Alexander Kluge: Das Buch der Kommentare. Unruhiger Garten der Seele
Suhrkamp, Berlin 2022
400 Seiten, 32 Euro
Alexander Kluge über seine "Kommentare"
Am 14. Februar 2022 wird Alexander Kluge 90 Jahre alt. In seinem neuen Buch blickt er zurück - und nach vorn. © Markus Kirchgessner
Gedanken dürfen die Dinge nicht kolonisieren
32:29 Minuten
Respekt vor der Einzelheit und dem Besonderen: Alexander Kluges "Buch der Kommentare" ist keine lineare Erzählung, sondern bohrt in die Tiefe der Geistesgeschichte und seiner eigenen Erfahrungen. "Manchmal muss man einfach graben", sagt er.
Autobiografisches, Ideengeschichte und Gegenwartanalyse – das alles versammelt der Filmemacher, Schriftsteller, Jurist und Philosoph Alexander Kluge in seinem neuen Buch, das kurz vor seinem 90. Geburtstag im Suhrkamp-Verlag erscheint.
"Buch der Kommentare: Unruhiger Garten der Seele" ist eine 400 Seiten starke Kompilation aus Bildern und Texten zu unterschiedlichen Themen: von der akustischen Erinnerung an seine Kindheit in Halberstadt über das Murmeln der Pilotfische, einen Kommentar zu einer Zeichnung Sigmund Freuds bis zu Gedanken zum düsteren Coronaadvent 2020.
Eine Ausgrabungsgeschichte des Geistes
Als Kommentare folgen die Texte bewusst keinem linearen Erzählprinzip, wie Kluge im Deutschlandfunk Kultur deutlich macht. Novelle oder Drama erzählten linear, sagt er. „Aber manchmal muss man bei einer Erfahrung verweilen und einfach graben, das heißt: in die Vertikale gehen.“
Eine seiner "Grabungen" führt ihn zu Jürgen Habermas und dessen 2019 erschienenem "Auch eine Geschichte der Philosophie" – ein Buch, das ihn "entzückt" und "verblüfft" und ihm eine Landkarte für seine eigenen Erkundungen geliefert hat.
„Als Kartograf ist zunächst einmal Habermas da und auch notwendig, um überhaupt diese Linie von 500 vor Christus bis heute nachzuvollziehen", sagt Kluge. "Das ist ja wie eine Straßenkarte des Geistes. Und in Kenntnis dieser Straßen interessieren mich außerdem noch die Waldwege und ein paar Wasserstellen und die Maulwurfshügel.“
"Der Gegenstand ist so wichtig wie der Autor"
Bis in die 1950er-Jahre reicht Kluges Verbindung zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule zurück, der auch Jürgen Habermas angehört. Einige ihrer Linien führt er in seinem Buch fort mit Blick auf deren "Respekt vor dem Besonderen und der Einzelheit" und hinsichtlich ihrer "Selbstbegrenzung des Denkens":
"Dass man sagt: Ich habe Mut mich meiner Erkenntnisfähigkeiten zu bedienen, aber ich habe auch Respekt vor den Dingen“, so Kluge. „Ich kolonisiere sie nicht mit meinen Gedanken. Das ist eine Grundauffassung der Kritischen Theorie. Das heißt: Das Gegenüber, der Gegenstand, ist so wichtig wie der Autor.“
(uko)