Alexander Graf Lambsdorff: Europa muss Stabilisierungsplan für Libyen erarbeiten
Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Außenpolitiker im Europäischen Parlament, hat die Europäische Union aufgefordert, einen "Befriedungsplan" für Libyen für die Zeit nach Gaddafi zu erarbeiten. Libyen benötige nach einem Sieg der Rebellen schnelle Hilfe, um die Infrastruktur wieder aufzubauen.
Nana Brink: Noch wird auf den Straßen Tripolis' gekämpft, aber die Schlinge um Machthaber Muammar al-Gaddafi schließt sich immer mehr. Jetzt macht sich der Nationale Übergangsrat trotz der unsicheren Lage auf den Weg in die lybische Hauptstadt, und das Ausland bereitet sich auf einen Abgang Gaddafis vor – allerdings weiß man ja immer noch nicht, wo er ist. Vor allem eines scheint jetzt wichtig: Schaffen es die Rebellen, für Ruhe und Ordnung in dieser heiklen Übergangsphase zu sorgen? Wenn nicht, muss die NATO dann eingreifen, vielleicht diesmal auch mit Beteiligung der Bundeswehr? Am Telefon ist jetzt Alexander Graf Lambsdorff, er sitzt für die Liberalen im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Schönen Guten Morgen, Graf Lambsdorff!
Alexander Graf Lambsdorff: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Auch Ihr Parteifreund, Außenminister Westerwelle, schließt einen deutschen Einsatz von Soldaten in Libyen nicht aus, die sich ja bekanntermaßen nicht am NATO-Einsatz beteiligt haben. Was kann die Bundeswehr tun?
Lambsdorff: Die Frage jetzt schon zu beantworten, wäre sicher zu früh. Wenn die Bundeswehr sich an einer Stabilisierungsmission beteiligen würde, dann wäre das auf Grundlage einer Anfrage der Vereinten Nationen. Eine solche Anfrage liegt nicht vor. Das ist auch nicht überraschend, denn eines ist ja klar: Wir dürfen hier eines nicht aus den Augen verlieren, noch ist diese Sache nicht zu Ende. Die Nachricht davon, dass Saif al-Islam Gaddafi frei ist, hat ja gezeigt, dass auch mit der Wahrheit es auf beiden Seiten nicht ganz so eng gesehen wird, was die Berichterstattung dort angeht. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie das ausgeht, in Tripolis, in Libyen, und dann schauen wir, ob die Vereinten Nationen tatsächlich einen militärischen Einsatz für erforderlich halten, und dann prüfen wir, ob die Bundeswehr eingesetzt werden muss, oder nicht.
Brink: Aber trotzdem ist es doch eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber einem militärischen Eingreifen, das ja bislang kategorisch von Deutschland ausgeschlossen worden ist.
Lambsdorff: Es gibt einen fundamentalen Unterschied, Frau Brink, zwischen einem militärischen Eingreifen in einem feindlichen Umfeld, sprich, mit Kampfhandlungen, und in einem stabilisierenden Umfeld, also in einem Umfeld, wo nicht unmittelbar von einer Bedrohung für die Truppen auszugehen ist, sondern wo das ein Beitrag zur Stabilisierung ist. Das sind zwei wirklich grundverschiedene Dinge. Insofern würde ich das auch nicht miteinander vergleichen wollen.
Brink: Trotzdem hat ja die Bundesrepublik immer signalisiert: Wir mischen uns nicht ein. Auch als es um Strafmaßnahmen, also auch um ein Waffenembargo ging, hat ja Westerwelle klargemacht: Nicht mit uns! Und jetzt plötzlich sagt er: Könnte doch sein!
Lambsdorff: Ja, genau. Aber ein Waffenembargo wird durchgesetzt gegen ein Land – das war ganz genau so, wie Herr Westerwelle das gesagt hat, wurde das dann auch von der Bundesregierung verfolgt –, nun, wenn dieses Land aber selber darum bittet, dass Bundeswehrsoldaten, dass europäische Soldaten, dass vielleicht auch Soldaten aus Ländern der Arabischen Liga zur Stabilisierung dort eingesetzt werden, die Vereinten Nationen das Ganze begleiten mit einem Mandat versehen, dann ist das wirklich eine vollkommen andere Situation, als wenn sie sich in Kampfhandlungen begeben?
