„Wissenschaft ist immer unabgeschlossen“
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Ein Bericht der "Bild"-Zeitung über eine Studie des Virologen Christian Drosten sorgt für Diskussionen um das Verhältnis von Journalismus und Wissenschaft. Der Journalist Alan Posener findet, dass die "Bild" eine legitime Frage stelle.
"Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch", titelte die "Bild"-Zeitung Montagnachmittag und warf dem Virologen an der Berliner Charité, Christian Drosten, "fragwürdige Methoden" vor. Dabei zitiert die Boulevardzeitung mehrere Wissenschaftler, darunter auch Kollegen aus Drostens Team, um die angeblichen Fehler zu belegen.
Drosten selbst wurde nur eine Stunde gegeben, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Drosten veröffentlichte auf Twitter einen Screenshot der Anfrage-Mail und kommentierte: "Ich habe Besseres zu tun."
Nicht nur der Virologe kommentiert die Berichterstattung als "tendenziös", auch die zitierten Wissenschaftler distanzieren sich von dem "Bild"-Bericht. Sie seien falsch und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert worden, mit manchen habe die "Bild" gar nicht gesprochen.
Schulen wegen falscher Studie geschlossen?
Der "Welt"-Journalist Alan Posener, dessen Zeitung wie die "Bild"-Zeitung im Axel-Springer-Verlag erscheint, sieht den Fall differenziert: "Wir wissen, dass man mit sensationellen Meldungen und Fragestellungen verkauft. Und das gilt für die 'Bild' noch sehr viel mehr als für seriösere Zeitungen und öffentlich-rechtliche Medien."
Auch wenn die Frage in der "bildeigenen Drastik" gestellt sei: "Die 'Bild' stellt eine legitime Frage: Haben wir eine sehr weitgehende Maßnahme, unter der Millionen Mütter und Väter leiden, möglicherweise aufgrund einer falschen Studie oder falsch ausgewerteten Studie Schulen geschlossen?"
Posener selbst glaube das nicht: Christian Drosten sei in dieser Hinsicht sehr vorsichtig. Er habe nur gesagt, wir wissen nicht genau, ob Kinder genauso infektiös seien wie Erwachsene. Deshalb sollte man lieber auf der Seite der Vorsicht irren. Posener sagte außerdem über Drosten, dieser sei "nicht nur Virologe, also vom Fach, sondern auch Fachmann auf dem Feld der Selbstvermarktung".
Auf die Frage, ob Wissenschaft unsauber arbeite, warnt Posener vor überzogenen Erwartungen: "Die Wissenschaft ist eigentlich immer unsauber. Das widerspricht unseren Vorstellungen, weil die Wissenschaft immer unabgeschlossen ist. Ihre Ergebnisse sind fast immer vorläufig."
(leg)