Albanischer Bildhauer Lati Metani

Der Mann, der Stalin formte

Bildhauer bei der Arbeit
Ein Bildhauer bei der Arbeit © dpa / picture alliance / Daniel Naupold
Von Leila Knüppel |
Vor der Wende prägten Lati Metanis Statuen von Stalin, Mao und Diktator Enver Hoxha das Bild albanischer Städte. Heute will der berühmtester Bildhauer des Landes mit Politik nichts mehr zu tun haben.
Bildhauer Lati Metani beugt sich über eine große Holzkiste, in der ein Gipsabdruck der nächsten Bronzestatue liegt - inmitten feiner Erdkrumen. Sorgfältig drückt der 64-Jährige die Erde an den Abdruck. So entsteht die Form, in die er später das flüssige Metall gießen wird.
Wer dann zum bronzenen Denkmal erstarrt – ob fanatische Diktatoren, barmherzige Weltverbesserer oder heroische Kämpfer –, das kümmert ihn längst nicht mehr.
Metani: "Als Albanien mit Russland befreundet war, haben wir Marx und Lenin gemacht, als dann die Chinesen kamen: Mao Zedong. Und nun herrscht Kapitalismus und wir sind mit den USA befreundet. Nun machen wir die Amerikaner."
Als 13-Jähriger fing er mit der Bildhauerrei an
Sei etwa 50 Jahren arbeitet der Mann mit den weißen, wallenden Haaren, Walross-Schnurrbart und bunt bedrucktem Shirt als Gießer und Künstler. Mittlerweile gilt er als einer der renommiertesten Bildhauer Albaniens, auch wenn er darum nicht viel Aufhebens macht
Mit 13 Jahren hat er mit der Arbeit angefangen, erzählt er. Früher, während der kommunistischen Diktatur Hoxhas, in der staatlichen Kunstgießerei in Tirana; jetzt in dieser privaten Gießerei am Stadtrand von Tirana.
"Es war damals im Kommunismus eine Ehre in der Kunstgießerei zu arbeiten. Wir haben großen Respekt genossen. Die Bezahlung war gut, weil unsere Arbeit wichtig für die Politik war."

Lenin, Stalin, Hoxha – all die überlebensgroßen Statuen habe er mit geformt und gegossen, sagt Metani, hält in seiner Arbeit inne, blickt auf seine großen, schwieligen Hände. Am Daumen ist der Nagel schwarz verfärbt, Ruß hat sich für immer unter die Haut gegraben.
"Die Politiker nutzten unsere Arbeit für ihre Zwecke"
"Wir wussten nichts zu dieser Zeit, wir hatten keine Ahnung. Die Politiker nutzten unsere Arbeit für ihre Zwecke. Ich mag die Politik einfach nicht. Deswegen bleibe ich jetzt bei meinen kleinen Statuen über die Legenden Albaniens. Sie werden immer bestehen."
Nebenan, in der Gips- und Tonwerkstatt wickelt Metanis Kollege Dylber Neciri eine dünne Plastikplane von einer der Tonstatuen, an denen er gerade arbeitet.
"Nun ist es warm, deswegen müssen wir in verpacken."

Vor ihm steht ein dünner Schlacks, kaum größer als der Bildhauer selbst, in Cowboystiefeln und Jeans, eine Gitarre um den Hals: Bob Dylan.
Neciri: "Während des Kommunismus hätte ich so eine Figur nicht machen dürfen. Viel zu dekadent und verwestlicht. Wir machten Arbeiter, die in pompöser Haltung rumstehen. Jetzt bin ich frei, ihn so darzustellen, wie er damals war – seine ruhige Art. Er war ja nicht sehr energiegeladen. Früher hätte ich ihm vermutlich die Aura eines Bergarbeiters geben müssen."
Mit Albanien hat Dylan allerdings wenig zu tun, gesteht der Bildhauer. Nie war er dort. Sogar seine Musik war verboten. Jetzt darf er immerhin als Bronzestatue im kleinen Badeort Düres stehen – weil der Bürgermeister es sich so wünscht.
Verrückt nach Beatles und Dylan
"In den 60ern und 70ern, als die Beatles und Dylan angesagt waren. Da durften wir sie ja nicht hören. Darum ist meine Generation verrückt nach ihnen, baut solche Statuen."
Nebenan schleifen jüngere Kollegen gerade eine Mutter-Theresa-Statue ab. Auch die Nonne hätte niemals in der streng atheistische Diktatur Hoxhas stehen dürfen. Jetzt ist ihre Statue gefragter denn je: Schließlich ist die Albanerin weltweit berühmt.
Abends, zu Hause in einer Zweizimmerwohnung in einem sozialistischen Wohnblock zeigt Metani seine Kunstwerke.
An die hundert kleine Statuen, bronzene Wandbilder, schauen auf Metani herab. Die ganze Anrichte und Wand darüber sind mittlerweile voll. Nur der Flachbildfernseher findet noch Platz. Finstere Gestalten schreien von den Wänden herab, qualvoll verzerrte Gesichter.
Metani nimmt eine kleine Bronzebüste in die Hand – sie passt fast ganz in seine großen, schwieligen Hände. Ein wild dreinblickendes, bärtiges Wesen – halb Mensch, halb Fabelwesen aus dunklen Wäldern. Es ist seine erstes, selbst entworfenes Kunstwerk.
Ein neues Geschöpf aus einer Hoxha-Statue
"Das war meine Art, meine Wut auszudrücken, nicht nur für mich. Sie auch den anderen zu zeigen – so eben. Es sieht sehr stark und böse aus. Aber das liegt daran, dass den Albanern so viel passiert ist."
Auf dem Boden neben der Anrichte stehen ein paar kleine Marmorstatuen.
"Das waren ursprünglich Teile einer Hoxha-Statue. Sie stand in seinem Mausoleum, der Pyramide. Wir sollten sie nach der Wende zerstören."
Viele seiner Kollegen verkauften damals Teile der Statuen an interessierte Journalisten. Metani hat seine Bruchstücke behalten, ein neues Geschöpf daraus erschaffen.



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