Aldous Huxley: Schöne neue Welt
Übersetzt von Uda Strätling, in der Bearbeitung und Regie von Regine Ahrem
Der Audio Verlag, Berlin 2016
2 CDs, 16,99 Euro
Ein Meisterwerk als akustischer Alptraum
Der Roman ist ein zeitloses Plädoyer für die mündige Gesellschaft: In den USA findet Aldous Huxleys "Schöne neue Welt" seit der Wahl von Donald Trump wieder reißenden Absatz. Regine Ahrem hat den Klassiker nun als aufwendiges Hörspiel inszeniert.
"Wenn wir unsere Kleinlinge entkorken, haben sie bereits einen festen Platz in der Gesellschaft, als Alphas oder Epsilons, als künftige Kanalreiniger oder künftige Konditionierungszentrums-Direktoren."
Menschen reproduziert und konditioniert im Labor der Machthaber: In Aldous Huxleys 1932 erschienener Dystopie bestimmen wenige über das Leben vieler, sie haben die totale Kontrolle - selbst über den Tod.
"Linda stirbt im Kollektiv. Alle Viertelstunde wechselt der vorherrschende Raumduft und angenehme Synthie-Musiken durchpulsen die Luft."
Willenlose Mitläufer ohne Leiden
"Schöne neue Welt" spielt im Jahr 2540 nach Christi Geburt, oder in der Zeitrechnung des Romans 632 nach Henry Ford. Ein Großteil der Menschheit lebt polyamourös, alle Leiden sind abgeschafft - keine Armut, kein Alter, keine Krankheit.
"Oh, schöne neue Welt, die solche Wesen trägt ... "
Das Shakespeare-Zitat zieht sich wie ein roter Faden durch den Text. Das ganze Drama in einem Satz: Ist es der Anfang vom Ende, wenn der Mensch den Schöpfer spielt? In gottesdienstähnlichen Zeremonien wird die Bevölkerung zu gleichförmigen Mitläufern des Systems erzogen. Die Droge Soma macht sie willenlos.
"Wir trinken den heiligen Soma-Trank, wir trinken den heiligen Soma-Trank, wir trinken den heiligen Soma-Trank. / Trinkt auf eure Auslöschung! / Wir trinken auf eure Auslöschung!"
Auf der Suche nach der Freiheit
Die Welt ist zweigeteilt: In die der perfekt konditionierten Alpha-Klasse, die der Betas und in die der Ureinwohner. Nur der Außenseiter Bernard Marx entzieht sich immer mehr dem Diktat der Herrschenden. Gemeinsam mit der Beta-Klasse-Angehörigen Lenina Crown unternimmt er eine Expedition in das Eingeborenen-Reservat, in dem die Menschen frei von staatlicher Kontrolle leben - mit Leiden und Krankheit, aber auch beseelt durch Fantasie und Leidenschaft.
Sie treffen auf den Ureinwohner John, den sie mit in ihre "Schöne neue Welt" nehmen. Als "Wilder" ausgestellt, begehrt er gegen das System auf. Grandios gesprochen vom Berliner-Ensemble-Mitglied Christopher Nell.
"Gefällt es euch etwa, Sklaven zu sein? Wollt ihr nicht lieber freie Männer und Frauen sein? Frei. Wisst ihr überhaupt, was das ist, Freiheit? Nein? Gut, dann werde ich es euch lehren. Dann werde ich euch zwingen frei zu sein, ob ihr wollt oder nicht.
Mit diesen Worten stößt er ein Fenster zum Innenhof auf und beginnt, mit vollen Händen die Doma-Pillen-Döschen hinauszuwerfen."
Reißende Absatzzahlen seit Trumps Wahl
Heute gilt Huxleys Roman als zeitloser Klassiker über die drohende Gefahr einer Diktatur. Seit der Wahl von Donald Trump zum amerikansichen Präsidenten erlebt das Buch eine Renaissance in den USA - mit reißenden Absatzzahlen. Trumps Parolen von "America first" klingen tatsächlich wie ein hallendes Echo aus der "schönen neuen Welt".
"Vereinige uns, vereinige uns, vereinige uns. Ja, es kommt ... "
Die Regisseurin Regine Ahrem hat Huxleys Meisterwerk als hellwachen, akustischen Albtraum inszeniert - mit einem berauschendem Sprecher-Ensemble: Leslie Malton als unterkühlte Erzählstimme, Gerd Wameling als nüchterner Professor und Lars Rudolf als zerknirschter Außenseiter. Text und Stimmen verschmelzen zu einer Art Drogenrausch: Sie katapultieren den Hörer hinein in diese zeitlose Geschichte. Die flirrenden Soundscapes von Michael Rodach tun ihr übriges, sie geben diesem Trip den akustischen Kick - eine berauschende Umsetzung, die niemanden uninspiriert zurücklässt.
"Ein Wunder. Wie viele herrliche Geschöpfe hier. Wie schön die Menschheit ist. Oh, schöne neue Welt, die solche Wesen trägt. Oh, schöne neue Welt."