Alina Bronsky, Denise Wilk: "Die Abschaffung der Mutter - Kontrolliert, manipuliert und abkassiert – warum es so nicht weitergehen darf"
256 Seiten, 17,99 Euro, ebook 13,99 Euro, Deutsche Verlagsanstalt
Brauchen wir ein neues Mutterbild?
Die Schriftstellerin Alina Bronsky hat zusammen mit Denise Wilk das Buch "Die Abschaffung der Mutter" geschrieben. Sie fordern, den Frauen die Selbstbestimmung zurückzugeben. Die Autorinnen, selbst Mütter, haben ein provokantes und amüsantes Buch geschrieben.
Also meine Söhne sind noch sehr klein. Fast drei und knapp ein Jahr alt. Wir wohnen im nicht repräsentativen Eltern-Kind Paradies Berlin Prenzlauer Berg und ich bin in meinem Alltag zwischen Spielplatz, Kita, und Wickelkommode deshalb eher Mainstream als Randgruppe. Jetzt endet meine Elternzeit und es geht wieder los mit dem Spagat. Ginge es nach Alina Bronsky und Denise Wilk, sollte ich lieber noch ein bisschen zu Hause bleiben, denn vermutlich bin ich es gar nicht selbst, die Lust hat wieder zu arbeiten, sondern die Gesellschaft und die Politiker reden mir diesen Wunsch ein.
"Meist bedeutet das eine frühe Trennung der Mutter vom Kind zugunsten einer ausgedehnten Berufstätigkeit, die ein höheres Ansehen genießt als die Mutterschaft. In jüngster Zeit scheint es gewollt zu sein, die Mutter als entbehrlich und ersetzbar hinzustellen. Auf unterschiedlichen Ebenen arbeitet man am Mutterersatz. Zurück bleiben die Kinder – und die Frauen, von denen sich viele nicht eingestehen wollen, dass man ihnen etwas Lebenswichtiges raubt."
Das enge Band von Mutter und Kind
Höhere Cortisolwerte bei Kitakindern und psychische Auffälligkeiten bei Kindern, die frühzeitig "fremdbetreut" werden, davon schreiben Bronsky und Wilk. Mein schlechtes Gewissen, dass Mütter ja meistens sowieso schon haben, ist ein bisschen größer geworden, obwohl das sicherlich nicht die Absicht von "Die Abschaffung der Mutter ist". Die Autorinnen werben vielmehr hingebungsvoll für das enge Band von Mutter und Kind, etwas, das im Grunde wohl alle Mütter wollen – ob berufstätig oder nicht. An den Herd wünschen sie sich die Frauen nicht zurück. Aber der Idee, es seien gerade Mütter, die jahrelange Gleichstellungsarbeit kaputtmachen, sagen sie den Kampf an.
"Ausgerechnet manche Feministin sieht wohl die Beziehung der Eltern als auch die Karriere der Mutter in Gefahr, sollte diese ihr Kind länger als die ersten Lebenswochen an der Brust ernähren. Schließlich ist Muttermilch kaum mit dem Leitgedanken zu vereinbaren, das Geschlecht sei fern jeder Physiologie ein rein soziales Konstrukt."
Vor allem die französische Feministin und Philosophieprofessorin Elisabeth Badinter, deren Bücher Titel, wie "Der Konflikt. Die Frau und die Mutter" tragen, geht ihnen gehörig auf die Nerven, denn Bronsky und Wilk geht es gerade darum, die Einheit dieser beiden Rollen wieder zu erkennen. Sie plädieren deshalb auch für mehr Wertschätzung der körperlichen Aspekte des Mutterwerdens und -seins.
"Denn Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit sind etwas anderes als schlichte physiologische Vorgänge wie beispielsweise Verdauung."
Nämlich eine speziell weibliche Kompetenz betonen Alina Bronsky und Denise Wilk.
