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Abschiedsgruß aus dem alten Russland
Alexander Glasunow war ein Phänomen unter den Komponisten seiner Generation. Seine Sinfonien sind Dokumente der Kultur des untergehenden russischen Zarenreichs – und eine Wiederentdeckung wert.
Alexander Glasunow, geboren 1865 in Sankt Petersburg und gestorben 1936 in Paris, war das musikalische Wundertier seiner Zeit. Kein Kollege konnte ähnlich umfassende Kenntnisse und praktische Fähigkeiten vorweisen, keiner versah seine akademischen Ämter so selbstlos und mit solchem sozialen Engagement wie er. Als Komponist bezog sich Glasunow sowohl auf die Moskauer Tschaikowsky-Tradition als auch auf die Schule der fünf Neuerer aus Sankt Petersburg.
Revolutionärer Reichtum
Glasunows Orchesterpartituren sind bezwingend in ihrem melodischen Reichtum, ihrer makellosen opulenten Harmonik, polyphonen und kontrapunktischen Vielschichtigkeit und nicht zuletzt in ihrer instrumentalen Brillanz. Seine Musik besitzt ein ganz persönliches Idiom, einen Personalstil, der ihn von allen Zeitgenossen unterscheidet und der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Nachahmer fand.
Die während der Revolution 1905 komponierte 8. Sinfonie Es-Dur op. 83 ist ein Sonderfall in seinem Schaffen: tiefgründig wie Tschaikowskys "Pathétique", hervorgegangen aus persönlichen wie gesellschaftlichen Konflikten, stellte ihr ambivalenter Ausdrucksgestus seit jeher die Ausübenden vor gewaltige Probleme.
Im Studio beliebter als im Saal
Nur sehr wenigen Dirigenten erschloss sich der Geist dieses Meisterwerkes. Gleichwohl gehört Glasunows Achte in Russland zum Kernrepertoire. Im Westen blieb die – neben Skrjabins und Rachmaninows Beiträgen zu dieser Gattung – bedeutendste russische Sinfonie ihrer Zeit nahezu unbekannt. Karriere hat sie bei uns bisher nur auf dem Tonträgermarkt gemacht. Volker Tarnow vergleicht in dieser Sendung die erstaunlich prominent besetzten Aufnahmen eines im Konzertsaal zu wenig beachteten Werks.