Akustische Reise zum "Mönch am Meer"

Caspar David Friedrichs Mensch in einsamer Seelandschaft

Chef-Restauratorin Kristina Mösl präsentiert das restaurierte Gemälde "Mönch am Meer" am 3. Februar 2016 in der Alten Nationalgalerie Berlin.
Chef-Restauratorin Kristina Mösl präsentiert das restaurierte Gemälde "Mönch am Meer" am 3. Februar 2016 in der Alten Nationalgalerie Berlin. © picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka
Von Hans von Trotha |
Drei Jahre lang dauerte die Restaurierung des Gemäldes "Mönch am Meer" von Caspar David Friedrich, das dem romantischen Maler damals zum Durchbruch verhalf. Nun ist es wieder in der Alten Nationalgalerie zu besichtigen. Ein Feature über ein Bild und seine Wirkung.
Kind: "Ich sehe ein Meer, einen Menschen davor, der am Land steht, und Himmel und Wolken. Und das Meer ist nicht gerade ruhig."
Junge Frau: "Das finde ich jetzt schwierig. Ich sehe irgendwie 'e blaue Weite... Also, es ist faszinierend, dass sozusagen der Fokus des Bildes gar nicht beim Menschen ist, sondern in diesem Himmel oder in dem Wolkengebilde. Da ist das Licht. Der Mensch ist total im Abseits, im Dunkeln."
Restauratorin Kristina Mösl: "Kurze Bildbeschreibung. Dargestellt ist eine einsame Seelandschaft, in der ein Mensch, vermutlich ein Mönch, sinnend am Meeresstrand steht und auf das Meer hinausblickt. Es umschwirren ihn einige Möwen. Der Himmel reißt gerade auf. Es gibt Wolken, die werden von der Sonne angestrahlt, sodass sich insgesamt ein bildbeherrschender Blauton ergibt."
Junge Frau: "Das kann jeder überlegen, ob's was bedeutet."
(Geräusch Möwen)
Kind 2: "Ich sehe auch einen Mönch mit Meer, ein paar Hügel, wo der Mönch steht, Stein und Wellen … hmm … ein paar Vögel."
Kind 1: "Ja, ein paar Vögel. Aber keine Schiffe."
(Geräusch Möwen)
Autor: Als das Bild nicht frisch restauriert in der Alten Nationalgalerie in Berlin hing, sondern gerade erst fertiggestellt und erstmals öffentlich zu sehen war, beauftragte der Redakteur der Berliner Abendblätter am 12. Oktober 1810 zwei junge Autoren, die Akademieausstellung zu besuchen, um von dort zu berichten.
Restauratorin Kristina Mösl: "1810 in der Akademie, das Haus war damals dort, wo jetzt die Stabi ist … die Stabi Unter den Linden."
Autor: Der Name des Redakteurs - Heinrich von Kleist. Die beiden von ihm beauftragten Autoren waren Clemens Brentano und Achim von Arnim. Besonders wichtig war dem Redakteur offenbar eine Landschaft in Öl von Caspar David Friedrich.
Junge Frau: "Ich finde, das Bild wirkt einerseits bedrohlich, dadurch dass es sehr dunkel ist und die Wellen ja auch irgendwie bedrohlich … also zwar sanft dahinschwappen, aber irgendwie auch sehr dunkel gehalten sind, und gleichzeitig sehr göttlich und hell, weil der Himmel ja auch einen großen Raum des Bildes einnimmt, und dazwischen halt der Mönch als verbindendes Element zwischen Erde und Wasser, aber er kommt nicht an den Himmel ran.
Es ist halt die totale Weite. Oder die Unendlichkeit von einerseits Land, von Wasser, von Himmel, also von allen Elementen, die man sich hier drin vorstellen kann."
Zitat Brentano: "Es ist herrlich, in unendlicher Einsamkeit am Meeresufer unter trübem Himmel auf eine unbegrenzte Wasserwüste hinzuschauen."
Autor: Clemens Brentano, "Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner".
Zitat Kleist: "Herrlich ist es, in einer unendlichen Einsamkeit am Meeresufer, unter trübem Himmel, auf eine unbegrenzte Wasserwüste, hinauszuschauen."
Autor: Heinrich von Kleist, "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft".
