Alex Beard: "Wie Kinder gerne lernen. Internationale Konzepte für eine Schule der Zukunft"
Übersetzt von Franka Reinhart und Claudia Van Den Block
Piper Verlag, München 2019
493 Seiten, 24 Euro
Scheitern als Chance
06:14 Minuten
Lust am Lernen sei tief in der Psyche jedes Menschen verankert, glaubt Alex Beard. Doch die gängigen Lernkonzepte taugten kaum für die Bildungswelt im Informationszeitalter. So reiste der Bildungsexperte um die Welt, um die Schule der Zukunft zu suchen.
Seinem Anfang wohnte kein Zauber inne. Der junge Lehrer Alex Beard startet zwar voller Motivation und mit großen Ambitionen an einer Problemschule in Süd-London ins Berufsleben. Schnell landet er aber im schnöden Alltag: Statt seine Schüler in die Welt von Shakespeares "Romeo und Julia" zu entführen, kämpft er mit vergessenen Hausaufgaben, verlorenen Büchern und mangelnden Sprachkenntnissen.
Lebenslanges Lernen ist mehr als ein Schlagwort
Nun glaubt Beard felsenfest daran, dass die Lust am Lernen ein menschliches Grundbedürfnis ist und begibt sich deshalb auf die Suche. Er findet Schulen, die Lernerfolge für alle Schüler ermöglichen – unabhängig von Herkunft und Elternhaus. Er trifft Pädagogen, Neurowissenschaftler und Psychologen, die sich mit der Zukunft der Bildung beschäftigen.
Der Autor setzt aus vielen Puzzleteilchen sein großes Bild zusammen: Lebenslanges Lernen, so seine Erkenntnis, ist weit mehr als ein Schlagwort in politischen und gesellschaftlichen Debatten. Es ist eine echte Notwendigkeit im Informationszeitalter und lässt sich nur erreichen, wenn sich die Konzepte von Lehren und Lernen radikal ändern.
Beards Reise auf der Suche nach neuen Ansätzen ist ein temporeicher und farbenfroher Trip durch die Welt der Bildung: Da sind die oft gepriesenen Finnen, die leistungsgemischte Klassen gesetzlich vorschreiben. Hier träumt PISA-Vordenker Andreas Schleicher, der "Schulmeister der Welt", von durchlässigen und atmenden Bildungseinrichtungen. Und unter der Sonne Kaliforniens betritt der Leser Klassenzimmer, in denen Systeme künstlicher Intelligenz das Unterrichten übernommen haben.
Neugierde wecken statt Information abspeichern
Doch "Wie Kinder gerne lernen" ist mehr als eine bloße Collage von Anekdoten und Begegnungen mit Schülern, Lehrern und Wissenschaftlern. Das Buch ist der Versuch zu belegen, dass die Welt eine Abkehr von traditioneller Wissensvermittlung brauche.
Herkömmliche Bildungsmodelle "behandeln unseren Geist wie Computer, in die man Informationen einspeist", schreibt Beard. Und argumentiert, dass die Bildung der Zukunft vor allem auf urmenschliche Kernkompetenzen setzen müsse: Neugierde, Kommunikation und Zweifel – ein Gefühl, dass Beard als unterschätzte "Quelle der Weisheit" deutet.
Er lässt Neurowissenschaftler zu Wort kommen, die zeigen: Das menschliche Gehirn lernt nicht, indem es Wissen in möglichst einfache Informationshäppchen teilt, sondern dadurch, etwas Komplexes zu durchdringen.
Seine Argumentationslinie ist dabei weitgehend schlüssig und stringent – wenngleich ob der Fülle an pädagogischen, medizinischen und psychologischen Studienergebnissen und Experimenten bisweilen etwas langatmig. Der permanente Wechsel vom Praktiker zum Experten ist nicht immer glücklich verzahnt. Seine inhaltlich zuweilen gewagten Sprünge vom Klassenzimmer ins Forschungslabor verlangen dem Leser einiges an Geduld ab.
Lehren und Lernen neu denken
Doch es lohnt sich, Alex Beard auf seiner Reise zu begleiten, denn er verliert sich nicht in der Larmoyanz über die vermeintlich gute alte Zeit, in der es ein klar umrissenes Bildungsideal gab. Er blickt humorvoll in die Zukunft und will Mut machen, Bildung im digitalen Zeitalter von Grund auf neu zu denken. Der Autor ist dabei klug genug, selbst keine einfache Patentlösung aus dem Hut zu zaubern, die alle Probleme lösen würde.
In einem ist sich Beard aber sicher: "Der Weg zum Glück ist flankiert von Freunden, die einen anfeuern." Der Prozess des Lehrens und Lernens bleibe ein sozialer, den Menschen letztlich nur gemeinsam bewältigen können. Beim lauten, oft verbittert geführten Kampf um die vermeintlich richtige Bildung ist das eine durchaus tröstliche Botschaft.