Brink: Wie schätzen Sie denn die Lage in Libyen jetzt ein, welche Hilfe auch gerade vonseiten Europas und Deutschland ist jetzt am nötigsten?
Lambsdorff: Also, ich glaube, zunächst einmal – ich habe das ja eben schon gesagt –, die Lage in Libyen im Moment einzuschätzen, ist sehr schwierig, einfach deswegen, weil die Kämpfe in Tripolis ja noch andauern, weil einige Meldungen sich ja offenkundig als falsch herausgestellt haben, dass hier bereits der Sieg der Rebellen feststünde. Hier müssen wir einfach abwarten, wie das Ganze ausgeht. Wir dürfen eines nicht vergessen: Die Mittel, die die Nato zur Verfügung hat im Kampf gegen die Truppen von Herrn Gaddafi zum Schutz der Zivilbevölkerung auf Grundlage des UNO-Mandats, diese Mittel sind aus der Luft eingesetzt worden, das nützt ihnen im Kampf in Tripolis überhaupt nichts, das heißt, da sind die Rebellen auf sich gestellt. Die Lage ist also militärisch nach wie vor etwas unübersichtlich, jedenfalls was Tripolis angeht. Was die Hilfen angeht für die Zeit danach, ganz klar: Infrastruktur muss wieder aufgebaut werden, die Häfen sind schwer beschädigt worden, in den Städten ist die Infrastruktur beschädigt worden – aber darüber hinaus, und das ist das eigentlich Entscheidende, darüber hinaus muss aufgebaut werden ein Gemeinwesen, das friedlich miteinander auskommt. Es ist ja eines klar: Es gibt keine funktionierende Justiz, es gibt keine freien Medien, es gibt keine Erfahrungen mit Demokratie, es gibt eine traditionell ausgesprochen schwache Zentralgewalt in Libyen. Hierbei Hilfe zu leisten, dass das nicht umschlägt in eine Situation, wie wir sie aus dem Irak kennen, also mit kämpfenden Fraktionen, die sich gegenseitig das Leben schwer machen und dem Land die Zukunft verbauen. Wenn wir dabei helfen und einen konstruktiven Beitrag leisten können, dann wäre das in meinen Augen jedenfalls das Wichtigste.
Brink: Sie sitzen ja im Europaparlament. Muss es ein sozusagen europäisches Aufbau- und Befriedungskonzept geben? Lassen Sie mich es salopp formulieren: Eine Art Marshall-Plan für Libyen?
Lambsdorff: Also, ich glaube, das Land Libyen ist so wohlhabend, dass, wenn wir Marshall-Plan sagen und dabei an starke finanzielle Dinge denken, dann ist das vielleicht gar nicht so sehr das Primäre. Sondern das Primäre ist in der Tat das, was Sie gerade gesagt haben. Was wir brauchen, ist ein europäischer Befriedungsplan, mit dem die Europäische Union und da einige Mitgliedsstaaten, die sich Libyen besonders nah, besonders verbunden fühlen – ich denke hier in erster Linie an Italien –, mit denen die Europäische Union also und einige Mitgliedsstaaten konstruktiv und mit langem Atem dem Land helfen auf dem Weg in eine friedliche und hoffentlich demokratische Zukunft.
Brink: Schafft es denn Europa, mit einer Stimme zu sprechen? In der Vergangenheit ist das ja gerade im Fall Libyens nicht immer der Fall gewesen – siehe Frankreichs Vorstoß mit Hinblick auf die militärische Intervention, und Deutschlands Enthaltung?
Lambsdorff: Ja, in der Tat, Libyen ist kein Musterbeispiel für den Zusammenhalt der europäischen Außenpolitik. Sie können sich vorstellen, dass ich das außerordentlich bedaure. Ich habe auch natürlich dieses Auseinanderfallen der Europäer im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bedauert. Nur für die Zeit nach dem Ende Gaddafis, wenn sie denn kommt, für diese Zeit bin ich sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, die Europäer auch zu einen und ...
