Alice-Salomon-Hochschule

Könnte ein neues Gedicht den Fassadenstreit lösen?

Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf mit dem Gedicht "avenidas" von Eugen Gomringer an der Fassade
Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf mit dem Gedicht "avenidas" von Eugen Gomringer an der Fassade © Alice-Salomon-Hochschule, Berlin
Von Catherine Newmark |
Ein kleines Gedicht, groß auf einer Hauswand: "Avenidas" von Lyriker Eugen Gomringer an der Berliner Alice-Salomon-Hochschule gilt manchen als sexistisch. Um Ruhe in die hitzige Debatte zu bringen, werden nun Lösungen diskutiert.
"Ein Mann, der auf die Straßen schaut und Blumen und Frauen bewundert" - das ist die deutsche Übersetzung einer spanischen Gedichtzeile aus "avenidas" von Eugen Gomringer.
Zu lesen ist sie an der Fassade der Alice Salomon Hoschule in Berlin. Der Streit darüber währt nun schon ein paar Monate. Studierende der Hochschule hatten die Ansicht vertreten, dass der Text eine "klassische patriarchale Kunsttradition" reproduziere und gefordert, das Gedicht von der Wand zu tilgen.
Gestern Abend wurde nun an der Hochschule bei einer Podiumsdiskussion über den Stand der Debatte gesprochen.

"Sexismus-Unterstellungen" versus "Stellvertreterdebatte"

Dabei wurde einmal mehr deutlich, wie festgefahren die Auseinandersetzungen sind.
Die "Sexismus-Unterstellungen" gegenüber dem Autor des Gedichts hätten geschadet, meinte Thomas Wohlfahrt, Leiter des Hauses für Poesie in Berlin und Partner der Alice Salomon Hochschule.
Und die Publizistin Andrea Rödig nannte den Streit um die Gedichtfassade "eine Stellvertreterdebatte". Es gehe dabei nicht um das Gedicht:
"Was ich sehe ist einfach, dass es eine wahnsinnige Spaltung gibt zwischen denen, die denken, es gäbe hier sozusagen einen 'Gender-IS', der Palmyra sprengt, also wenn dieses Gedicht irgendwie überpinselt wird …"

Ein neues Gedicht und neue Spielregeln?

Einen inspirierenden Vorschlag zur Güte trug schließlich Barbara Köhler, Trägerin des diesjährigen Alice Salomon Poetik Preises vor. Sie erläuterte, dass die Fassade doch alle sieben Jahre neu gestaltet werden könnte. Auch sie selbst könnte doch - wie im Jahr 2011 eben Eugen Gomringer - der Hochschule ein Gedicht schenken:
"Warum sollte zum Beispiel die aktuelle Preisträgerin nicht mit dem gleichen Recht wie Eugen Gomringer sagen können: 'Ich schenke der Alice-Salomon-Hochschule ein Gedicht' – und zwar versehen mit ein paar zusätzlichen Spielregeln: Wird die Gabe angenommen und der Text auf die Fassade gestellt, sollte er dort nicht länger als sieben Jahre bleiben. Das ist circa die Zeit, in der auch ein menschlicher Körper seinen Zellbestand runderneuert und eine Fassade einen Neuanstrich durchaus verträgt."
(Zusammenfassung: huc)
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