"Er ist so eine Art chinesischer Steve Jobs"
Der chinesische Internetkonzern Alibaba geht bald an der Wall Street an den Start. Viele versprechen sich schon jetzt märchenhafte Einnahmen. Das Internetunternehmen soll etwa 160 Milliarden Dollar wert sein und rund 16 davon beim Börsendebüt in den USA einsammeln.
Susanne Burg: Fast 1,4 Milliarden Dollar Gewinn hat der Online-Händler Alibaba im letzten Quartal des Jahres 2013 gemacht. Das ist deutlich mehr als Amazon und eBay zusammen. Und wenn Sie sich wundern, dass Sie bei Alibaba noch nie eingekauft haben, ja vielleicht noch nicht mal was davon gehört haben, dann ist das nicht unbedingt ein Wunder, denn die Gewinne hat Alibaba allein auf dem chinesischen Markt erwirtschaftet. Nun will Alibaba aber in den USA an die Börse gehen, entweder an die Hightech-Börse Nasdaq, oder an die New Yorker Stock Exchange. Wer Alibaba ist, das soll uns jetzt unser Korrespondent in Shanghai erklären. Hallo, Markus Rimmele!
Markus Rimmele: Ja, hallo!
Burg: Alibaba wird gerne beschrieben als eine Mischung aus Amazon und eBay mit einer Priese Paypal. Wie funktioniert Alibaba genau?
Rimmele: Ja, das ist schon ganz richtig gesagt. Alibaba, um es mal umfassend zu sagen, ist mit Abstand Chinas größter Online-Händler. 80 Prozent des chinesischen Online-Handels laufen über Alibaba. Wenn wir mal alle Plattformen zusammennehmen, dann ist das wirklich in einem Wert, der mehr ist als Amazon und eBay zusammen erwirtschaften. Schauen wir uns mal die Einzelteile an: Es gibt hier verschiedene Teile von Alibaba. Es gibt einmal die Seite Alibaba.com. Das ist die Ur-Webseite von Alibaba, wenn man so will. Mit der ging alles los 1999. Das ist eine Business-to-Business Seite. Wenn ich zum Beispiel 10.000 Lippenstifte kaufen will als Geschäftsmann, weil ich die weiterverkaufen will, dann finde ich auf Alibaba.com den passenden Hersteller, meistens in China. Dann gibt es das Online-Kaufhaus Taobao. Das heißt also nicht Alibaba, es heißt Taobao. Da kann ich alles kaufen, was ich mir wirklich nur denken kann. Es ist ein ganzes Universum. Da gibt es von Kleidung bis hin zu YAC-Milchpulver wirklich alles. Taobao, Alibaba verkauft da nicht selbst, sondern da haben Leute ihren kleinen Taobao-Shop, und das sind Kleinhändler und die haben auch ihr eigenes Risiko und Alibaba bekommt von denen einfach nur eine Gebühr. Dann gibt es Tmall. Das ist eine Plattform, auf der nur etablierte Marken verkaufen. Dann gibt es Alipay, das ist eine Art Paypal. Dann gibt es Alisoft, das ist ein Webservice für mittelständische Unternehmen. Alibaba hat sich jetzt auch eingekauft ins Filmbusiness beim twitterähnlichen Dienst Waebao, beim youtubeähnlichen Dienst Yaokao, bei dem Online-Kartendienst Cloudcomputing und sogar einen Geldmarktfonds hat Alibaba gegründet und ist auch prompt zum größten Vermögensverwalter in China geworden. Das alles ist Alibaba.
Burg: Eigentlich müsste man fragen, was macht Alibaba nicht.
Rimmele: Genau.
"Ausländer können da kaum kaufen"
Burg: Sehr, sehr breit aufgestellt. - Wie stark ist denn das Business-Modell auch wirklich auf chinesische Bedürfnisse zugeschnitten?
Rimmele: Es ist sehr stark auf China zugeschnitten. Das sieht man schon daran, zum Beispiel Taobao ist eine chinesische Webseite. Ausländer können da kaum kaufen. Sie können es sich vielleicht im Internet übersetzen lassen, aber das ist sehr schwierig. Das ist natürlich auf chinesische, sagen wir mal, Kaufgewohnheiten zugeschnitten. Da gibt es natürlich auch viele Dinge, die man anderswo nicht kaufen würde. Aber grundsätzlich ist es schon einfach ein Online-Handel, der auch übertragbar wäre aufs Ausland. Die machen auch keine Hexerei. Aber sie haben einfach diese starke Vernetzung in dem chinesischen Markt. Sie wissen halt auch, wie man chinesische Konsumenten anspricht, wo man sie erreicht, und haben sich mittlerweile vernetzt mit diesen vielen, vielen Diensten darum herum und das gibt ihnen diese Stärke hier im Markt.
Burg: Sie sagten es ja schon: 80 Prozent des privaten Internet-Handels wickelt der Konzern ab. Inwieweit hat das den Handel in China denn auch wirklich revolutioniert, wie es das Unternehmen gerne behauptet?
Rimmele: Alibaba - und das ist, glaube ich, wirklich so - hat diesen Online-Handel erst groß gemacht in China. Ohne Alibaba ist das gar nicht denkbar. Es gibt eine andere Zahl heute: Alle Pakete, alle in China verschickten Pakete, wenn man die mal zusammennimmt, 60 Prozent davon gehen auf das Konto von Alibaba. Das zeigt noch mal die Größe. Die Chinesen kaufen heute acht Prozent ihrer Einkäufe online. Das ist mehr als in den USA. Und dass das so gekommen ist, daran hat Alibaba einen hohen Anteil. Und alle rechnen auch damit, dass das noch weiter ansteigen wird auf bis zu 30 Prozent, und deshalb ist jetzt auch die Stimmung vor diesem Börsengang so gut.
Börsengang ist Schritt zum Weltkonzern
Burg: Der Alibaba-Gründer Jack Ma wird auch gerne mit Apple-Gründer Steve Jobs verglichen. Jack Ma, so heißt es, sei ähnlich visionär. Wie sehen Sie das?
Rimmele: Das ist schon vergleichbar, auch wenn so Vergleiche immer hinken. Aber er ist so eine Art chinesischer Steve Jobs. Er hat aus dem Nichts heraus diesen Konzern aufgebaut. Das ging bei ihm los Ende der 90er-Jahre in seiner Privatwohnung in Hangzo. Jack Ma war damals Englischlehrer. Ich glaube, zwei Dinge sind wirklich interessant an ihm: dieses Visionäre, was er wirklich hat und was in China selten anzutreffen ist, auch bei Unternehmern. Er war schon sehr früh davon überzeugt, dass er da einen Weltkonzern bauen will, der mindestens 80 Jahre bestehen soll. Er hat sich schon sehr clever auch bewusst einen Namen gesucht, den man in allen Sprachen gleich ausspricht, dass es da keine Hemmschwelle gibt. Das zeigt schon, dass er schon internationale Ambitionen hat. Er ist gleichzeitig sehr charismatisch und das zeichnet ihn aus. Er zeigt sich in der Öffentlichkeit, er ist in den Medien, er spricht fließend Englisch, er spricht auch frei, und all das ist recht ungewöhnlich. Er ist also ein sehr angreifender Unternehmer, der einen Weltkonzern schaffen will, und so ein Börsengang ist für ihn einfach auch nur ein Schritt hin zu diesem Ziel.
Burg: Unser Korrespondent in Shanghai, Markus Rimmele, über das chinesische Online-Unternehmen Alibaba.
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