"Geklonte Bibliothek mit identischem Sortiment"
Regalfertig sortiert und katalogisiert: Ein Unternehmen in Reutlingen soll künftig die meisten Buchbestellungen für die Zentrale Landesbibliothek Berlin übernehmen. Die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann kritisiert das scharf.
Einen "dramatischen Qualitätsverlust" befürchtet Aleida Assmann durch die Entscheidung des Berliner Senats: Denn Bibliotheken funktionierten nicht nach der Logik des Marktes. "Das Outsourcing ist natürlich ein Marktprinzip, und man versucht zu rationalisieren und einzusparen", so Assmann. "Aber die Logik der Bibliothek ist die Logik des kulturellen Gedächtnisses. Die funktioniert nicht nach Angebot und Nachfrage, sondern nach Nachhaltigkeit."
Die Pläne des Senats sehen außerdem vor, Bücher, die zwei Jahre nicht ausgeliehen wurden, zu schreddern. Auch das kritisiert Assmann scharf. Notwendig sei vielmehr, Bestände zu bewahren - auch wenn sie nicht unmittelbar gebraucht würden. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten sie wiederentdeckt und neu bewertet werden: "Das ist diese innovative Logik des kulturellen Gedächtnisses, die auf Perioden des Vergessens setzt."
Bestseller seien in der Regel keine Longseller. "Wenn wir einen Zwei-Jahres-Turnus haben, bekommen wir wirklich so etwas wie eine geklonte Bibliothek mit identischem Sortiment - und das wäre ein radikaler Verlust", so Assmann. Bibliotheken seien Wissensspeicher und Universen des Wissens, in dem sich jeder seinen eigenen Pfad bahne.
Der Bucheinkauf wird für die ZLB nicht etwa billiger, der Berliner Buchhandel verliert jedoch einen beträchtlichen Umsatzanteil, und das Land Berlin wird weniger Steuern einnehmen. Bisher bestellt die ZLB jährlich 30.000 Bücher neu.