Brentano: "… und dazu gehört, daß man dahin gegangen, daß man zurück muß, daß man hinüber möchte, daß man es nicht kann, daß man alles zum Leben vermißt, und seine Stimme doch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, in dem einsamen Geschrei der Vögel vernimmt"
Autor: Clemens Brentano – der Autor.
Kleist: "Dazu gehört gleichwohl, daß man dahin gegangen sei, daß man zurück muß, daß man hinüber möchte, daß man es nicht kann, daß man alles zum Leben vermißt, und die Stimme des Lebens dennoch im Rauschen der Flut, im Wehen der Luft, im Ziehen der Wolken, dem einsamen Geschrei der Vögel, vernimmt."
Autor: Heinrich von Kleist – der Redakteur.
Da redigiert der eine Romantiker den anderen.
Brentano: "... dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, den einem die Natur tut."
Autor: Brentano.
Kleist: " … Dazu gehört ein Anspruch, den das Herz macht, und ein Abbruch, um mich so auszudrücken, den einem die Natur tut."
Autor: Kleist.
Er redigiert den Text von Brentano nur in Nuancen, wie es zunächst den Anschein hat.
Brentano: "Dieses aber ist vor dem Bild unmöglich."
Kleist: "Dies aber ist vor dem Bilde unmöglich."
Autor: Doch dann kommt es zum Bruch, innerhalb des Textes - fast wohl auch zum Bruch zwischen Autor und Redakteur, zwischen dem einen und dem anderen Autor der Romantik.
Brentano: "… und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde… "
Kleist: "… und das, was ich in dem Bilde selbst finden sollte, fand ich erst zwischen mir und dem Bilde… "
Brentano: "… nämlich einen Anspruch, den mir das Bild tat, indem es denselben nicht erfüllte… "
Kleist: "… nämlich einen Anspruch, den mein Herz an das Bild machte, und einen Abbruch, den mir das Bild tat… "
Brentano: "… und so wurde ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blickte, die See, fehlte ganz."
Kleist: "… und so ward ich selbst der Kapuziner, das Bild ward die Düne, das aber, wo hinaus ich mit Sehnsucht blicken sollte, die See, fehlte ganz. Nichts kann trauriger und unbehaglicher sein, als diese Stellung in der Welt: der einzige Lebensfunke im weiten Reiche des Todes, der einsame Mittelpunkt im einsamen Kreis. Das Bild liegt, mit seinen zwei oder drei geheimnisvollen Gegenständen, wie die Apokalypse da, als ob es Youngs Nachtgedanken hätte, und da es, in seiner Einförmigkeit und Uferlosigkeit, nichts, als den Rahm, zum Vordergrund hat, so ist es, wenn man es betrachtet, als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären."
Autor: Der in den Berliner Abendblättern abgedruckte Text ist mit dem Kürzel cb.
Brentano: Clemens Brentano
Autor: … gezeichnet. Die Version seines Textes, die Brentano in der Zeitung liest, bringt ihn allerdings derart auf, dass sich sein Redakteur zu einer Erklärung genötigt sieht. Diese erscheint zehn Tage später, am 22. Oktober 1810:
Kleist: "Erklärung: Der Aufsatz Hrn. L.[udwig] A.[chim] v. A.[rnims] und Hrn. C.[lemens] B.[rentanos] über Hrn. Friedrichs Seelandschaft war ursprünglich dramatisch abgefaßt; der Raum dieser Blätter erforderte aber eine Abkürzung, zu welcher Freiheit ich von Hrn. A.(chim) v.(on) A.[rnim] freundschaftlich berechtigt war. Gleichwohl hat dieser Aufsatz dadurch, daß er nunmehr ein bestimmtes Urtheil ausspricht, seinen Charakter dergestalt verändert, daß ich, zur Steuer der Wahrheit [...] erklären muß: nur der Buchstabe desselben gehört den genannten beiden Hrn.; der Geist aber, und die Verantwortlichkeit dafür, so wie er jetzt abgefaßt ist, mir. H.(einrich. v.(on) K.(leist)"
Frau: "Ich finde, man sieht diesem Mönchskopf dieses große Fragezeichen an. Ich finde, dieses Bild hat auch so ein großes Fragezeichen, was auf diesen Mönchskopf zurückgeht."
