Pressefreiheit in Albanien

Journalisten unter Druck

09:00 Minuten
Der albanische Regierungschef Edi Rama befindet sich auf einem EU-Treffen und wird vor einem Gebäude von Journalisten gefilmt.
Der albanische Regierungschef Edi Rama hat die Arbeit von Journalisten schon mit "Nazi-Propaganda" verglichen. © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Nicolas Landemard
Birger Schütz im Gespräch mit Vladimir Balzer |
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Albanien will EU-Mitglied werden, doch nach Einschätzung von Reporter ohne Grenzen gibt es dort kaum Pressefreiheit. Die EU finde dafür keine klaren Worte, kritisiert die Organisation. Regierungschef Edi Rama beleidige derweil Journalisten.
Albanien will in die Europäische Union. Seit dem Sommer laufen die Beitrittsverhandlungen, doch beim Thema Pressefreiheit scheint die EU-Kommission nicht so genau hinzusehen, kritisiert Birger Schütz von Reporter ohne Grenzen (RSF). In der Rangliste der Pressefreiheit steht das Land weit hinten - auf Platz 103 von 180 Ländern.

Falsche Einschätzung in Brüssel

Die EU sollte dieses Problem kritisch und laut benennen, fordert Schütz. Zur Eröffnung der Beitrittsgespräche habe EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stattdessen Albanien sogar für eine freie Presse gelobt. Angesichts der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit sei er verwundert gewesen, so Schütz.
Erst im Sommer habe Ministerpräsident Edi Rama einen TV-Journalisten bei einer Pressekonferenz vor laufenden Kameras öffentlich abgekanzelt und ihm "Umerziehung" angedroht, berichtet Schütz. Dazu hätte sich von der Leyen eigentlich kritisch äußern müssen.
Außerdem habe Rama den Fernsehmann dann für drei Monate von weiteren Pressekonferenzen der Regierung ausgeschlossen. Der Journalist hatte kritische Fragen zu den Aktivitäten eines wichtigen Investors im albanischen Tourismus gestellt. Vor einiger Zeit sei bereits eine Journalistin für 30 Tage ausgeschlossen worden, weil sie nach Korruption in der Regierungspartei gefragt hatte, so Schütz.

Mangelnder Respekt

Es gebe in der politischen Klasse Albaniens ein fehlendes Bewusstsein für Pressefreiheit, kritisiert der RSF-Vertreter. "Rama ist hier eine zentrale Figur, aber das betrifft auch viele andere Politiker und Minister aus der Sozialistischen Partei."

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Schon 2017 hätten albanische Journalisten für kurze Zeit Pressekonferenzen des Regierungschefs boykottiert, weil dieser sie zuvor als "Idioten" beschimpft habe. Rama unterstelle Journalisten, dass sie "Fake News" und Lügen verbreiteten oder Politiker und Privatpersonen diffamierten. Bei einem Medienforum der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) habe er vergangenes Jahr die Arbeit von Journalisten mit "Nazi-Propaganda" verglichen.
Die Politiker in Albanien sollten gegenüber Journalisten ganz grundsätzlich einen anderen Ton anschlagen, fordert Schütz. "Dazu gehört Respekt und generell eine Akzeptanz der Rolle des Journalisten." Außerdem müssten bestimmte Mediengesetze nochmal kritisch betrachtet werden.

Fehlende Tradition

Es gebe in Albanien keine Tradition, Medien als vierte Gewalt zu begreifen, so der RSF-Vertreter. "Das hat mit dem totalitären Erbe der Hodscha-Diktatur zu tun."
Zudem gebe es eine extreme Polarisierung des Medienmarktes. "Der wird im Prinzip von vier, fünf großen Medienhäusern bestimmt", so Schütz. Alle ließen sich auf Oligarchen oder Unternehmern zurückführen, die bestimmte politische Interessen hätten. Einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es auch: Aber der sei regierungsnah und erziele im Vergleich zu den privaten Kanälen keine große Reichweite, betont Schütz.
(gem)
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