Alarmierte Gelassenheit gegenüber EU-Kritikern

Von Annette Riedel, Büro Brüssel · 13.11.2013
Allein 'anti' zu sein, ist kein Programm, nur: Mehr können die Europa-Gegner bisher nicht vorweisen. Um Menschen mitzunehmen, reicht das nicht. Doch die EU-Befürworter müssen den Bürgern ihr Europa besser erklären, wenn das auch so bleiben soll, kommentiert Annette Riedel.
Man sollte sich in alarmierter Gelassenheit üben, angesichts der Pläne von Marine Le Pen und Geert Wilders. Ins nächste EU-Parlament werden mehr Abgeordnete einziehen, die just dieses EU-Parlament am liebsten auflösen wollen. Es drängt sie nach Europa, weil sie Europa verhindern wollen. Das ist neben einer diffusen Fremdenfeindlichkeit auch schon der kleinste gemeinsame Nenner der Ultranationalisten von ganz rechts und ganz links.

Alarmiert muss man sein, weil diese Kräfte stärker werden. Das macht all die schwächer, die Europa gestalten wollen. Sie alle ringen – ganz unabhängig von der politischen Couleur - um ein Europa nach ihren Ideen, suchen Mehrheiten für ihre jeweiligen politischen Überzeugungen, natürlich, ja. Aber sie wollen diese Union. Weil sie wissen, dass allein kein noch so gewichtiges europäisches Land in der globalisierten Welt Gestaltungsmacht hat.

Man darf Europa kritisieren. Man muss sogar vieles an Europa kritisieren. Aber es geht um konstruktive Kritik. ‚Anti’ zu sein, ist kein Programm. Aber mehr können die Europa-Gegner bisher mehrheitlich nicht vorweisen.

Gelassen kann man sein, wenn man sich vor Augen führt, dass es letztlich immer ein gerüttelt Maß an übernationalem Interessenausgleich geben muss, wenn verschiedene Individuen, von verschiedenen Parteien, aus verschiedenen Ländern eine Fraktion bilden wollen. Erst durch den Zusammenschluss in einer Fraktion wachsen den Abgeordneten Rechte zu, die ihnen wirkliche politische Relevanz verleihen: sie bekommen mehr Redezeit, mehr Geld, mehr Mitarbeiter, können Ausschussvorsitzende stellen. Es wäre eine Überraschung, sollte den Parteifreunden von Le Pen, Wilders und einer noch nicht genau bekannten Anzahl von Vertretern anti-europäischen Gedankenguts gelingen, woran sie in der Vergangenheit gescheitert sind.

‚Alarmiert gelassen’ sollten sich aber Abgeordnete, Kandidaten, Regierungen, EU-Kommissare eines klar machen, was ihnen schon länger hätte klar sein können und müssen: Wenn es ihnen nicht gelingt, die EU und ihr Handeln besser und verständlicher zu erklären, wenn sie die Menschen nicht mitnehmen können bei all ihren Entscheidungen, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn nationalistische Rattenfänger in ganz Europa leichtes Spiel bekommen.
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