Zahlenmaterial und Alltagsgeschichten
Die Autorinnen, selbst Mütter vieler Kinder, haben ein zugespitztes, provokantes und immer wieder auch amüsantes Buch geschrieben. Jede Menge Zahlenmaterial – Erwerbsquoten von Müttern oder wie bizarr ungleich Geburtshilfe von Krankenkassen vergütet wird, je nachdem ob ein Kind im Krankenhaus oder zu Hause das Licht der Welt erblickt. Und dann wieder Alltagsgeschichten: Zum Beispiel von einer Frau in den Wehen, die im Krankenhaus vergeblich darum bittet, ihr Kind in der Badewanne zur Welt bringen zu dürfen – sie sei schließlich kein Delfin! Bitter komisch! Und gleichzeitig eine Illustration, wie häufig Gebären auf einen normierten, technischen Ablauf reduziert wird.
"Wie schon in der Schwangerschaft glauben gerade die verantwortungsbewussten Mütter, den Preis der Entmündigung zahlen zu müssen, um sich und das Kind nicht zu gefährden."
Ich habe beide meine Kinder im Krankenhaus zur Welt gebracht. Einmal natürlich, einmal per Kaiserschnitt. Ich war froh über jede schmerzlindernde Medizin. Meiner weiblichen Gebärkompetenz beraubt, habe ich mich nicht gefühlt, jedenfalls nicht beim ersten Kind. Es ist ja nicht so, dass man nicht selbst noch jede Menge ackert auch mit PDA. Und trotzdem treffen die Autorinnen einen wichtigen Punkt, nämlich den, dass eine Frau sobald die Schwangerschaft in der Frauenarztpraxis bestätigt ist, zur Patientin wird, jede Menge Tests macht und so oft Computerprogramme beurteilen lässt, ob es ihr selbst und dem Kind gut geht. Das ist dann in den Augen der Autorinnen so eine Abschaffung der Mutter. Der Mutter, die doch immer eine Einheit mit ihrem Kind war und ist. Da fängt man schon an, ein bisschen nachzudenken. Wirklich geärgert hat mich der Teil des Buches, in dem es um die Reproduktionsmedizin geht.
"Da gibt es auf der einen Seite die geschätzt sechs Millionen ungewollt Kinderlosen allein in Deutschland. Der Gedanke an sie gibt der Reproduktionsmedizin einen altruistischen Anstrich – als ginge es bei künstlicher Befruchtung um einen garantierten Zugang zum Glück, der frei von Risiken und Nebenwirkungen sein und den zu verweigern schlicht unmenschlich wäre."
Kindersegen als Macht des Schicksals?
In ihrem Plädoyer für die Natürlichkeit und Innigkeit des Mutterwerdens ist der Kindersegen quasi folgerichtig eine Macht des Schicksals. Und das geht dann doch zu weit und verkennt, wie großartig es ist, dass Frauen, die sich ein Kind wünschen und oft jahrelang im Takt ihres weiblichen Zyklus durch Hoffnung und Enttäuschung gehen, geholfen werden kann. Reproduktionsmedizin ist ja keine Maschine fürs Kinderbekommen. Die Frauen, die sich sicherlich nicht leichtfertig in eine solche Behandlung begeben, bekommen Starthilfe. Austragen müssen sie das Kind schon allein. Natürlich gibt es auch in diesem medizinischen Feld bedenkliche, kritikwürdige und ärgerliche Auswüchse – Social Freezing, Leihmutterschaft, Eizellspenden oder sogenannte Gebärfarmen in Asien – aber deshalb beim Thema Kinderwunsch auf Schicksalsgläubigkeit zu pochen, kommt mir im besten Fall blasiert vor.
Lange habe ich mich dann aber doch nicht geärgert, denn nach ihrem pointiert verfassten Kapitel "Die Lüge von der Vereinbarkeit" in dem es um die Alltagstauglichkeit einer intensiven Mutterschaft geht, kommen beispielsweise solche Sätze. Sätze, die ich mir gut gemerkt habe.
"Ebenfalls auf unserem Wunschzettel: Anerkennung und gemeinsame Verantwortung in der Partnerschaft, ohne stündlich um die jeweiligen Rollenmodelle zu ringen, miteinander zu konkurrieren und sich und den anderen infrage zu stellen. Der moderne Vater muss keine bessere Mutter sein. Er hat als Vater genug zu tun."