Alarm in der russischen Provinz
Recklinghausens Ruhrfestspiele rücken russische Stücke in diesem Jahr in den Mittelpunkt ihres reichen Programms. Zum Auftakt inszenierte Festspielleiter Frank Hoffmann Gogols "Revisor".
Er spielte häufig auf unsere Gegenwart an und das Publikum lachte einverständig, wenn "Die da oben" ihr Fett bekamen.
"Der Revisor" spielt im 19. Jahrhundert im zaristischen Russland. In einer kleinen Provinzstadt herrscht Alarmstimmung. Die tonangebenden Herren haben gehört, dass ein Revisor kommen soll, aus der Hauptstadt. Alle haben Dreck am Stecken, der Stadthauptmann rät, bereit zu sein. Doch die ziemlich trotteligen Herren verwechseln den Revisor mit einem unbedeutenden Beamten, der dringend Geld braucht. Erst zum Schluss bemerken sie, dass sie einen Falschen bestochen haben; da kündigt sich der richtige Aufsichtsbeamte an.
Regisseur Frank Hoffmann und sein Ensemble spielen eine Typenkomödie. Am deutlichsten wird es bei der Frau des Stadthauptmanns. Kostümbildnerin Katharina Polheim hat für sie einen dotterblumengoldgelbes Kleid entworfen, viel zu kurz und viel zu weit ausgeschnitten. Die Schuhe haben so hohe Absätze, dass die Stadthauptmännin kaum gehen kann – Tatjana Pasztor skizziert eine eitle Frau, die nicht wahrhaben will, dass sie älter wird.
Das Ensemble versucht, die Gestalten lächerlich erscheinen zu lassen, indem es wie Clowns spielt. Das wirkt meistens angestrengt, nur selten wirklich komisch. Überzeugender kommen Szenen, in denen die einzelnen Notabeln den vermeintlichen Revisor in seinem Hotelzimmer aufsuchen, um ihn zu bestechen, über die Rampe, sie sind am überzeugendsten durchgearbeitet. Die Herren, sonst gewohnt, zu befehlen, unerträglich willkürlich die Autorität ihres Amtes zu missbrauchen, kriechen hier – buchstäblich. Oder küssen die Hand, es gibt die verschiedensten Variationen des sich Verbeugens, man kann sich auch hinknien oder ganz auf den Boden werfen. Den Schauspielern gelingen eindrückliche Studien der Würdelosigkeit, der berühmten Fahrradfahrer: nach oben knicken, nach unten treten!
Bernd Michael Lade versucht, sich von Clownerien fern zu halten – sein Stadthauptmann ist ein gefährlicher Würdenträger. Lade zeigt, dass der Missbrauch von Macht für die Untergebenen tödliche Folgen hat. Am Ende erschießt der Stadthauptmann willkürlich einen seiner Schicksalsgenossen. Während das Licht erlischt, fällt Schnee aus dem Schnürboden auf die Stadtoberen, die in einer Reihe an der Rampe sitzen. Die Korruption dauert an und es ist kalt, wo Bestechlichkeit und Unrecht herrschen. Nicht nur in Russland. Dieses Schlussbild wirkt wie ein eindringlicher Appell ans Publikum: Wehrt Euch! Leistet Widerstand. Macht Schluss, ein für allemal, mit Korruption und Herrenwillkür.
Frank Hoffmanns Inszenierung spielt überall und immer – auch heute und hier. Wegen dieser Aktualität ist der "Revisor", trotz schwer erträglicher Ungeschicklichkeiten, ein gelungener Auftakt für ein vielseitiges, reiches Programm. Die Ruhrfestspiele dauern noch bis zum 16. Juni.
"Der Revisor" spielt im 19. Jahrhundert im zaristischen Russland. In einer kleinen Provinzstadt herrscht Alarmstimmung. Die tonangebenden Herren haben gehört, dass ein Revisor kommen soll, aus der Hauptstadt. Alle haben Dreck am Stecken, der Stadthauptmann rät, bereit zu sein. Doch die ziemlich trotteligen Herren verwechseln den Revisor mit einem unbedeutenden Beamten, der dringend Geld braucht. Erst zum Schluss bemerken sie, dass sie einen Falschen bestochen haben; da kündigt sich der richtige Aufsichtsbeamte an.
Regisseur Frank Hoffmann und sein Ensemble spielen eine Typenkomödie. Am deutlichsten wird es bei der Frau des Stadthauptmanns. Kostümbildnerin Katharina Polheim hat für sie einen dotterblumengoldgelbes Kleid entworfen, viel zu kurz und viel zu weit ausgeschnitten. Die Schuhe haben so hohe Absätze, dass die Stadthauptmännin kaum gehen kann – Tatjana Pasztor skizziert eine eitle Frau, die nicht wahrhaben will, dass sie älter wird.
Das Ensemble versucht, die Gestalten lächerlich erscheinen zu lassen, indem es wie Clowns spielt. Das wirkt meistens angestrengt, nur selten wirklich komisch. Überzeugender kommen Szenen, in denen die einzelnen Notabeln den vermeintlichen Revisor in seinem Hotelzimmer aufsuchen, um ihn zu bestechen, über die Rampe, sie sind am überzeugendsten durchgearbeitet. Die Herren, sonst gewohnt, zu befehlen, unerträglich willkürlich die Autorität ihres Amtes zu missbrauchen, kriechen hier – buchstäblich. Oder küssen die Hand, es gibt die verschiedensten Variationen des sich Verbeugens, man kann sich auch hinknien oder ganz auf den Boden werfen. Den Schauspielern gelingen eindrückliche Studien der Würdelosigkeit, der berühmten Fahrradfahrer: nach oben knicken, nach unten treten!
Bernd Michael Lade versucht, sich von Clownerien fern zu halten – sein Stadthauptmann ist ein gefährlicher Würdenträger. Lade zeigt, dass der Missbrauch von Macht für die Untergebenen tödliche Folgen hat. Am Ende erschießt der Stadthauptmann willkürlich einen seiner Schicksalsgenossen. Während das Licht erlischt, fällt Schnee aus dem Schnürboden auf die Stadtoberen, die in einer Reihe an der Rampe sitzen. Die Korruption dauert an und es ist kalt, wo Bestechlichkeit und Unrecht herrschen. Nicht nur in Russland. Dieses Schlussbild wirkt wie ein eindringlicher Appell ans Publikum: Wehrt Euch! Leistet Widerstand. Macht Schluss, ein für allemal, mit Korruption und Herrenwillkür.
Frank Hoffmanns Inszenierung spielt überall und immer – auch heute und hier. Wegen dieser Aktualität ist der "Revisor", trotz schwer erträglicher Ungeschicklichkeiten, ein gelungener Auftakt für ein vielseitiges, reiches Programm. Die Ruhrfestspiele dauern noch bis zum 16. Juni.