Brink: Pardon, was macht Sie denn so zuversichtlich?
Lambsdorff: Nun, einfach deswegen, die ...
Brink: Wirtschaftliche Interessen?
Lambsdorff: Ja, wirtschaftliche Interessen, aber auch strategische Interessen! Das ist ja die Südküste, sozusagen, uns direkt gegenüberliegende Küste von Europa aus betrachtet. Franzosen, Italiener, Spanier haben alle ein großes Interesse daran, dass dort Stabilität herrscht – und es sollte eine demokratische Stabilität sein, nicht eine Pseudostabilität, die auf Diktatur beruht. Wir haben ja gesehen, wohin das geführt hat. Ich glaube aber, für den Wiederaufbau, für die Befriedung, für die Entwicklung gemeinsamer Konzepte, da können wir auf Stärken gerade der Europäischen Union und langjähriger Erfahrung auch durch die Außenpolitik der Europäischen Kommission bauen, dass es dort wirklich möglich sein wird, ein gemeinsames, europäisches Konzept zu entwickeln und dann auch umzusetzen.
Brink: Blicken wir noch einen Schritt weiter, nach Syrien. Dort sieht die Situation ja ganz anders aus, Präsident Assad ist weiterhin an der Macht. Die USA und Europa bereiten Sanktionen vor. Ist Deutschland dabei und wie sollen sie aussehen?
Lambsdorff: Das Entscheidende bei den Sanktionen gegen Syrien ist, dass der Ankauf von Öl durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union endet, weil das für die Finanzierung des Regimes ganz entscheidend ist. Ich glaube, dass Deutschland hierbei mitmachen wird, es sollte auf jeden Fall mitmachend. Entscheidend in der ganzen Situation in Syrien ist allerdings die Türkei als unmittelbarer Nachbar und als Land, das einen Annäherungsprozess vollzogen hat über viele Jahre jetzt mit Syrien, und den jetzt abrupt gestoppt hat und sich ganz klar auf die Seite der NATO, der Europäischen Union gestellt hat, Druck auf Assad macht, die Stellungnahme von Außenminister Davutoğlu zu den Ereignissen in Libyen kann ja nur als Mahnung an Assad verstanden werden. Er hat sinngemäß gesagt: So geht es Diktatoren, die den Willen ihres Volkes nicht beachten. Das gilt natürlich direkt für Assad, das heißt, wir zählen hier insbesondere auf die Türkei.
Brink: Alexander Graf Lambsdorff. Er sitzt für die Liberalen im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Schönen Dank für das Gespräch!
Lambsdorff: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Alexander Graf Lambsdorff: Schönen guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Auch Ihr Parteifreund, Außenminister Westerwelle, schließt einen deutschen Einsatz von Soldaten in Libyen nicht aus, die sich ja bekanntermaßen nicht am NATO-Einsatz beteiligt haben. Was kann die Bundeswehr tun?
Lambsdorff: Die Frage jetzt schon zu beantworten, wäre sicher zu früh. Wenn die Bundeswehr sich an einer Stabilisierungsmission beteiligen würde, dann wäre das auf Grundlage einer Anfrage der Vereinten Nationen. Eine solche Anfrage liegt nicht vor. Das ist auch nicht überraschend, denn eines ist ja klar: Wir dürfen hier eines nicht aus den Augen verlieren, noch ist diese Sache nicht zu Ende. Die Nachricht davon, dass Saif al-Islam Gaddafi frei ist, hat ja gezeigt, dass auch mit der Wahrheit es auf beiden Seiten nicht ganz so eng gesehen wird, was die Berichterstattung dort angeht. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie das ausgeht, in Tripolis, in Libyen, und dann schauen wir, ob die Vereinten Nationen tatsächlich einen militärischen Einsatz für erforderlich halten, und dann prüfen wir, ob die Bundeswehr eingesetzt werden muss, oder nicht.
Brink: Aber trotzdem ist es doch eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber einem militärischen Eingreifen, das ja bislang kategorisch von Deutschland ausgeschlossen worden ist.
