Komponist im Schatten der Großen
Alexander von Zemlinsky zählt zu den herausregenden Persönlichkeiten des Wiener Musiklebens nach 1900. Und stand doch stets im Schatten von Mahler, Strauss und Schönberg. Vor 100 Jahren wurde sein Opern-Einakter "Eine florentinische Tragödie" in Stuttgart uraufgeführt.
(Musik: Vorspiel aus "Eine florentinische Tragödie")
So grell und blendend beginnt die Oper "Eine florentinische Tragödie". Ihr Komponist, Alexander Zemlinsky, Meister seines Fachs, ist eine Figur im Schatten. Im Schatten größerer Meister, wie Gustav Mahler, Richard Strauss und Arnold Schönberg. Im Schatten von Katastrophen: Weltkrieg, Nazi-Diktatur, noch mal Weltkrieg. Und im Schatten einer unerfüllten Liebe – er ist der Lehrer und gefühlte, chancenlose Liebhaber Alma Mahlers. Als der Erste Weltkrieg tobt, am 30. Januar 1917, wird in Stuttgart "Eine florentinische Tragödie" aus der Taufe gehoben. Die Oper spiegelt die Epoche der Verwerfungen wider, die Ära der bösen Konflikte, der vergifteten Gefühle.
"Eine florentinische Tragödie", Alexander Zemlinskys Operneinakter, hat eine Schwester – die "Salome" von Richard Strauss. Das heißt: Beide Komponisten vertonten im frühen 20. Jahrhundert Theaterstücke des irischen Dichters und Skandalautors Oscar Wilde. Beide Opern schwelgen in modern-spätromantischen Klangfarben und einer erotisch aufgeheizten Atmosphäre. Zemlinskys Oper für drei Solisten und Orchester entfaltet eine Eifersuchtstragödie im Florenz der Renaissance. Der Tuchhändler Simone überrascht seine schöne Bianca in den Armen des Prinzen von Florenz. Die Rivalen treten an zum Duell, der Prinz wird getötet. Die Eheleute finden zurück zu ihrer obsessiven Liebe. Biancas Begehren triumphiert im melodischen Schmachten.
Krieg und Emigration sorgen für gründliches Vergessenwerden
Giacomo Puccini fand Oscar Wildes Text schön, geistreich, stark, tragisch, er wollte ihn vertonen, tat es aber nicht. Für Zemlinsky wurde die Oper zum Sinnbild für Alma Mahlers Liebesaffäre mit dem Architekten Walter Gropius, die ihren Ehemann Gustav Mahler in tiefste Erschütterung stürzte. Im Brief an Alma, die gegen die "Florentinische Tragödie" protestiert hatte, versuchte Zemlinsky fast schon wie ein Ankläger, den Seelenzustand seiner Opernfiguren als Almas Beziehungskonflikt zu identifizieren.
"Zwei Menschen, beide mit hohen Eigenschaften, leben durch des Schicksals Tücke aneinander vorbei. Er versäumt die Schönheit und das lebenssehnsüchtige Weib neben sich. Sie, die auf das Leben neben ihrem Mann wartet, sieht sich um ihre Jugend und Schönheit betrogen, wird lieblos und unglücklich und scheinbar voll Hass. Eine furchtbare Katastrophe ist notwendig, um beide zum Bewusstsein zu bringen ..."
Alexander Zemlinsky beschließt seinen Brief an Alma, Gustav Mahler war längst tot, mit einer panisch anmutenden Frage:
"Und Sie, gerade Sie haben das missverstanden?"
Als Komponist erregt er Aufsehen und erntet später Misserfolge
Der Komponist und Dirigent Alexander Zemlinsky lebt seine Kunst und das Leben als ein Zerrissener. Er wird 1871 in Wien geboren und stirbt 1942 in New York. Als Komponist erregt er Aufsehen und erntet später Misserfolge, Krieg und Emigration sorgen für gründliches Vergessenwerden. Zemlinskys künstlerische Tragik war, dass seine Musik nicht die elementare Schwungkraft erreichte, wie sie Gustav Mahler oder Richard Strauss in ihren Werken freisetzten – und dass etwa die "Florentinische Tragödie" nicht die Wucht der Strauss’schen "Salome" besitzt. Nur Zemlinskys Schüler und Schwager Arnold Schönberg hatte das Andenken an ihn immer hochgehalten.
"Zemlinsky ist derjenige, dem ich fast all mein Wissen um die Technik und die Probleme des Komponierens verdanke. Ich habe immer fest geglaubt, dass er ein großer Komponist war."
Das musikalische Schaffen Alexander Zemlinskys wird lange nach seinem Tod, erst in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts, neu entdeckt.