Alaa al-Aswani: "Die Republik der Träumer"

Demokratie wäre die Lösung

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Buchcover "Die Republik der Träumer" von Alaa Al-Aswani
In die "Republik der Träumer" beschreibt Alaa Al-Aswani die Zeit nach den großen Demonstrationen auf dem Tahrirplatz in Kairo. © Hanser Verlag / Deutschlandradio
Von Moritz Behrendt |
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Mit seinem Roman "Die Republik der Träumer" setzt Alaa al-Aswani den Aktivisten des Tahrir-Platzes, zu denen der ägyptische Erfolgsautor selbst gehörte, ein Denkmal. Ein Denkmal, von dem er ahnt: Es wird angegriffen und beschädigt werden.
Eine karrieregeile Fernsehmoderatorin, ein junger Medizinstudent aus armer Familie, bigotte Islamgelehrte und der Chef des Militärgeheimdienstes: In Alaa al-Aswanis neuem Roman "Die Republik der Träumer" ist halb Kairo versammelt. Ist mit und in solch einer Gesellschaft eine Revolution möglich? Diese Frage durchzieht das gleichermaßen unterhaltsame wie bedrückende Buch des ägyptischen Starautors.
Für die meisten seiner Protagonisten ist die Antwort klar: Nein, die Ägypter, die schon in der Pharaonenzeit ihre Herrscher vergöttert haben, sind keine Revolutionäre.
Ashraf Wissa etwa beschäftigt sich nicht viel mit Politik. Der altgewordene Spross einer reichen koptischen Familie hat es in seiner Schauspielkarriere nicht weiter als bis zum Komparsen gebracht. Schuld ist in seinen Augen das System und die Verlogenheit der ägyptischen Elite.

Vielfalt der Perspektiven

Er kennt aber auch schon das Heilmittel: die sexuelle Befreiung durch Affären mit Hausmädchen, ein Modell, das Wissa selbst praktiziert: "Die Dienerin ist die Lösung" – eine Anlehnung an den Slogan der Muslimbrüder "Der Islam ist die Lösung". Schon in seinen politischen Kolumnen in den letzten Jahren des Mubarak-Regimes hatte Aswani den Spruch abgewandelt "Demokratie ist die Lösung" lautete dort immer sein Schlusswort.
Mit ähnlichen Stilmitteln wie in seinem Erfolgsroman der "Jakubijân-Bau" (auf Deutsch 2007 erschienen) spießt Aswani in "Die Republik der Träumer" die Unzulänglichkeiten der ägyptischen Gesellschaft auf. Was jetzt dazu kommt, sind die realenEreignisse des Arabischen Frühlings. Die Großdemonstration am 25. Januar 2011, die Besetzung des Tahrir-Platzes, der Sturz des Langzeitherrschers Hosni Mubarak und die Machtübernahme des Militärs schildert Aswani aus den vielfältigen Perspektiven seiner Protagonist*innen.

Die schönsten Tage seines Lebens

An diesen Stellen liest sich der Roman bisweilen wie ein zunehmend beklemmendes Sachbuch: Ausführlich beschreibt er, wie das Militär bei Demonstrantinnen sogenannte "Jungfräulichkeitstests" durchführt oder wie ein Polizist, der einen Aktivisten erschossen hat, in einem Pseudo-Prozess freigesprochen wird.
Die Revolution, diese "Republik der Träumer", ist von allen Seiten unter Beschuss geraten, bevor sie eine Chance hatte, sich zu entfalten. Das ist so dramatisch, da braucht es fast keine Fiktion. Dennoch gelingt es Aswani, der Sex- und Liebesszenen sonst häufig überzeichnet, neben den politischen Ereignissen eine zarte Liebesgeschichte zwischen zwei Jungrevolutionären in Briefform zu zaubern.
Aswani setzt den jungen und älteren Aktivisten des Tahrir-Platzes (zu denen auch der Autor selbst zählte) mit seinem Roman ein Denkmal, ein Denkmal, von dem er weiß, dass es von vielen seiner Landsleute angepinkelt und beschädigt wird.
Der Autor selbst lebt seit 2018 im Exil, die arabische Fassung seines Romans konnte in Ägypten nie erscheinen. Die Tage auf dem Tahrir-Platz 2011 bezeichnet Aswani als die schönsten seines Lebens. Diese Schönheit fängt sein Roman ein, ebenso wie die Brutalität der Konterrevolution.

Alaa al-Aswani: "Die Republik der Träumer", Roman
aus dem Arabischen von Markus Lemke
Hanser Verlag, München 2021
464 Seiten, 25 Euro

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