Lambsdorff: Es gibt einen fundamentalen Unterschied, Frau Brink, zwischen einem militärischen Eingreifen in einem feindlichen Umfeld, sprich, mit Kampfhandlungen, und in einem stabilisierenden Umfeld, also in einem Umfeld, wo nicht unmittelbar von einer Bedrohung für die Truppen auszugehen ist, sondern wo das ein Beitrag zur Stabilisierung ist. Das sind zwei wirklich grundverschiedene Dinge. Insofern würde ich das auch nicht miteinander vergleichen wollen.
Brink: Trotzdem hat ja die Bundesrepublik immer signalisiert: Wir mischen uns nicht ein. Auch als es um Strafmaßnahmen, also auch um ein Waffenembargo ging, hat ja Westerwelle klargemacht: Nicht mit uns! Und jetzt plötzlich sagt er: Könnte doch sein!
Lambsdorff: Ja, genau. Aber ein Waffenembargo wird durchgesetzt gegen ein Land – das war ganz genau so, wie Herr Westerwelle das gesagt hat, wurde das dann auch von der Bundesregierung verfolgt –, nun, wenn dieses Land aber selber darum bittet, dass Bundeswehrsoldaten, dass europäische Soldaten, dass vielleicht auch Soldaten aus Ländern der Arabischen Liga zur Stabilisierung dort eingesetzt werden, die Vereinten Nationen das Ganze begleiten mit einem Mandat versehen, dann ist das wirklich eine vollkommen andere Situation, als wenn sie sich in Kampfhandlungen begeben?
Brink: Wie schätzen Sie denn die Lage in Libyen jetzt ein, welche Hilfe auch gerade vonseiten Europas und Deutschland ist jetzt am nötigsten?
Lambsdorff: Also, ich glaube, zunächst einmal – ich habe das ja eben schon gesagt –, die Lage in Libyen im Moment einzuschätzen, ist sehr schwierig, einfach deswegen, weil die Kämpfe in Tripolis ja noch andauern, weil einige Meldungen sich ja offenkundig als falsch herausgestellt haben, dass hier bereits der Sieg der Rebellen feststünde. Hier müssen wir einfach abwarten, wie das Ganze ausgeht. Wir dürfen eines nicht vergessen: Die Mittel, die die Nato zur Verfügung hat im Kampf gegen die Truppen von Herrn Gaddafi zum Schutz der Zivilbevölkerung auf Grundlage des UNO-Mandats, diese Mittel sind aus der Luft eingesetzt worden, das nützt ihnen im Kampf in Tripolis überhaupt nichts, das heißt, da sind die Rebellen auf sich gestellt. Die Lage ist also militärisch nach wie vor etwas unübersichtlich, jedenfalls was Tripolis angeht. Was die Hilfen angeht für die Zeit danach, ganz klar: Infrastruktur muss wieder aufgebaut werden, die Häfen sind schwer beschädigt worden, in den Städten ist die Infrastruktur beschädigt worden – aber darüber hinaus, und das ist das eigentlich Entscheidende, darüber hinaus muss aufgebaut werden ein Gemeinwesen, das friedlich miteinander auskommt. Es ist ja eines klar: Es gibt keine funktionierende Justiz, es gibt keine freien Medien, es gibt keine Erfahrungen mit Demokratie, es gibt eine traditionell ausgesprochen schwache Zentralgewalt in Libyen. Hierbei Hilfe zu leisten, dass das nicht umschlägt in eine Situation, wie wir sie aus dem Irak kennen, also mit kämpfenden Fraktionen, die sich gegenseitig das Leben schwer machen und dem Land die Zukunft verbauen. Wenn wir dabei helfen und einen konstruktiven Beitrag leisten können, dann wäre das in meinen Augen jedenfalls das Wichtigste.
Brink: Sie sitzen ja im Europaparlament. Muss es ein sozusagen europäisches Aufbau- und Befriedungskonzept geben? Lassen Sie mich es salopp formulieren: Eine Art Marshall-Plan für Libyen?
