Alina Bronsky: "Der Zopf meiner Großmutter". Roman
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019
250 Seiten, 20 Euro
Omas Tyrannei im Flüchtlingsheim
10:20 Minuten
In ihrem Roman "Der Zopf meiner Großmutter" beschreibt Alina Bronsky, wie Verletzungen in Tyrannei umschlagen. Sie schöpft dabei aus ihren eigenen Erfahrungen. Die Herausforderung bestand darin, einen Weg zu finden, die Geschichte zu erzählen.
Die Autorin Alina Bronsky stellt in ihren Büchern oft sehr besondere Frauenfiguren in den Mittelpunkt. In ihrem nun erschienen Roman "Der Zopf meiner Großmutter" geht es um eine aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland emigrierte "Großmutter". In einem Flüchtlingsheim hat sie ihr tyrannisches Regime errichtet.
Im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erklärt Bronsky: "Diese Art von Großmutter, die gibt es – absolut." Manchmal sei zwar die Figur in ihrem Roman überzeichnet, aber "manchmal geht sie auch gar nicht weit genug", so die Erfolgsautorin, die 2008 mit dem Roman "Scherbenpark" ihren Durchbruch feierte.
Migration als Fundus für die Literatur
Im Teenageralter kam Alina Bronsky nach Deutschland. Trotzdem habe sie Themen der Migration vermieden. "Das ist albern", räumt sie ein. Denn Migration sei "ein universelles Thema" und inzwischen auch "ein dankbarer Fundus", aus dem sie sich gern bedient habe, sagt die 41-Jährige.
In "Der Zopf meiner Großmutter" erzählt Bronsky aus der Perspektive eines kleinen Jungen die Geschichte einer Dreiecksbeziehung: Die Großmutter wird von ihrem Ehemann betrogen, der eine zweite Familie hat. Außerdem kommt sie nicht damit zurecht, dass sie in Russland ihr altes Leben zurücklassen musste.
Die Enttäuschung wird zur Frustrationen – die Oma wird zur Tyrannin. Dabei sei die Stimme des Enkels "der einzige Weg gewesen, die Geschichte zu erzählen", erläutert die Schriftstellerin.
Rückgriff auf reale Zitate
Bronsky zeigt Verständnis für ihre Romanfigur, "die viele Gründe hat, schlechtgelaunt zu sein". Denn sie laufe immer wieder gegen Wände und mache frustrierende Erfahrungen. Und so schlägt die Wut in das offene, zuweilen antisemitische Ressentiment um. Dabei konnte Bronsky auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen: "Ich musste mir gar nichts groß ausdenken. Das war ein bisschen wie Sammeln – das sind zum Teil alles reale Zitate."
Für Bronsky gehören auch solche Aussagen zum Schreiben dazu, die sonst in der Öffentlichkeit verpönt sind: "Als Autorin kann ich nicht sagen, ich muss meine Figur politisch korrekt gestalten – das wäre das Ende der Literatur."
Älterwerden als Thema des Romans
Und so ist der Roman "Die Zöpfe meiner Großmutter" auch eine Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Dabei falle es einfacher, darüber zu schreiben, wenn man selber Kinder habe, sagt Bronsky. Dann könne man leichter die kindliche Rolle verlassen, die man einmal hatte. "Das versöhnt mich mit dem Alter."
Von manchen Dingen müsse man sich im Laufe der Zeit schließlich verabschieden: "Älterwerden ist, wenn man merkt, man macht etwas zum letzten Mal", so Bronsky.
(rzr)