ist vorbei, und die Karlsruher Schau gibt sich jetzt alle Mühe, die alten Zeiten herbeizuzitieren. 42 kantige Podeste hat man, wie Splitter der Geschichte, chaotisch in den Raum geklotzt, jede steht für eine Aktion. Es geht um ästhetischen Aufstand, Antikriegskunst, Medien- und Konsumkritik, man kann in Gummistiefeln durch ein Wasserbecken waten, es flimmern Fernsehschirme, und über allem schwebt ein echter "Starfighter" von der Decke, gut fünf Tonnen schwer. Vostell wollte den Jagdbomber 1977 auf das Dach der "documenta" stellen, den Veranstaltern war das damals zu brisant. Heute juckt das keinen mehr. Rund 60 000 Euro haben alleine Transport und Installation des Fliegers gekostet - politisch korrekt ist das Spektakel sicher nicht. Auch Beuys' berühmte Honigpumpe hat man ausgegraben - als Relikt, nicht in Aktion, sagt ZKM-Chef Peter Weibel:
"Wir zeigen eigentlich nur die Spuren und die Dokumente, die filmischen und fotografischen, auch die objekthaften Spuren und Dokumente dieser Zeit. Wir versuchen, das Publikum selber zu Zeitgenossen zu machen."
So recht gelingen will das nicht. Die Zeit kehrt nicht zurück, wenn Schauspieler eine Diskussion von Beuys und Brock zum Originalton von 1984 lippensynchron nachsprechen; die kalte Leiche wird trotz solcher Reanimationsversuche nicht wieder warm. Und Bazon Brock, dem das Museum ja eigentlich suspekt war, zeigt sich erstaunlich flexibel in der Umdeutung seiner Theorien, wenn er heute sagt:
"Musealisierung ist die modernste aller Zivilisationsstrategien."
Immerhin, Brock tingelt noch immer wortgewaltig durch die Museen, und das Publikum, das er rhetorisch an die Hand nimmt, hängt an seinen Lippen.
"Also das Publikum in dieser Hinsicht ist besser als das der 60er Jahre."
Und wenn er so zurückblickt, der alte Kommunikationskünstler, dann hat sich für ihn die Mission erfüllt:
"Die 68er-Generation ist die erfolgreichste Generation der gesamten Geschichte. Alles, was gefordert wurde, buchstäblich alles - man kann nichts finden, was sich nicht erfüllt hat - hat sich erfüllt. Ich meine, was kann eine Generation für eine noch größere Bestätigung ihres Wirkens auf Erden haben!"