Lambsdorff: Also, ich glaube, das Land Libyen ist so wohlhabend, dass, wenn wir Marshall-Plan sagen und dabei an starke finanzielle Dinge denken, dann ist das vielleicht gar nicht so sehr das Primäre. Sondern das Primäre ist in der Tat das, was Sie gerade gesagt haben. Was wir brauchen, ist ein europäischer Befriedungsplan, mit dem die Europäische Union und da einige Mitgliedsstaaten, die sich Libyen besonders nah, besonders verbunden fühlen – ich denke hier in erster Linie an Italien –, mit denen die Europäische Union also und einige Mitgliedsstaaten konstruktiv und mit langem Atem dem Land helfen auf dem Weg in eine friedliche und hoffentlich demokratische Zukunft.
Brink: Schafft es denn Europa, mit einer Stimme zu sprechen? In der Vergangenheit ist das ja gerade im Fall Libyens nicht immer der Fall gewesen – siehe Frankreichs Vorstoß mit Hinblick auf die militärische Intervention, und Deutschlands Enthaltung?
Lambsdorff: Ja, in der Tat, Libyen ist kein Musterbeispiel für den Zusammenhalt der europäischen Außenpolitik. Sie können sich vorstellen, dass ich das außerordentlich bedaure. Ich habe auch natürlich dieses Auseinanderfallen der Europäer im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bedauert. Nur für die Zeit nach dem Ende Gaddafis, wenn sie denn kommt, für diese Zeit bin ich sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, die Europäer auch zu einen und ...
Brink: Pardon, was macht Sie denn so zuversichtlich?
Lambsdorff: Nun, einfach deswegen, die ...
Brink: Wirtschaftliche Interessen?
Lambsdorff: Ja, wirtschaftliche Interessen, aber auch strategische Interessen! Das ist ja die Südküste, sozusagen, uns direkt gegenüberliegende Küste von Europa aus betrachtet. Franzosen, Italiener, Spanier haben alle ein großes Interesse daran, dass dort Stabilität herrscht – und es sollte eine demokratische Stabilität sein, nicht eine Pseudostabilität, die auf Diktatur beruht. Wir haben ja gesehen, wohin das geführt hat. Ich glaube aber, für den Wiederaufbau, für die Befriedung, für die Entwicklung gemeinsamer Konzepte, da können wir auf Stärken gerade der Europäischen Union und langjähriger Erfahrung auch durch die Außenpolitik der Europäischen Kommission bauen, dass es dort wirklich möglich sein wird, ein gemeinsames, europäisches Konzept zu entwickeln und dann auch umzusetzen.
Brink: Blicken wir noch einen Schritt weiter, nach Syrien. Dort sieht die Situation ja ganz anders aus, Präsident Assad ist weiterhin an der Macht. Die USA und Europa bereiten Sanktionen vor. Ist Deutschland dabei und wie sollen sie aussehen?
Lambsdorff: Das Entscheidende bei den Sanktionen gegen Syrien ist, dass der Ankauf von Öl durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union endet, weil das für die Finanzierung des Regimes ganz entscheidend ist. Ich glaube, dass Deutschland hierbei mitmachen wird, es sollte auf jeden Fall mitmachend. Entscheidend in der ganzen Situation in Syrien ist allerdings die Türkei als unmittelbarer Nachbar und als Land, das einen Annäherungsprozess vollzogen hat über viele Jahre jetzt mit Syrien, und den jetzt abrupt gestoppt hat und sich ganz klar auf die Seite der NATO, der Europäischen Union gestellt hat, Druck auf Assad macht, die Stellungnahme von Außenminister Davutoğlu zu den Ereignissen in Libyen kann ja nur als Mahnung an Assad verstanden werden. Er hat sinngemäß gesagt: So geht es Diktatoren, die den Willen ihres Volkes nicht beachten. Das gilt natürlich direkt für Assad, das heißt, wir zählen hier insbesondere auf die Türkei.
Brink: Alexander Graf Lambsdorff. Er sitzt für die Liberalen im Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments. Schönen Dank für das Gespräch!
Lambsdorff: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.