Alan Rickman

Die verschiedenen Arten des Gärtnerns

Kate Winslet und Regeisseur Alan Rickman
Kate Winslet und Regeisseur Alan Rickman © picture alliance / dpa / Warren Toda
Der Regisseur Alan Rickman im Gespräch mit Patrick Wellinski |
"Die Gärtnerin von Versailles" heißt der neue Film von Alan Rickman. Er hat Regie geführt und stand gleichzeitig als Ludwig XIV. vor der Kamera. Im Interview spricht er über Kate Winslet und erzählt auch ein bisschen übers die Kunst der Grünpflege.
Patrick Wellinski: Herr Rickman, Ihr Film heißt im Original "A little Chaos", im Deutschen heißt er "Die Gärtnerin von Versailles". Gefällt Ihnen der deutsche Titel?
Alan Rickman: Ich würde ja am liebsten gar nichts weiter dazu sagen und die Sache auf sich beruhen lassen, aber Worte haben schon eine sehr wichtige Bedeutung, aber ich muss dem vertrauen, dass der Originaltitel, "A little chaos" im Deutschen einfach nicht funktioniert.
Wellinski: Das kleine Chaos spielt sich im Herzen der Gärtnerin ab, gespielt von Kate Winslet, die einen neuen Garten entwerfen soll in Versailles für den König. Sie spielen König Louis XIV. Es ist aber vor allem Ihr Film als Regisseur. Es ist der zweite Film, den Sie gedreht haben nach "Der Wintergast" von 1997. Was war es an diesem Stoff, das Sie so begeistert hat, ihn zu drehen?
Rickman: Bis vor drei Jahren hatte ich gar nicht wirklich Zeit, Regie zu führen, und erst in den letzten Jahren ist mir das wirklich ermöglicht worden, aber ich hatte schon ein paar Jahre davor "A little Chaos" gelesen, und mir hat das auch unglaublich gefallen. Ich bin da wirklich nur so durch die Seiten gegangen, das ist was, wo man die Seite einfach nur so umblättert. Und die Autorin, Allison Deegan, die hat das unglaublich gut verstanden, das da sehr plastisch darzustellen, was in dieser Zeit damals passiert ist. Und sie hat mich dann ausgesucht als Regisseur, was natürlich immer eine große Ehre ist, und wenn du so ein Buch liest, dann willst du diese Bilder, die dir durch die Worte im Kopf entstehen, du willst sie wirklich zu Bildern werden lassen oder aber du sagst dir als Schauspieler, du musst das halt unbedingt spielen. Und die Qualität dieser Buchvorlage liegt eben darin, wie diese historische Periode dargestellt wird. Das ist, als ob man Karten in die Luft wirft, also ein Teil davon ist komplett ausgedacht, ein anderer Teil stimmt, aber natürlich, diese Figur von Kate Winslet, die hat es so nie gegeben. Niemals hätte eine Frau so einen Beruf ausüben können, auch noch als Landschaftsarchitektin. Und dann André, der war vielleicht 17 und nicht 35, und die Figur, die ich spiele, Louis XIV., der wäre bei Weitem nicht mehr in der Lage gewesen, überhaupt noch zu tanzen. Das ist aber wirklich egal, weil es geht ja einfach nur darum, eine tolle Geschichte zu erzählen, und als Regisseur stellt man sich dann in den Dienst dieser Geschichte, wie eben ein Mann und eine Frau.
Wellinski: Sie haben es schon erwähnt, die erste Fassung des Drehbuches stammt von Alison Deegan, sie selbst ist eine Schauspielerin. Ist also etwas, Sie haben es vielleicht schon etwas erwähnt, an diesem Stoff, das Schauspieler besonders reizt?
Kate Winslett geht voll in ihrer Rolle auf
Rickman: Die Dialoge sind einfach gut, und man will sie lebendig wirken lassen, und das ist alles sehr konzentriert geschrieben, ein wenig poetisch sogar, und das ermöglicht es einfach auch, die versteckten Seiten von Figuren zu entdecken, und das macht das Ganze dann eben sehr plastisch, sehr dreidimensional, und nicht nur anderthalbdimensional oder zweidimensional.
Wellinski: Wenn man ein Kostümdrama dreht, muss man als Regisseur einige Entscheidungen treffen – drehe ich mit künstlichem Licht oder mit richtigem Licht, wie es zum Beispiel Stanley Kubrick in "Barry Lyndon" gemacht hat. Wie ist Ihr Ansatz als Regisseur gewesen? Wie wollten Sie, dass der Film an Sie?
Rickman: Ich hab mit meiner Kamerafrau, Ellen Kuras, mich lange vorher darüber unterhalten, wie dieser Film aussehen sollte, und sie sagte mir sofort, sie möchte noch auf Film drehen und nicht digital, weil bei so viel Kerzenlicht die Schwarztöne einfach im Digitalen nicht gut aussehen. Der Balanceakt ist jetzt natürlich, der Film wird natürlich digital projiziert. Aber dennoch war es wichtig, ihn auf Film zu drehen. Und ich wollte außerdem, dass das wirklich real wirkt, was man dort sieht. Deswegen sollten die Schauspieler auch keine Kostüme tragen, sondern Kleidung. Und trotzdem war es wichtig, dass es hin und wieder auch mal eine Totale gibt, in der man eben einfach auch ein Panorama sieht und in dem ich dem Zuschauer sagen kann, schaut euch mal diese Welt an.