Dame mit dänischem Akzent: "Ich wollte sagen, dass dieser Mönch, man kann nicht sehen, ob er im Himmel steht, oder wo er ist. Und das Meer ist sehr, sehr schwarz. Und da ist viel Religiosität in diesem Bild."
Autor: Erst lang nach Kleists Tod, im Jahr 1828, veröffentlichten Achim von Arnim und Clemens Brentano in der Zeitschrift Iris den Text, den sie ursprünglich bei Kleist eingereicht hatten.
Brentano: Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner.
Autor: Brentanos Text geht nach den von Kleist übernommenen einführenden Worten in eine Textform über, die man heute als O-Ton-Collage bezeichnen würde.
Brentano: "Dieser wunderbaren Empfindung nun zu begegnen, lauschte ich auf die Äußerungen der Verschiedenheit der Beschauer um mich her, und teile sie als zu diesem Gemälde gehörig mit, das durchaus Dekoration ist, vor welchem eine Handlung vorgehen muß, indem es keine Ruhe gewährt."
Autor: Was Brentano hier formuliert, ist die romantische Vision einer Kunstkritik, die ein Kunstwerk nicht etwa kommentiert, sondern weiterentwickelt, idealerweise vollendet.
200 Jahre später hängt das Bild nach aufwendiger Restaurierung wieder in der Alten Nationalgalerie, Kristina Mösl ist eine der beiden Restauratorinnen:
Kristina Mösl: "Also, ich lausche schon, wenn ich hier kleinere Führungen mache, … ich höre schon auch, was die Leute so erzählen, und das finde ich schon ausgesprochen spannend, weil es ein Beleg dafür ist, dass diese Werke immer noch faszinieren und immer noch anrühren und immer noch Fragen aufwerfen und auch einen sprachlos teilweise hinterlassen."
Besucher: "Der Mönch ist natürlich superüberwältigend. Friedrichs Landschaften finde ich prinzipiell unglaublich. Und hier ist es in so einer Urgewalt realisiert, dieses Blau, dieses Meer, dass es mich da richtig reinzieht."
Kristina Mösl: "Ich sehe dann zu meinem großen Entzücken durchaus auch Paare, die in trauter Zweisamkeit sprachlos vor diesen Bildern stehen."
Brentano: Eine Dame und ein Herr, welcher vielleicht sehr geistreich war, traten auf; die Dame sah in ihr Verzeichnis und sprach:
Dame: Nummer zwei: Landschaft in Öl. Wie gefällt sie Ihnen?
Herr: Unendlich tief und erhaben.
Dame: Sie meinen die See, ja die muß erstaunlich tief sein, und der Kapuziner ist auch sehr erhaben.
Herr: Nein, Frau Kriegsrat, ich meine die Empfindung des einzigen Friedrichs bei diesem Bilde.
Dame: Ist es schon so alt, daß er es auch gesehen?
Herr: Ach, Sie mißverstehen mich, ich rede von dem Maler Friedrich; Ossian schlägt vor diesem Bilde in die Harfe.
Brentano: Ab. Zwei junge Damen treten auf.
Autor: Brentano beobachtet, was sich anno 1810 vor dem Bild zuträgt. Schon damals war nicht das Bild allein das Ereignis, sondern vor allem das, was es bei den Besucherinnen und Besuchern auslöste.
Erste Dame: Hast du gehört, Louise? das ist Ossian.
Zweite Dame: Ach nein, du mißverstehst ihn, es ist der Ozean.
Erste Dame: Er sagte aber, er schlüge in die Harfe.
Zweite Dame: Ich sehe aber keine Harfe. Es ist doch recht graulich anzusehen.
Brentano: "Ab. Zwei Kunstverständige."
Erster Kunstverständiger: Ja wohl, graulich, es ist alles ganz grau; wie der nur solche trockene Dinge malen will!
Zweiter Kunstverständiger: Sie wollen lieber sagen, wie er so nasse Dinge so trocken malen will.
Erster Kunstverständiger: Er wird es wohl so gut malen, als er kann.
Brentano: "Ab."
Ein Herr: "Ich finde es sehr viele Farben, wenn man genau schaut. Es sind sehr viele Blautöne, sehr viele Grüntöne, aber auch verdeckt durchleuchtende Rottöne."
