Alfred Biolek

Ein Trüffelschwein "aus Leidenschaft"

Der ehemalige Showmaster Alfred Biolek
Der ehemalige Showmaster Alfred Biolek ist tot. © picture alliance / dpa / Foto: Oliver Berg
Sandra Maischberger im Gespräch mit Dieter Kassel |
Mit TV-Sendungen wie "Kölner Treff", "Bio's Bahnhof" und "Boulevard Bio" hat Alfred Biolek das deutsche Fernsehen geprägt. Er habe "Maßstäbe gesetzt", sagt die Moderatorin Sandra Maischberger.
Dieter Kassel: Er hat als Produzent ein Fließband zum Star einer Samstagabendshow gemacht, Prominente wie Sammy Davis junior an einen stillgelegten Bahnhof nach Köln geholt und irgendwann beschlossen, vor der Kamera nur noch mit Menschen zu reden, die kochen können oder zumindest bereit sind, öffentlich zu zeigen, dass sie es nicht können. Das alles ist nur ein sehr, sehr kleiner Ausschnitt aus dem Fernsehleben von Alfred Biolek. Heute wird der Meister der anspruchsvollen Unterhaltung 80 Jahre alt, und wir reden deshalb mit einer Frau, die ihn seit Langem gut kennt und die zusammen mit ihrem Kollegen Hendrik Fritzler einen Fernsehfilm gedreht hat zu Alfred Bioleks Geburtstag. Sie kennt Bio sehr gut, und Sie kennen sicherlich sie sehr gut: Schönen guten Morgen, Sandra Maischberger!
Sandra Maischberger: Guten Morgen!
Kassel: Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie Alfred Biolek das erste Mal im Fernsehen gesehen haben?
Maischberger: Nein, da müsste ich lügen. Das ist so ein bisschen wie ein Möbel, das sie im Wohnzimmer ihrer Eltern so lange schon kennen, dass Sie gar nicht mehr wissen, wann sie es zum ersten Mal gesehen haben. Und übrigens: Möbel im Fernsehbereich ist ein Kompliment. Wenn es jemand zum Möbel geschafft hat, dann heißt das, er gehört selbstverständlich zum eigenen Leben dazu.
Kassel: Aber dann können Sie sich sicherlich an den Moment erinnern, als Sie ihn dann viel später das erste Mal getroffen haben?
Maischberger: Ich kann mich vor allem erinnern, als ich als schreibende Journalistin immer ein Interview mit ihm führen wollte, und er hat immer abgesagt. Daran kann ich mich sehr gut erinnern. Dann haben wir uns das erste Mal getroffen, als er mich interviewt hatte – das hatte natürlich eine gewisse Komik –, das war im Jahr 2000, ich machte n-tv und plötzlich hat er mich in seine Sendung eingeladen und wollte die erste Frage stellen und ich hab ihn überholt, wie immer. So haben wir uns dann ein bisschen besser kennengelernt.
Kassel: Aber das bringt uns fast auf eine Kritik, der Alfred Biolek als Talkmaster ja immer wieder ausgesetzt gewesen ist. Es hieß immer, er sei eigentlich zu sanft, zu harmlos, würde seinen Gästen zu viel durchgehen lassen und nicht streng genug nachfragen. Rückblickend, ist das berechtigt gewesen?
Maischberger: Nein, es ist höchstens dann berechtigt gewesen, wenn er dann einfach auch sich auf das politische Feld begeben hat. Ja, da ist es immer so, das ist auch meine Haltung immer gewesen: Wenn du Helmut Kohl einlädst, kannst du dich nicht nur auf den Menschen Helmut Kohl konzentrieren, es ist eben auch noch der Bundeskanzler. Und da finde ich, kann man jetzt nicht einfach nur die wunderbaren und die lockeren und die schönen Seiten dieses Lebens beleuchten. Das war aber Alfreds Haltung. Das kann man übrigens kritisieren, das haben auch viele getan, es ist aber einfach auch… es tut nichts zur Sache, was sein Fernsehleben angeht. Er hatte ja auf der anderen Seite eben aus sehr, sehr vielen Menschen Dinge herausgelockt, die eben sonst niemand gehört hat, weil er eben ihnen vermittelt hat, du erzählst genau das, was du erzählen möchtest, und ich werde dich nicht bedrängen.
Kassel: Sie kennen ihn ja inzwischen gut, haben für diesen Film, den ich erwähnt hab, ihn zwei Jahre begleitet. Ich nehme mal an, jetzt zurückblickend, hat er seinen Frieden mit der Kritik geschlossen, aber hat ihn das damals eigentlich auch getroffen?
