Alessandro Di Virgilio/Manuela Santoni: "Mary Shelley. Die Comic-Biografie der Frankenstein-Schöpferin"
Übersetzt von Ingrid Ickler
Knesebeck, München 2021
136 Seiten, 20 Euro
Wie mit "Frankenstein" alles begann
05:33 Minuten
Wer war die junge Mary Shelley? Wie entstand ihr Klassiker "Frankenstein"? Antworten auf diese Fragen liefert dieser Comic mit starken, einprägsamen Bildern.
Vom Cover dieses Buches schaut uns eine schwarz-weiß gezeichnete Mary Shelley an wie eine Madonna, geradeheraus, streng und schön. Ihre Haare wehen nach oben und in ihrem Strahlenkranz schwebt das zusammengenähte Gesicht von Frankensteins Monster. Ein unheimliches Bild.
"So fängt immer alles an. Wenigstens in deiner Welt." Mit diesen Sätzen beginnt eine Stimme vom Leben Mary Shelleys zu erzählen. Erst ganz am Ende des Buches wird klar, wem diese Stimme gehört - eine schauerliche Aufklärung, die dem ganzen Buch eine irritierende Perspektive verleiht.
Die wichtigsten Stationen im Leben der jungen Mary
Die Comic-Biografie vollzieht die wichtigsten Stationen im Leben der jungen Mary nach, angefangen mit dem Tod ihrer Mutter, der frühen Feministin Mary Wollstonecraft. Sie stirbt schon elf Tage nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 1797 an Kindbettfieber.
Mary wächst bei ihrem Vater auf, dem Philosophen und Sozialisten William Godwin. Bei den Salonabenden in seinem Londoner Haus sind die prägenden Köpfe dieser Zeit zu Gast: William Wordsworth, Samuel Taylor Coleridge und schließlich auch der Dichter Percy Shelley.
Die 16-jährige Mary und Percy Shelley werden gegen den Widerstand ihres Vaters ein Paar. Sie verlässt ihr Elternhaus und lebt mit Percy Shelley in einer äußerst unkonventionellen Beziehung als Unverheiratete, bis sie drei Jahre später eine Ehe eingehen.
Bilder am Rand des Chaos
Die italienische Zeichnerin Manuela Santoni balanciert in ihren Bildern für dieses Buch am Rand des Chaos entlang. Am Anfang, bei einer Geburtsszene, tauchen erste Konturen nur langsam als weiße Schemen in einem umfassenden Schwarz auf.
Auch in späteren Zeichnungen des Bandes scheinen die flächigen, grob ausgeführten Figuren gerade einem großen Nichts entstiegen. Kein schlechtes Prinzip für ein Buch, das auf eine äußerst beunruhigende Schöpfung zusteuert, auf Mary Shelleys "Frankenstein"-Roman.
Mary Shelley hat dieses Buch als 19-Jährige geschrieben und damit einen der Urtexte der Science Fiction geschaffen.
Von heute aus kann "Frankenstein" auch als Beginn des Nachdenkens über künstliche Intelligenz verstanden werden. Die britische Autorin Jeanette Winterson hat das vor kurzem in ihrem Roman "Frankissstein" getan.
Shellys Traumata bestimmen den Text
Der Textautor Alessandro Di Virgilio motiviert Mary Shelleys Frankenstein-Idee ganz aus ihren persönlichen Erfahrungen heraus, aus ihren Albträumen, die dem frühen Tod ihres ersten Kindes folgen. Ob der Tod überwunden werden kann, diese Frage verfolgt sie nach diesem Trauma.
Die Biografie endet abrupt in dem Moment, in dem 1818 ihr "Frankenstein"-Roman erscheint. Das ist enttäuschend, zumal in letzter Zeit auch andere Facetten von Mary Shelley neu entdeckt wurden, unter anderem mit ihrem Pandemie-Roman "Der letzte Mensch" aus dem Jahr 1826.
Eine Biografie in Comicform muss immer stark verknappen. Der Vorteil dieses Buches: Es stellt einem das junge Genie Mary Shelley in starken, einprägsamen Bildern vor Augen.