Neuübersetzung von Alice Walkers "Die Farbe Lila"
© Ecco Verlag
Aktueller Klassiker über Rassismus
05:31 Minuten
Alice Walker
Übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann
Die Farbe LilaEcco, Hamburg 2021319 Seiten
20,00 Euro
Er wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und von Steven Spielberg verfilmt: Nach 40 Jahren erscheint Alice Walkers Klassiker "Die Farbe Lila" in neuer Übersetzung. Seine Themen sind nach wie vor drängend.
Alice Walker erzählt ihren Briefroman in einfacher gesprochener Sprache. „Die Farbe Lila“ schildert das Leben afroamerikanischer Frauen in der Südstaaten-Gesellschaft während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Buch rekapituliert damit eine Zeit, in der Missbrauch und Inzest zur Lebenswirklichkeit der afroamerikanischen Südstaatenbevölkerung gehörten. Frauen oder Mädchen hatten keine Ahnung von ihren Rechten in einer Männerwelt.
Geschwister schreiben sich
Die Schwestern Celie und Nettie sind die Briefschreiberinnen. Die 14-jährige Celie „beichtet“ ihr Leben dem „lieben Gott“, erzählt vom Tod der Mutter. Ihre eigenen Schwangerschaften umschreibt sie lakonisch mit „ich bin dick“. Celie mag sich nicht, findet sich hässlich und berichtet mit der Naivität, die das Wort Schuld nicht kennt, vom Inzest mit dem eigenen Vater, der ihre gemeinsamen Kinder weggibt und sie dann in eine Ehe mit einem verwitweten Mann zwingt, den sie nur „Mr.“ nennt. „Lieber Gott“, schreibt Celie, "er tut, wie wenn er mich nimmer ausstehen kann."
Auf Mission in Afrika
Nettie, Celies jüngere Schwester, entkommt dem menschenunwürdigen Leben. Sie schafft den Weg nach England. Von dort wird sie als Missionarin nach Afrika aufbrechen und in ihren Briefen vom einfachen Leben als Selbstversorgerin schreiben, vom Maniok-Anbau und Jagen und vom Brummen der Maschinen weißer Kolonisatoren, die sich durchs Land fräsen, die Hütten der Siedlungen niederwalzen und den angestammten Lebensraum zerstören. Netties Briefe an Celie sind in einer anderen, weniger naiven Sprache verfasst.
Diskriminierungssensible Übersetzung
In der neuen Übersetzung dieses wichtigen Oral-History-Romans wird manches diskriminierungssensibel angepasst. Celies Sprache ist in einen flotteren, rappigen Rhythmus gebracht, der viel zum Lesevergnügen beiträgt. Rassistische Bezeichnungen, wie auch die Wörter für „white“ und „black“, hat die Übersetzerin umschrieben oder markiert. Als große Arbeitserleichterung führt Cornelia Holfelder-von der Tann die Nutzung des Internets bei ihren Recherchen an, das als 1984 Helga Pfetsch das Buch erstmals ins Deutsche übertrug, schlicht noch nicht zur Verfügung stand.
Lohnende Wiederentdeckung
Es ist eine großartige Idee des jungen Ecco Verlags, dieses Buch neu herauszubringen. Alice Walker, die 77 Jahre alt ist und heute in der Nähe von San Francisco lebt, kämpfte als Bürgerrechtlerin gegen Diskriminierung und ist heute aktiv gegen die Politik Israels, in ihren Augen eine Apartheids-Politik. Sie veröffentliche Gedichte, mehrere Romane und Zeitungsartikel. Ihr erfolgreichster Roman „Die Farbe Lila“ aus dem Jahr 1982 gehört in eine Reihe mit den afroamerikanischen „Klassikerinnen“: Toni Morrison, Zora Neale Hurston und Maya Angelou. Eine mehr als lohnende Wiederentdeckung.