"Hat sich häufig und durchgängig geärgert über Kritiken"
Maischberger: Also Tim Fischer, der einer der engen Freunde ist, die im Film über Alfred etwas sagen, sagte: Kritiken haben ihn überhaupt nicht gestört, weil er hat die einfach nicht mehr gelesen. Er hatte wohl so viele… er hat sich so häufig und so durchgängig geärgert über Kritiken, dass er irgendwann mal beschlossen hat, er liest es nicht mehr. Also daran erkennen Sie einerseits, ja, es hat ihn gestört, und andererseits, er hat seinen Weg gefunden, damit umzugehen.
Kassel: Er hat ja nicht nur in viele seiner Sendungen, die er gemacht hat, Leute bekommen, die schon sehr berühmt waren und dann teilweise zum ersten Mal im deutschen Fernsehen aufgetreten sind bei ihm, er hat ja auch Leute in Deutschland erst bekannt gemacht: Monty Python, das wissen die meisten, Kate Bush aber zum Beispiel auch. War er auch so was wie ein Trüffelschwein?
Maischberger: Absolut, und zwar aus Leidenschaft. Das ist eine Facette seines Lebens, die ich noch nicht kannte, bevor ich den Film gemacht habe. Er hat ja eine Festanstellung im ZDF aufgegeben, um freier Produzent in der Bavaria zu werden, die Produktionsfirma in München. Und als solcher hat er seine Leidenschaft für Kabarett, für Kunst, für Kleinkunst, für Musiker einfach umgesetzt ins Fernsehen und ist dann zum Teil eben zum Beispiel nächtelang durch Amsterdams Künstlerszene gezogen, um da Menschen zu entdecken, die er dann ins deutsche Fernsehen geholt hat. Also das war seine Leidenschaft und das hat er bei "Boulevard Bio" noch gemacht, aber vor allem eben bei "Bio's Bahnhof", da Kate Bush, die er als Erstes im deutschen Fernsehen präsentiert hat.
Kassel: Da sollten wir, glaube ich, mal erwähnen, dass… seine allererste Fernsehsendung beim ZDF war nämlich eine Sendung mit Tipps für Autofahrer.
Maischberger: Niedlich!
Kassel: Ich glaube, er hat bis heute keinen Führerschein, ne?
Maischberger: Ich hab ihn noch nie Auto fahren sehen, ich weiß nicht, ob er einen Führerschein hat, aber er kommt ganz gut ohne aus.
Kassel: Ich hab mal zu seinem – die Zeit vergeht so schnell – zu seinem 70. mit ihm gesprochen, und da hat er mir gesagt, arrogant bin ich nicht, aber eitel schon.
Maischberger: Ja, das ist ein gutes Wort, ja. Wirklich eine bewundernswerte Selbsterkenntnis.
Kassel: Kam Ihnen das auch… Wenn man zwei Jahre, auch wenn man Menschen vorher schon kennt, ihn für so einen Film beobachtet, macht man ja auch noch mal neue Erfahrungen – kam Ihnen das auch eitel vor?
"Einer der bestangezogenen Männer im deutschen Fernsehen"
Maischberger: Nein. Er hat… Seine Eitelkeit ist eine äußerliche, sehr stark, und ich finde, dass er einer der bestangezogenen Männer im deutschen Fernsehen war. Das liegt aber ein bisschen auch daran, dass die Latte da sehr tief liegt. Männer im deutschen Fernsehen haben sehr häufig einfach überhaupt nicht drauf geachtet, was sie angezogen haben, da hat er natürlich Maßstäbe setzen können. Also, seine Eitelkeit ist eine solche äußerlich, er ist aber auch jemand, der unheimlich gerne doch den Applaus hat, eine Eitelkeit eben des Gefallenwollens. Das kann man niemandem vorwerfen, der im Fernsehen arbeitet, denn ohne diese Eigenschaft taugen Sie für die Bühne gemeinhin nicht. Also da hab ich nichts Neues entdeckt bei ihm, nein.
Kassel: Ansonsten irgendwas, wenn man ihn so lange kennt, aber dann doch mal ganz anders ihn begleitet?
