Filmproduzentin und Journalistin Alice Brauner
Arthur und Maria Brauner litten beide unter den Wirren der Nachkriegszeit. In Berlin konnten sie schließlich heiraten. Ihre Tochter Alice erzählt in "Also dann in Berlin..." ihre Geschichte. © picture alliance / Ralf Succo / SuccoMedia
„Ich würde mich eine kreative Produzentin nennen“
32:20 Minuten
Sie ist promovierte Antisemitismus-Forscherin und Filmproduzentin: Alice Brauner, Tochter des legendären Filmmoguls Artur „Atze“ Brauner. Mit einem Buch will sie ihren Eltern, die den Holocaust überlebt haben, ein Denkmal setzen.
„Ein Genie“, „ein toller Vater“, aber auch „ein schwieriger Mensch wie alle diese Patriarchen“ – so beschreibt Alice Brauner ihren Vater Artur Brauner, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der wichtigsten Filmproduzenten hierzulande wurde. Es habe nur „seine und die falsche Meinung“ gegeben.
Ihre Mutter dagegen sei „ein Engel“ gewesen, „ein charakterlicher Ausnahmemensch“ und die einzige Person, auf die ihr Vater gehört habe. „Wenn er diese Frau nicht gehabt hätte, wäre er 27 Mal geschieden und ich hätte 150 Halbgeschwister.“
In ihrem Buch „Also dann in Berlin“ hat die Journalistin und Filmproduzentin Alice Brauner nicht nur die Fluchtgeschichte ihres Vaters im Zweiten Weltkrieg und das Überleben ihrer Mutter Maria nachgezeichnet, einer ehemaligen polnischen Zwangsarbeiterin. Sie hat auch dieser „über 70 Jahre größten Liebe“ ein Denkmal gesetzt.
Mit Filmen gegen das Vergessen
Als studierte Historikerin, die auf dem Gebiet der Antisemitismus-Forschung promovierte, hat sich Alice Brauner schon lange wissenschaftlich mit dem Holocaust beschäftigt. Ihr Vater habe viele Jahre kaum von dieser Zeit erzählt – vielleicht, so vermutet die Tochter, weil seine Fluchtgeschichte immer weiter nach Osten bis nach Taschkent so komplex war, dass sie sich kaum für Anekdoten eignete.
Zudem sei ihr Vater „ein Heldentyp“ gewesen, konnte aber "nicht der Held sein, der er am liebsten gewesen wäre“. Sie habe den Eindruck gehabt, ihr Vater habe sich geschämt, dass er – anders als andere Familienmitglieder - „nie in einem Konzentrationslager war“. Erst während ihrer Recherchen erfuhr sie, dass er nach dem Krieg tausenden Juden, darunter vielen Kindern, bei der Flucht von Stettin aus in die britische Besatzungszone half, damit sie später nach Israel ausreisen konnten.
Mit seinen „Filmen gegen das Vergessen“, in denen immer wieder die deutsche Vergangenheit und der Holocaust thematisiert wurden, habe ihr Vater später versucht, seinen Teil zur Aufarbeitung beizutragen.
Von der Historikerin zur Filmproduzentin
Als Kind feierte Alice Brauner die Kindergeburtstage im hauseigenen Kino, wo sich die Geburtstagsgesellschaft Produktionen des Vaters anschaute. Kirk Douglas, Romy Schneider, Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher waren wie selbstverständlich Gäste im Haus der Eltern.
Trotzdem trieb Alice Brauner, die jüngste von vier Geschwistern, nach dem Studium der Geschichte, Politikwissenschaften und Romanistik zunächst ihre Karriere als Historikerin und Journalistin voran. Für die „Survivors of the Shoah Visual History Foundation“ von Steven Spielberg interviewte sie ihre Mutter und andere Zeitzeugen – Menschen, die zum Teil „50 Jahre nicht gesprochen“ hätten. Die Erzählungen hätten sie „emotional so was von fertig gemacht“, sagt Alice Brauner, dass sie während der Schwangerschaft mit ihren Zwillingssöhnen diese Tätigkeit nicht weiterführte.
Obwohl ihre Mutter den vier Kindern stets zu einem Beruf „ganz weit weg von eurem Vater“ geraten habe, stieg Alice Brauner schließlich als Filmproduzentin bei CCC Filmkunst ein, dem bis heute ältesten Familienunternehmen der Filmbranche in Deutschland.
„Man musste mit ihm umgehen können“
Die Zusammenarbeit mit dem Vater, der noch mit 90 Jahren jede Woche in der Firma nach dem Rechten sah, sei schwierig gewesen, aber nicht problematisch. „Man musste mit ihm umgehen können und das habe ich mir von meiner Mutter abgeschaut.“ Nach dem Tod des Vaters übernahm Alice Brauner die Geschäftsführung von CCC Filmkunst. Der Tod der beiden Eltern innerhalb weniger Jahre habe sie in ihrem Tun eher gelähmt. „Ich würde alles dafür tun, dass meine Eltern wieder hier wären.“
Mit Antisemitismus, mit dem Holocaust und der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt sich die 52-Jährige bis heute. Wichtig sei ihr für ihre Produktionen aber auch ein Blick nach vorne, wie etwa in der für das ZDF produzierten Culture-Clash-Komödie „Matze, Kebab und Sauerkraut“. Neben der „Königsdisziplin Kino“ versucht Alice Brauner aber auch, neue Wege zu beschreiten. Ende des Monats erscheint ein erster eigener True Crime Podcast. „Ich würde mich eine kreative Produzentin nennen.“
(era)