Albrecht von Lucke über Venezuela

Wenn Popstars den Protest gefährden

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Blick auf die Zuschauermenge vor dem Live-Aid-Konzert in Cucuta.
Etwa 250.000 Besucher werden beim Live-Aid-Konzert in Cucuta (Kolumbien) erwartet. © imago / Agencia EFE / Mauricio Duenas Castaneda
Moderation: Korbinian Frenzel |
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"Venezuela Live Aid" gegen "Hände weg von Venezuela": Der Machtkampf in dem südamerikanischen Land wird nun auch mit zwei zeitgleichen Konzerten geführt. Der Politologe Albrecht von Lucke erklärt, warum er keines von beiden besuchen würde.
Heute sollen auf Initiative des britischen Milliardärs Richard Branson Popstars wie Alejandro Sanz oder Luis Fonsi ("Despacito") für die Not leidende venezolanische Bevölkerung auftreten. Die Bühne steht in Kolumbien wenige hundert Meter von der Grenze entfernt. Es wird ein Konzert zugunsten der Opposition und des selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó. Venezuelas Staatschef Maduro hingegen lässt auf der anderen Seite der Grenze für seine Zwecke aufspielen. Beide Konzerte hält Albrecht von Lucke, Redakteur bei den "Blättern für deutsche und internationale Politik", für "hoch problematisch".

Guaidó geht auf einem schmalen Grat

Im Deutschlandfunk Kultur sagte er: "Das Konzert von Maduro spricht quasi entlarvend für sich." Der Staatschef habe in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass er es mit der Demokratie nicht sehr ernst meine. Er habe zudem "völlig versagt" in einem Land, das noch immer eines der erdölreichsten weltweit sei. "Aber ich glaube auch, was der Gegenkandidat Guaidó jetzt versucht, ist ein ganz schmaler Grat, auf dem er geht", so von Lucke. Denn es könnte der Eindruck entstehen, hier werde etwas von außen organisiert, "fast popkulturell Gegenstimmung" gemacht oder es gebe gar einen Einfluss von amerikanischer Seite.
Der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke in Studio 9.
Der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke in Studio 9.© Deutschlandradio – Laura Lucas

UNO und Rotes Kreuz halten sich bewusst zurück

Es bestünden gute Gründe, warum sich beispielsweise internationale Organisationen wie die UNO und das Rote Kreuz dagegen wehrten, für Lebensmittellieferungen in Anspruch genommen zu werden, betonte der Politikwissenschaftler: "Das ist, glaube ich, die größte Gefahr: Es könnte die Delegitimierung eines völlig berechtigten Protestes von Guaidó und einem großen Teil der venezolanischen Bevölkerung, es könnte eine Delegitimierung stattfinden, wenn der Eindruck nur entstünde, dass dort zu eigennützigen Zwecken interveniert wird."
Man müsse sich bewusst machen, dass Venezuela geopolitisch und geoökonomisch "hoch umkämpft" sei. Auf der einen Seite stünden Russland und China als Unterstützer Maduros, auf der anderen die USA, aber auch Brasilien. International sollte es nach Ansicht von Luckes eine "Unterstützung in Beobachtung" für das Drängen auf demokratische Wahlen in Venezuela geben. Aber: "Es muss in hohem Maße die 'demokratische Revolution' aus dem Inneren vonstatten gehen."
(bth)



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Albrecht von Lucke, 1967 geboren, ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der politischen Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik".

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