Maischberger: Na ja, ich bin nicht wirklich eng mit ihm befreundet gewesen, sonst hätte ich so einen Film nicht machen können, weil man dann zu nahe dran ist. Also es war eine sehr gute kollegiale Freundschaft, die eben sehr viele Lücken noch hatte, was das private und das persönliche Leben anging. Ich habe mit großer Überraschung festgestellt, dass er eben doch eine beispielsweise in New York in der Christopher-Street-Szene, also in diesem Schwulenviertel, sehr lange eben auch sich sehr zu Hause gefühlt hat. Darüber hat er bisher nicht so wahnsinnig viel geredet, und das ist sehr authentisch gewesen. Ich hab entdeckt daneben die Seite, dass er sehr klare Abschlüsse in seinem Leben immer gefunden hat und dann auch nicht mehr zurückgeblickt hat. Es gibt ja dieses Gedicht von Hermann Hesse, "Die Stufen", das zitieren sehr viele, dass man immer bei jeder Stufe eben auch Abschied nehmen muss, aber er ist wirklich einer der wenigen Menschen, die ich kenne, der es wirklich lebt. Er hat dann gesagt, das Fernsehen ist vorbei, dann hat er sich verabschiedet und weg war es. Die Heimat war verloren, dann war sie eben verloren, wir gucken nach vorne. Das finde ich bewundernswert.
Kassel: Das heißt, es hat ihm auch nichts ausgemacht – das hat mich fast ein bisschen gekränkt –, dass er ja eigentlich am allerallerberühmtesten wurde mit "alfredissimo!", also mit der Kochshow, und viele dann auch gesagt haben – und das, finde ich, ist ein vergiftetes Kompliment –, da hat er nun endlich die Rolle seines Lebens gefunden.
"Das ist im Prinzip die Erfindung der wöchentlichen Talkshow"
Maischberger: Also ich weiß nicht, wer das gesagt hat, aber das muss eine Minoritätsstimme sein. Viele haben anerkannt, was er an Maßstäben gesetzt hat in verschiedenen Epochen des Fernsehens. Vielleicht ist das Gedächtnis auch nur zu kurz, um dann zu wissen, was er eben gemacht hat beim "Kölner Treff", eben bei "Bio's Bahnhof" oder dann eben mit dem "Boulevard Bio", das ist im Prinzip die Erfindung der wöchentlichen Talkshow. Heute lockt das keinen mehr hinterm Ofen vor, aber zu der Zeit war das ziemlich prägend.
Kassel: Stapeln Sie nicht tief, Ihre wöchentliche Talkshow lockt schon noch Leute hinterm Ofen vor.
Maischberger: Ja, aber… Nein, ich sage nur, dass sie erfunden wurde von… Also es gab die Talkshows natürlich im dritten Programm, die waren etabliert, im Ersten gab es das nicht, es gab ein paar politische Sendungen zu der Zeit, aber nicht eben diese Art von Unterhaltung. Und da bauen jetzt alle anderen ihr Häuschen drauf.
Kassel: Wenn Sie sagen, Alfred Biolek kann wirklich abschließen mit Lebensphasen, dann muss ich den Eindruck schildern in Ihrem Film, dass ich doch manchmal bei ihm, gar nicht so sehr bei dem, was er gesagt hat, manchmal bei Blicken, bei Gesichtsausdrücken doch eine gewisse Melancholie gespürt hab. Ist es nicht doch so ein bisschen das Gefühl, das er hat, mein Fernsehen, das ich gemacht hab, das ich zum Teil auch groß gemacht hab, das gibt es so schlicht nicht mehr?
Maischberger: Ach, das kann sein, ich glaube aber nie, dass seine Melancholie sich so sehr auf das Fernsehen bezieht, eher auf das eigene Leben. Dieser Film ist ja auch unterschwellig ein Film über jemanden, der alt wird und eben auch mit den Folgen des Alterns zu kämpfen hat. Und ich glaube, die Melancholie bezieht sich auf das Leben, das er so, wie er es geführt hat und wie er es gelebt hat, so nicht mehr führen kann: Die Reisen, die großen Einladungen und Feste, die großen Auftritte – all dieses ist für einen eben jetzt 80-Jährigen so nicht mehr zu machen. Und ich kenne niemanden, der sich mit dieser Art von Verlust gut und leichtgetan hat, und bei ihm ist das eben merkbar.
Kassel: Sandra Maischberger, eine, wie ich es jetzt mal korrekt nenne, befreundete Kollegin von Alfred Biolek. Vielen Dank! Ihr Film ist ja schon gelaufen in der ARD in der letzten Woche, aber der Film "Mensch, Bio!" läuft heute Abend an seinem eigentlichen 80. Geburtstag noch einmal, und zwar um 22 Uhr im WDR-Fernsehen.
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