Ein Dschihad der Deutschen
Mythos, Geschichte und Gegenwart – Albert Ostermaiers "Glut. Siegfried von Arabien" benutzt die Nibelungensage, um von deutscher Großmannssucht zu erzählen, von einem "Dschihad der Deutschen". Das macht die Sache komplex, leider aber auch etwas kompliziert.
Diesmal bewegt sich Albert Ostermaier so weit weg von der Nibelungensage wie noch nie. "Glut" erzählt von einer Gruppe deutscher Agenten, die im ersten Weltkrieg mit dem Zug in den Orient reist, um einen Dschihad anzuzetteln. Das Ziel: die Briten zu schwächen, die dort die Ölfelder kontrollieren. Die Agenten tarnen sich dazu als Gaukler, die die Geschichte der Nibelungen aufführen wollen.
So abenteuerlich das klingt: Das Stück beruht auf einer historischen Begebenheit. Dabei dient Ostermaier der Hochmut der Nibelungen-Sagenhelden als Folie, um von deutscher Großmannssucht zu erzählen, von einem "Dschihad der Deutschen", wie er es nennt. Und von der Glut die damals gelegt wurde, an der wir uns bis heute verbrennen. Mythos, Geschichte und Gegenwart – "Glut" bewegt sich auf drei Ebenen. Das macht die Sache komplex (nicht das schlechteste, was man über ein Stück sagen kann), leider aber auch kompliziert (weniger gut).
Überambitioniertes Figurengewimmel
Nuran David Calis sorgt mit einem konkreten Setting für etwas Klarheit. Die Spielfläche (Bühne: Irina Schicketanz) bedeckt Wüstensand, auf Schienen stehen zwei Eisenbahnwaggons. Der Wormers Dom dahinter sieht dabei fast wie eine Moschee aus. Auf einer Videoleinwand werden immer wieder Close-Ups einzelner Darsteller gezeigt, die eine Live-Kamera aus dem unübersichtlichen Figurengewimmel (neben den deutschen sind auch Agenten anderer Kriegsnationen im Zug) heraushebt.
Zwischendurch flimmern auch vorproduzierte Bilder über den Screen, ein deutscher Schäferhund zum Beispiel, der sein zähnefletschendes Maul in Zeitlupe aufreißt. So reichert Calis den Text mit zusätzlichen Assoziationen an. Das ist ansprechend, auch anregend. Zur Konzentration aber, die Ostermaiers Stück (das vieles an-, aber nicht alles auserzählt) vermissen lässt, trägt es nicht bei. So ächzt der Abend unter der Überambition des Autors, der auch die Regie nicht beikommt.