Alan Bennett: Alan Bennett geht ins Museum
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
Wagenbach Verlag, Berlin 2017
144 Seiten, 18 Euro
Gegen die Heiligsprechung der Kunst
Der Autor Alan Bennett ist ein leidenschaftlicher Kunstliebhaber. In sieben Kurzgeschichten über die Kunst besticht Bennett mit Kennerschaft, feinem Witz – und fehlender Ehrfurcht vor Meisterwerken.
Eigentlich freut Alan Bennett sich sich über die Aufgabe, vier Gemälde aus beliebigen Museen des Landes für ein Bildungsprojekt vorzuschlagen. Als Stiftungsratsmitglied der Londoner National Gallery dürfte ihm das auch nicht schwer fallen.
Doch dann folgt die Qual der Wahl, und Alan Bennett fühlt sich wie einer der "Kandidaten dieser grässlichen Fernsehshow, die einen Einkaufswagen bekommen und dann durch den Supermarkt rennen und ihn so voll wie möglich laden sollen. Hektisch hetzen sie zwischen Dosenpfirsichen und Hundefutter hin und her und haben am Ende viel mehr Haushaltsreiniger eingepackt, als ein vernünftiger Mensch jemals verbrauchen könnte."
Erlebnisse in diversen Kunsttempeln
Was für ein Vergleich! Thomas Gainsborough oder William Turner in einem Atemzug mit Dosenpfirsichen und Hundefutter zu nennen, das schafft nur ein Dramatiker vom Kaliber Alan Bennetts. Spätestens seit seinem urkomischen Bestseller "Die souveräne Leserin" über eine buchvernarrte Queen ist sein feiner Witz auch außerhalb Großbritanniens legendär.
Nun geht Alan Bennett also ins Museum. In sieben Kurzgeschichten – auf Englisch bereits zwischen 2005 und 2016 publiziert – berichtet er von seinen Erlebnissen in diversen Kunsttempeln. Er schlendert durch berühmte Häuser wie die National Gallery, das Amsterdamer Rijksmuseum oder den Markusdom in Venedig und besucht auch weniger bekannte Institutionen; etwa in seiner Heimatstadt Leeds.
Er hasst das Geschwafel der Kunsthistoriker
Schnell wird deutlich, dass Alan Bennett ein ebenso leidenschaftlicher Kunstliebhaber wie Kenner ist, der allerdings eines hasst: "die Heiligsprechung der Kunst". Gemeint sind damit die übergroße Ehrfurcht vor bedeutenden Werken, die ihn selbst einst eingeschüchtert hatte, und das verschwurbelte Geschwafel der Kunsthistoriker, die "den Kunstwerken auflauern und sie bedrängen wie lästige Boulevardreporter".
Bennett, das ist klar, macht es anders und, natürlich, hinreißend komisch. So amüsiert ihn Gainsboroughs Bildnis Mr. und Mrs. Andrews wegen der schlechten Laune der Porträtierten. Die Heilgenbilder Rogier van der Weydens oder Pablo Veroneses schätzt er, weil sie die "äußerst englische Beschäftigung" des Klatschens und Tratschens befördern. Und eine Figur in Tizians Gemälde der Familie Vendramin erinnert ihn an "einen der schwächeren Brüder in Der Pate, von dem man weiß, dass er irgendwann kaltgemacht wird."
Vorsicht: Bennett meint es ernst!
Doch Vorsicht: So witzig und scheinbar auch respektlos der mittlerweile über achtzigjährige Bennett von Kunst und Künstlern schreibt, so ernst meint er es doch. Selbst aus einfachen Verhältnissen stammend, waren es nicht zuletzt Bilder, "per Zufall und beinahe per Osmose" während diverser Schulausflüge aufgenommen, die sein Leben geprägt haben.
Und so schreibt der Autor nicht nur gegen Hemmschwellen an, plädiert nicht nur unermüdlich für den kostenlosen Museumseintritt und gegen die aktuelle Evaluationsmanie, sondern lässt der Kunst ihr Geheimnis und damit ihre Freiheit. Am Ende wird deutlich, dass "Bilder Freunde sein können". Nur blöd, dass ein Museumsbesuch so "auf die Füße geht".