Wellinski: Natürlich müssen wir auch über das Gärtnern sprechen. Es ist eine zentrale Metapher in dem Film. Das Gärtnern steht ja, und das funktioniert sehr gut, wie ich finde, als Metapher für das Leben. Es geht um Ordnung und Unordnung, und ob man Unordnung in das Leben rein lässt. Hat Sie das auch überzeugt, die Metapher Gärtnern als die Metapher für das Leben?
Rickman: Es gibt so viele verschiedene Arten des Gärtnerns. Es gibt die klassische französische Art, die man in Versailles sieht, oder die klassische englische Art wie in Sissinghurst oder japanische Zen-Gärten beispielsweise, und alles ist auf eine gewisse Art und Weise eben lebendig und dann doch wieder unterschiedlich, wo man Gedanken ganz anders sortieren und ordnen kann. Das ist in Sissinghurst ein bisschen wilder, majestätisch wiederum in Versailles und charmant, und wieder auf eine andere Art und Weise in den japanischen Zen-Gärten. Aber das Wichtige ist eben, wie sich der Mensch in der Natur bewegt und was für Arten von fruchtbaren Diskussionen dabei entstehen können.
Wellinski: Die Hauptrolle spielt Kate Winslet, mit der Sie zum letzten Mal vor ungefähr 20 Jahren vor der Kamera standen in "Sinn und Sinnlichkeit" von Ang Lee. Haben Sie auf sie gewartet, oder warum ist Kate Winslet die beste Besetzung für diese Rolle?
Rickman: Sie haben den Film gesehen, Sie wissen, man kann sich da wirklich gar keine andere mehr in dieser Rolle vorstellen. Und sie geht völlig in dieser Figur auf, verschwindet in der Rolle, und wenn man gewisse Kleidung trägt, wenn man einer gewissen sozialen Klasse entstammt, dann kann man sich nicht mehr anders verhalten. Aber Kate Winslet ist eben jemand, sie hört zu und sie redet und sie behält diese totale Autonomie, wenn sie eine Rolle spielt. Und es ist eine große Freude, ihr dabei zuzuschauen, wie sie starke, unabhängige Frauen verkörpert, und es ist eine ebenso große Freude zu sehen, wie gern sie sich nass und schmutzig macht.
Regisseur und Darsteller - Eine gewisse Schizophrenie
Wellinski: Das passiert häufiger in dem Film. Sie selbst spielen ja auch mit, Sie spielen Louis XIV. War das für Sie ein Problem, Regie zu führen und gleichzeitig auch ab und zu vor der Kamera zu stehen?
Rickman: Also leicht ist es nicht, und es ist auch eine gewisse Schizophrenie dabei, beides auszuüben, diese Aktivitäten so zu verbinden. Aber wir wollen jetzt gar nicht anfangen, all die Namen der Schauspieler aufzuführen, die auch Regie geführt haben und sich selbst dabei die Hauptrolle geben. Einige sind sogar in jeder einzelnen Einstellung zu sehen. Und ich hab nicht die geringste Ahnung, wie sie das hinbekommen. Mir ist es dann schon lieber, mich auf eine Sache zu konzentrieren. In dem Fall hat es ein bisschen geholfen, dass, wenn man Louis XIV. spielt, ja, der ist auch ein bisschen so wie ein Filmregisseur, das heißt, auf der einen Seite bringt er sich ständig mit ein, und auf der anderen Seite bleibt er auch immer so ein bisschen draußen.
Wellinski: Eine Frage, die man natürlich vor allem Ihnen stellen sollte, ist, was ist gutes Schauspiel, was ist gute Schauspielerei. Als Regisseur müssen Sie das ja jetzt häufiger erkennen, auch vor der Kamera. Sie sind natürlich selber ein großartiger Schauspieler.
Rickman: Für mich ist ein guter Schauspieler derjenige, der einfach zuhört, der gut zuhört. Und vor allen Dingen bei jungen Schauspielern halte ich das für besonders wichtig, ihm immer wieder klar zu machen, rede nur, wenn du unbedingt musst. Hör erst einmal richtig zu, dann weißt du von ganz allein, was du zu sagen hast. Und genau das macht die Spannung dann auch unter den Schauspielern aus, wenn man zusammen spielt und dann sollte dir eigentlich der andere Schauspieler immer wichtiger sein als das, was du selber zu sagen hast. Das sollte nämlich automatisch kommen.
Wellinski: Wir haben ja gerade in Deutschland so einen Blick – die ganze Welt, glaube ich – auf englische Schauspieler als etwas so auch Edles und Sparsames. Und fast jeder große englische Schauspieler ist irgendwie groß, weil er auch aus dem Theater kommt. Ist das ein Klischee, oder sind englische Schauspieler anders als andere?
Rickman: Nein. Das finde ich nicht. Ich war gestern in der Volksbühne und habe fünf großartige deutsche Schauspieler gesehen, und ich war so beeindruckt davon, wie gut sie sich konzentriert haben, wie sie das herübergebracht haben. Und ich hab es wirklich kaum verstanden, obwohl ich in der Schule Deutsch gelernt habe, und ein bisschen was kam dann auch wieder zurück. Aber zu sehen, wie sie auf dieser großen Bühne, der Volksbühne stehen und mit dieser Konzentration über die Natur des Schauspielens spielen, das wiederum als fünf Schauspieler, das war unglaublich beeindruckend. Und von daher glaube ich nicht, dass englische Schauspieler was Besonderes haben im Vergleich zu deutschen oder amerikanischen Schauspielern. Das halte ich für Nonsens.
Wellinski: Mister Rickman, thank you very much for your time, for your movie. And I wish you the best of luck!
Rickman: Thank you very much – danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema