Alanna Collen: "Die stille Macht der Mikroben, Wie wir die kraftvollsten Gesundmacher bei der Arbeit unterstützen können"
Übersetzt von Friedrich Pflüger und Claudia van den Block
Riemann Verlag, München 2015
352 Seiten, 17,99 Euro
Alle Krankheiten beginnen im Darm
Es gibt keinen Mangel an Sachbüchern rund um die Beziehung von Mensch und Mikrobe. Jetzt ist ein neues Erschienen: "Die stille Macht der Mikroben". Geschrieben hat es die Fledermausforscherin Allana Collen - mit einer positiven Botschaft.
Sie sind unsere bessere Hälfte, sogar unsere besseren neun Zehntel: Die Mikroben in uns, auf uns und um uns herum. Sie gelten als wahren Garanten der Gesundheit – im Normallfall. Aber normal ist eben wenig und deshalb ist das Ökosystem "Darm" ebenso bedroht wie Korallenriffe und der Regenwald, bedauert Alanna Collen, im Hauptberuf Fledermausforscherin. Ganz zu Anfang ihres Buches "Die stille Macht der Mikroben" beschreibt sie sehr anschaulich, wie sie im Dschungel arbeitet und sich dabei eine lebensbedrohliche Infektion zuzieht. Gerettet wird sie mithilfe von Antibiotikum, aber gesund ist sie deshalb noch lange nicht. Den Grund vermutet sie in einer Veränderung ihrer winzigen Mitbewohner, der Mikroben. Und das ist der Anstoß für ihr Buch.
Informativ und vergnüglich
Dabei deckt Alanna Collen ähnliche Gebiete ab, wie andere Sachbuchautoren schon vor ihr. Aber anders als andere schreibt sie lebendig und vor allem predigt sie nicht, deshalb ist die Lektüre nicht nur informativ, sondern auch äußerst vergnüglich. Für Mikroben bietet der Körper ganz unterschiedliche Lebensräume, die "kühlen, ausgedörrten Hautebenen unserer Unterarme und den feuchten Urwäldern der Leistengegeben bis zur säurehaltigen und sauerstoffarmen Umgebung im Magen". Entsprechend viele Arten finden so ein Auskommen. Alanna Collen versteht sich selbst "nicht mehr als Individuum, sondern als Gefäß meines Mikrobioms".
Der Körper verlässt sich auf seine Mikroben, auf ihre Stoffwechselleistungen und die ständige Stimulation des Immunsystems. Fehlen die richtigen Partner kommt es zu Problemen. In dem Kapitel "Alle Krankheiten beginnen im Darm" etwa geht es darum, dass Übergewicht weniger mit zu vielen Kalorien und zu wenig Bewegung zu tun, sondern mit Mikroben, die die Nahrung zu wenig effektiv erschließen.
Leser soll skeptisch bleiben
Chronische Entzündungen, Hintergrund vieler Zivilisationsleiden, entstehen auch durch einen Mangel an Bakterien. Die unterbeschäftigten Abwehrzellen suchen sich dann eine andere, schädliche Beschäftigung. Auch Autismus, Psychosen und Depressionen sollen ihre Wurzel im gestörten Mikrobiom haben. Als Beleg dienen Alanna Collen zahlreiche Studien. Weil deren Aussagekraft aber oft begrenzt ist, gibt es ebenso viele Fragezeichen: "Könnte es nicht sein, dass?" Hier sind die Leser gefordert, skeptisch zu bleiben.
Trotz ihrer Begeisterung für das Thema bleibt Alanna Collen pragmatisch: Damit Kinder gleich ein gesundes Mikrobion bekommen, plädiert sie für eine natürliche Geburt und langes Stillen. Später im Leben sollten Antibiotika zurückhaltend eingesetzt werden und um die Vielfalt der Lebensgemeinschaft Darm zu erhalten, braucht es keinen Jogurt mit speziellen Bakterienkulturen, sondern vor allem Ballaststoffe. Aus ihren umfangreichen Recherchen destilliert Alanna Collen am Ende ein positive Botschaft: "Die Gene kann man sich nicht aussuchen, aber man kann sich ganz bestimmt die körpereigenen Mikroben aussuchen".