Restauratorin Kristina Mösl: "Es sind gar nicht so wenige Farben, denn wir haben festgestellt, zum Beispiel dieses Dünengras, das ist vierfarbig, in Zahlen: vier. Das möchte man ja gar nicht so meinen, aber es gibt zwei verschiedene Grüntöne und zwei verschiedene Rot- beziehungsweise Gelbtöne. Das sieht man nur, wenn man sich dem Ganzen sehr stark nähert, aber es gibt so ein tiefes Flaschendunkelgrün und ein mittleres Grasgrün, und es gibt terrakottafarbene Punkte und ockerfarbene Punkte, und es kommt natürlich das berühmte Blau hinzu, es kommt ein Ocker im Meeresbereich hinzu, so dass das Meer etwas grüner wirkt. Er hat Bleiweiß verwendet. Die Palette ist durchaus reichhaltiger, als man auf den ersten Blick so denkt."
Brentano: Eine junge Frau mit zwei blonden Kindern und ein Paar Herrn treten auf.
Herr: Herrlich, herrlich, dieser Mann ist doch der einzige, der in seinen Landschaften ein Gemüt ausdrückt, es ist eine große Individualität in diesem Bilde, die hohe Wahrheit, die Einsamkeit, der trübe schwermuts-volle Himmel, er weiß doch, was er malt.
Zweiter Herr: Und malt auch, was er weiß, und fühlt es, und denkt es, und malt es.
Erstes Kind: Was ist denn das?
Erster Herr: Das ist die See, mein Kind, und ein Kapuziner, der daran spazieren geht und traurig ist, daß er keinen so artigen Jungen hat wie du.
Zweites Kind: Warum tanzt denn der Kapuziner nicht vorn herum, warum wackelt er nicht mit dem Kopfe, wie im Schattenspiel? Das wäre doch schöner.
Erstes Kind: Es ist wohl so ein Kapuziner, der das Wetter anzeigt, wie der vor unserm Fenster?
Zweiter Herr: Nicht ein solcher, mein Kind, aber auch er zeigt das Wetter an, er ist die Einheit in der Allheit, der einsame Mittelpunkt in dem einsamen Kreis.
Erster Herr: Ja, er ist das Gemüt, das Herz, die Reflexion des ganzen Bildes in sich und über sich.
Brentano: ... zur Dame:
Erster Herr: … aber, meine Liebe, Sie sagen ja gar nichts.
Dame: Ach, es war mir vor dem Bilde wie zu Haus, es rührt mich recht, es ist doch recht natürlich, und als Sie so sprachen, war es mir gerade so undeutlich wie sonst, wenn ich mit unseren philosophischen Freunden am Meere spazieren ging; nur wünschte ich, daß eine frische Seeluft wehte und ein Segel herantriebe, und daß ein Sonnenblick niederglänzte und das Wasser rauschte; so ist mirs als wie Alpdrücken und Sehnsucht nach dem Vaterland im Traum; kommt weiter, es macht mich traurig.
Brentano: Ab.

(Atmo Möwen)
Kind 1: "Also, es ist irgendwie ein bisschen gruselig. … Naja, es sind nur dunkle Farben. Und es sieht aus, als würde der sich gleich, also der Mönch sich gleich ins Meer stürzen."
Ein Herr: "Ich sehe die Ausgesetztheit des Menschen, symbolisiert in den Mächten der Natur. Das dunkle Meer, der fast blaue Himmel und dazwischen eine nebulöse, nicht zu durchschauende Wand der Wolken."
Brentano: Während der ganzen Zeit hatte ein glimpflicher langer Mann mit einigen Zeichen von Ungeduld zugehört; ich trat ihm etwas auf den Fuß und er antwortete mir, als ob ich ihn dadurch um seine Meinung befragt hätte.
Herr: Es ist gut, daß die Bilder nicht hören können, sie hätten sich sonst schon längst verschleiert; die Leute gehen gar zu unzüchtig mit ihnen um und sind fest überzeugt, sie ständen hier wegen eines geheimen Verbrechens am Pranger, das die Zuschauer durchaus entdecken müssen.» –
Eine Dame: "Also, ich bin auf das Bild - ich kenne das schon lange und mag´s auch schon lange und habe es noch einmal ganz neu wahrgenommen, als vor zehn Jahren oder so hier in dem alten Guggenheim Unter den Linden, da war das so in eine Reihe gestellt mit abstrakter Malerei, mit Mark Rothko und anderen. Und das fand ich echt ne Entdeckung."
Kristina Mösl: "Da ist es ja relativ einfach, was einen da so sprachlos macht, denn der Mönch selbst ist ja auch ein Sprachloser. Er hat ja zwar die Hand am Kinn, er hat das Kinn in die Hand gestützt, das ist ja so ein alter Denkergestus, nichtsdestotrotz verweist das aber natürlich auch darauf, dass er den Mund mit Sicherheit geschlossen hat und still vor sich hindenkt. Also, diese Sprachlosigkeit, die geht durchaus auch auf den Besucher über. Es hinterlässt einen auch sprachlos, dass auf dem Gemälde eigentlich, um es mal ganz salopp zu sagen, ja eigentlich nichts drauf ist. Friedrich hat einem ja keine Motive mehr gegeben, an denen sich das Auge sich so festhalten könnte. Und das hinterlässt einen sehr sprachlos, denn das ist ja auch extrem modern. Das hat ja nicht nur Mark Rothko wieder entdeckt, sondern das haben schon die Zeitgenossen entdeckt, dass das ein Novum ist."
Brentano: "Aber was meinen Sie denn eigentlich von dem Bilde?" fragte ich.
Herr: Es freut mich…
Brentano: … sagte er, …
Herr: … daß es noch einen Landschaftsmaler gibt, der auf die wunderbaren Konjunkturen des Jahres und Himmels achtet, die auch in der ärmsten Gegend die ergreifendste Wirkung hervorbringen…"
(Musik)
Autor: Heinrich von Kleist hatte unter dem Kürzel cb ...
Brentano: Clemens Brentano
Autor: ... hinzugefügt:
Kleist: "Gleichwohl hat der Maler zweifelsohne eine ganz neue Bahn im Felde seiner Kunst gebrochen; und ich bin überzeugt, daß sich, mit seinem Geiste, eine Quadratmeile märkischen Sandes darstellen ließe, mit einem Berberitzenstrauch, worauf sich eine Krähe einsam plustert, und daß dies Bild eine wahrhaft Ossiansche oder Kosegartensche Wirkung tun müßte. Ja, wenn man diese Landschaft mit ihrer eignen Kreide und mit ihrem eigenen Wasser malte; so, glaube ich, man könnte die Füchse und Wölfe damit zum Heulen bringen: das Stärkste, was man, ohne allen Zweifel, zum Lobe für diese Art von Landschaftsmalerei beibringen kann."
Eine Dame: "Nach der Restaurierung hat es etwas Hoffnungsvolleres. Also es ist schon was Schöpfungsartiges. Es hat noch dieses göttliche Wirken. Nur, mit unseren Augen heute würden wir es anders sehen. Es wurde auch lange Zeit anders gesehen, vor der Restaurierung. Und das, find ich, ist mit der Restaurierung jetzt anders. Und tut gut." (lacht)
Autor: Im Januar 2016 wurde das Bild nach dreijähriger Restaurierung dem Publikum wieder zugänglich gemacht.
Kristina Mösl: "Allein bei der maltechnischen Untersuchung haben wir ja unglaubliche Dinge rausgefunden, von diesen unsichtbaren Segelschiffen … Ich sage immer: Wir haben Schiffe entdeckt – Segelschiffe beim 'Mönch' und ein Kirchenschiff bei der 'Abtei im Eichwald' in der Unterzeichnung."
Autor: Kristina Mösl ist die zuständige Restauratorin an der Alten Nationalgalerie. Sie hat das Bild zusammen mit einer Kollegin nach modernsten Maßgaben …
Kristina Mösl: "Das kann man auf jeden Fall alles wieder rückgängig machen."
Autor: … in den Zustand zurückversetzt, in dem Kleist, Brentano und von Arnim es gesehen haben.
Kristina Mösl: "Wir haben ja in Form von intensiven Untersuchungen und Mikroproben festgestellt, wo der originale Bildschichtaufbau endet. Auf dieser originalen letzten Schicht lagen dann fast nochmal so viele Schichten, nicht originale Schichten drauf. Die haben wir fast restlos entfernen können, die nicht originalen Schichten.
Das ist in der Tat unglaublich, dass man das mal als blaues Bild akzeptiert hat. … Diese Vergelblichung kommt durch die bis zu sieben Firnisschichten, also nicht originale Schichten, die alle vergilbt sind. Das ist eine Eigenschaft von Naturharzen, dass die vergilben. Und man kann sich ja gut vorstellen: Wenn man sieben Gelbfilter vor ein Gemälde hält, dass das gar nichts mehr mit dem originalen Erscheinungsbild zu tun hat."
Eine Dame: "Der Himmel ist blau."
Ein Herr: "Der fast blaue Himmel."
Kristina Mösl: "Das berühmte Blau."
Ein Herr: "Sehr viele Blautöne."
Leiser Herr: "Dieses Blau."
Junge Frau: "Ne blaue Weite."
Kristina Mösl: "Bildbeherrschender Blauton"
Eine Dame: "Erstmal eine Weite, eine bestimmende, dominierende Natur, und das Verhältnis Mensch zur Natur ist so präzise eingefangen. Also, der Mensch ist der Natur ausgeliefert, er begegnet ihr als eine sinnende Rückenfigur. Und das Tolle an dem jetzigen Zustand ist, dass diese ganze Schwermut aufgelöst ist. Es kommt Licht rein, Sonnenstrahlen beleuchten die Wolken. Der Himmel ist blau. Wir sehen Vögel aufsteigen, die ein bisschen so die Kronen des Meeres aufgreifen. Der vermeintliche Mönch, der da steht als Rückenfigur, steht für uns da. Und wie eh und je stehen wir da vor dem Geheimnis der monumentalen, majestätischen, unbegreiflichen Natur."
(Geräusch Möwen)
Eine Dame: "Ich sehe auf diesem Bild Möwen und überlege mir, ob es 14 sind oder ob es zehn und vier Tauben sind oder was mit diesen Seevögeln gemeint ist, die man auch schwer von den Wellen unterscheiden kann."
Kristina Mösl: "Diese sozusagen rausgeholten Möwen finde ich ganz wichtig für die Bildgeschichte. Es waren nicht alle Möwen zu sehen und wir haben die Möwen, die doch noch vorhanden waren, wieder freilegen können durch die Abnahme der vergilbten Firnisschichten. Die sind jetzt deutlich besser zu sehen. Es sind jetzt wieder 20. Und davon waren ungefähr zehn deutlich zu sehen, und der Rest war undeutlich zu sehen. Man muss allerdings auch dazu sagen, dass es gerade im Meeresbereich nur noch Reste von Möwen sind, die man wirklich nur erkennt, wenn man es weiß. Trotz alledem ist es natürlich für die Bildinterpretation ganz wesentlich, dass die Möwen wirklich sozusagen die Klammer dieser drei Zonen darstellen, weil sie sowohl im Dünenbereich als auch im Meeresbereich als auch im Himmelsbereich vorkommen."
Junge Frau: "Und es ist irgendwie total spannend, dass der Mönch im Goldenen Schnitt steht, und eben mit dem Rücken zum Betrachter steht, sieht man eben auch ein bisschen, was er sieht, und ja die Möwen, die man jetzt auf einmal entdeckt, wenn man näher rangeht … "
Eine Dame: "Tja, was bedeuten sie? Das kann ich nicht sagen. Das ist dem Mönch überlassen. Der Mönch steht da und ist der zentrale Punkt, von dem aus das Bild spricht."
(Geräusch Möwen)
Amerikanischer Künstler: "Ich weiß auch nicht. Da ist irgendwie alles möglich. Da ist ein offener Raum. Und da ist dieser Typ, der nachdenkt. Alles ist offen. Da kann viel passieren. Das ist überwältigend. Schwer in Worte zu fassen. Das ist es halt, was Malerei kann. Sie braucht die Sprache nicht. Manchmal bringt das Gehirn einfach Dinge zusammen. Dafür gibt es die Malerei. Dazu sind sie ja Maler und nicht Schriftsteller, oder?"
Kleist: Ja, wenn man diese Landschaft mit ihrer eignen Kreide und mit ihrem eigenen Wasser malte; so, glaube ich, man könnte die Füchse und Wölfe damit zum Heulen bringen…
Mehr zum Thema